Kino der Qualität
4. Februar 2008Psychologische Kammerspiele, routiniertes Ausstattungs- und Genrekino, handwerklich perfekt inszeniert, mit den Stars des französischen Kinos besetzt - das verstand man damals unter dem Schlagwort "Kino der Qualität". Die Kritiker des Qualitätskinos aus den Reihen der Nouvelle Vague brandmarkten diese Filme als seelenlos und kalt, als geschwätzig und manieriert. Die Opposition der Nouvelle Vague war radikal und notwendig. Aber sie forderte auch unschuldige Opfer - wie Henri-Georges Clouzot, der im vergangenen Jahr 100 Jahre alt geworden wäre. Er hat einige Filme gedreht, über die man heute weniger hart urteilt - im Gegenteil.
"Lohn der Angst" (1951/52)
Ein Klassiker des Abenteurer- und Actionkinos, gegen den die neuen millionenschweren Reißer der Gegenwart, mit all ihren am Computer erzeugten Tricks, verblassen. Ein Thriller, der zeigt, wie wichtig eine genaue Charakterisierung der Protagonisten ist, und wie sinnvoll der Faktor Zeit eingesetzt werden kann. Clouzot hat die Geschichte einer Handvoll Gestrandeter in einem Nest in Venezuela, die ihr Leben für ein Flugticket verkaufen, mit einem atemberaubenden Rhythmus auf die Leinwand gebannt. Und das Ende ist so schwarz, wie das aus den zerborstenen Leitungen pulsierende Öl.
"In dem einzigen Männerfilm des Regisseurs, der sonst seine Konflikte gerade aus dem Widerspruch weiblicher und männlicher Komponenten filtert, balanciert Clouzot seinen ausgeklügelten Stil mit physischer Direktheit, mit dem Schweiß, dem Schlamm, dem Öl, dem Blut auf der Haut der Akteure." (Anke Sterneborg)
"Die Teuflischen" (1954)
Einer der düstersten Thriller seiner Zeit, in dem Clouzot einen ausgeklügelten Mordplan minutiös umsetzte. In einem französischen Internat spinnen der Direktor und seine Geliebte einen diabolischen Mordplan, dem die Direktorin zum Opfer fallen soll. "Die Teuflischen" erinnert nicht von ungefähr an Hitchcock, beide bedienten sich der Vorlagen des französischen Autorenpaars Pierre Boileau und Thomas Narcejac. Doch wo Hitchcock immer auch Leidenschaft inszenierte, da ist bei Clouzot keine Hoffnung mehr im Spiel. Ein Film über Täuschungen und Intrigen, Hass und berechnende Liebe.
"Die Story ist von raffinierter Konsequenz. Es gibt keine Abschweifungen. Perfekt wie das Drehbuch ist auch die optische Gestaltung. Sie überzeugt durch eine Ökonomie, die keine Längen, keine Leere, keine überdrehten Gag erlaubt, die aber für jeden Schock eine kurze Atempause gönnt." (Dieter Krusche/Jürgen Labenski)
"Spione am Werk" (1957)
Ein Spionagedrama, gedreht überwiegend an einem Schauplatz. In einer psychiatrischen Klinik verfängt sich der Arzt Dr. Malic hoffnungslos in das Intrigenspiel östlicher und westlicher Geheimdienste. Alle verfolgen nur ein Ziel, den Erfinder einer billigen Atombombe für eigene Zwecke einzuspannen. Ein verwirrendes Dialogstück mit prominenter Besetzung, aber auch ein Film der 50er Jahre, der die Nachteile europäischer Koproduktionen schon vorweg nahm: Darsteller, die nicht miteinander harmonierten, eine Inszenierung, die den billigen Effekt bevorzugte, nur scheinbar originelle Charaktere.
"Clouzot opfert den inneren Realismus immer dem äußeren Realismus; überall Dreck und Müll, schmutzige Wände, zerknitterte Kleidung; aber wo ist die Wahrhaftigkeit der Gesten und der Gefühle?" (Francois Truffaut)
Die DVD-Box "Henri-Georges Clouzot" ist beim Anbieter Concorde erschienen.