Hellere Haut um jeden Preis
15. Januar 2014Roter Lehm bedeckt Tangitinis Gesicht und lässt nur Mund und Augen frei. Es ist später Nachmittag in KwaZulu-Natal, im äußersten Nordosten Südafrikas.
Tangitini, etwa 30 Jahre alt, hat den ganzen Tag in ihrem Gemüsegarten unter der prallen Sonne gearbeitet. Daher auch der rote Lehm: Das ist ihre Sonnencreme.
"Sehen Sie meine Haut?" fragt sie und zeigt auf ihren Unterarm, der wie der Rest ihres Körpers schwarz ist. "Sie kann in der Sonne dunkler werden, als sie eigentlich ist. Dann werde ich möglicherweise so schwarz wie die Menschen in Nigeria. Das möchte ich nicht."
Daher kauft Tangitini auf dem Markt roten Ocker, eine eisenhaltige Erdfarbe. Sie rührt die Lehmklumpen mit Wasser an und trägt die Paste im Gesicht auf, wenn sie in die Sonne geht. Das hat ihr schon ihre Mutter beigebracht.
Schön sein für die Männer
Tangitini gehört zur schwarzen Volksgruppe der Zulus. Ihre Familie hat nur wenig Geld. Das Dorf, in dem sie lebt, besteht aus vereinzelten einfachen Betonhäusern und Holzhütten, vor denen jetzt Menschen in Grüppchen zusammensitzen und sich von den Strapazen des Tages erholen.
Denn das Leben in Tangitinis Dorf ist hart. Die Bewohner leben vom Fischfang, bauen vieles von dem, was sie brauchen, selbst an. Aber auch wenn Tangitini keinen Luxus kennt: Schön auszusehen, ist ihr wichtig. Daher schützt sie ihr Gesicht sorgfältig vor der Sonne.
"Das Gesicht ist das Erste, was ein Mann bei einer Frau sieht", erklärt Tangitini. "Wenn es schön ist, wenn ihre Haut dort hübsch ist, dann entscheidet er sich für diese Frau. Und auch der Ehemann und der Vater sollen sehen, dass sie eine schöne Frau oder Tochter haben." Und möglichst helle Haut zu haben, gilt in ihrer Gesellschaft nun mal als schön.
Günstiger Sonnencremeersatz
Eisenhaltige Erden dienen vielen indigenen Völkern in Süd- und Zentralafrika als natürliche Sonnencreme, sagt Beverley Summers vom fotobiologischen Labor der südafrikanischen Universität Limpopo.
"Sie schützen vor Sonne, manchmal so gut wie ein Lichtschutzfaktor zwölf. Mit ihnen bleibt die Haut blasser, weil sie nicht so schnell bräunt." Auch täglicher Gebrauch sei nicht gefährlich, fügt Summers hinzu: Gegen Sonnenschutz sei nichts einzuwenden.
Aber vielen Afrikanerinnen reicht es nicht, ihre Haut nur vor übermäßiger Sonne zu schützen. Sie wollen hellhäutiger werden, als die Natur es vorgesehen hat.
Hellere Haut aus der Dose
In einem Einkaufszentrum im Königreich Swasiland, nördlich von Südafrika, wird klar, wie afrikanische Frauen ihr Schönheitsideal zu erreichen versuchen: Im Schaufenster eines Geschäfts stapeln sich Kosmetikdosen mit Bleichcremes. Die Verpackungen versprechen milchkaffeefarbene Haut.
"Sehr, sehr viele Frauen kaufen diese Cremes", erzählt die Verkäuferin des Geschäfts. Sie nimmt eine Dose aus dem Schaufenster, schraubt sie auf und zeigt auf den neongelben Inhalt. "Gestern habe ich bestimmt mehr als zehn davon verkauft."
Nach Angaben der Vereinten Nationen benutzt in Südafrika jede dritte Frau regelmäßig Bleichcremes, in Nigeria sind es sogar 77 Prozent aller Frauen. Auch in vielen asiatischen Ländern wie Korea, Malaysia und Indien sind die Cremes der Renner. Viele Frauen schmieren sich täglich bis zu 20 Jahre lang damit ein.
Kosmetik mit Fotoentwickler
Bleichcremes enthalten meist Hydrochinon. Diese chemische Verbindung nutzt man, um Fotografien zu entwickeln. In der Haut hemmt sie die Synthese des Pigments Melanin. Bei regelmäßiger Anwendung wird die Haut daher heller.
Aber solche Bleichcremes bringen unangenehme Nebenwirkungen mit sich, erklärt Uwe Reinhold, Hautarzt in Bonn. "Hydrochinon reizt die Haut. Die oberste Hautschicht wird verdünnt. In der Langzeitanwendung kann es auch zur vermehrten Faltenbildung kommen. Hautentzündungen können entstehen, Reizungen, Juckreiz und so weiter."
Glaubt man Berichten im Internet, bekommen einige Frauen nach der Anwendung Blasen auf der Haut, leiden unter starken Schmerzen und behalten oft sogar bleibende Narben zurück. Hydrochinon steht außerdem im Verdacht, beim Menschen Krebs zu erzeugen. Und weil die Bleichcremes die Produktion des schützenden Melanins unterbinden, haben Menschen, die sie benutzen, auch ein höheres Risiko, Hautkrebs zu bekommen.
In der EU sind hydrochinonhaltige Kosmetika, also auch Bleichcremes, verboten. Aber in den meisten anderen Ländern und im Internet sind sie frei verkäuflich.
Zwar sind inzwischen auch andere, hydrochinonfreie Mittel auf dem Markt. Aber Reinhold rät von allen Alternativen ab: Entweder sie ähnelten Hydrochinon und seien damit gesundheitsgefährdend - oder sie wirkten kaum.
"Seine Hautfarbe kann man nicht wechseln wie ein Kleid"
Uwe Reinhold erlebt öfters, dass schwarzhäutige Patienten ihn bitten, ihre Hautfarbe aufzuhellen. Eine schwierige Situation für den Arzt: "Wir haben keine gefahrlose, einfache Methode zur Verfügung, um diesem Wunsch gerecht zu werden."
Lediglich für vereinzelte schwarze Flecken, die sich zum Beispiel aufgrund einer Entzündungsreaktion bilden, kann Reinhold ein hydrochinonhaltiges Medikament verschreiben. Das darf man allerdings nur auf kleinen Hautflächen und für maximal drei Monate anwenden - keinesfalls großflächig und dauerhaft.
"Stattdessen erklären wir dem Patienten, dass man eben so als Mensch auf die Welt gekommen ist und sein Hautbild nicht einfach auswechseln kann wie ein Kleid."
Aber nicht alle schwarzen Frauen erliegen dem milchkaffeefarbenen Schönheitswahn - die Verkäuferin im Geschäft in Swasiland zum Beispiel: Auf die Frage, ob sie sich auch mit Bleichcremes einschmiere, winkt sie ab. "Ich habe diese Cremes noch nie benutzt. Ich möchte nicht weiß sein. Mein Teint ist dunkel. Das möchte ich nicht ändern."