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Fest der Umkehr

Günther Birkenstock5. September 2013

Am 4. und 5. September findet in diesem Jahr das jüdische Neujahrsfest, Rosch Haschana, statt. "Es ist kein Volksfest mit Feuerwerk, sondern ein Tag der Besinnung", sagt Rabbiner Henry G. Brandt.

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Rabbiner Henry G. Brandt in der Augsburger Synagoge Foto: imago/epd
Bild: imago/epd

Deutsche Welle: Warum feiern Juden das Neujahrsfest im September, beruht ihr Jahr auf einem anderen Kalender?

Henry G. Brandt: Ja, wir haben einen ganz anderen Kalender. Unsere Monate werden gezählt von Neumond bis Neumond. Das ergibt, dass das Jahr etwa zehn Tage kürzer ist. So haben wir Schaltjahre, in denen ein 13. Monat eingeführt wird. Dass Neujahr im September liegt, hat biblische Hintergründen. Das königliche Jahr - das Hauptjahr - beginnt im Frühling. Etwa im März liegt der erste Monat des Jüdischen Kalenders. Das ist fast eine kleine Absurdität, dass bei uns die neue Jahreszahl mit dem ersten des siebten Monats beginnt und hat möglicherweise wirtschaftliche Hintergründe. Zu dieser Zeit wurden die Schulden abbezahlt und es wurden Neuanfänge gemacht. Und dann haben die Weisen vor Jahrtausenden ausgerechnet, dass die Welt an diesem Tag erschaffen worden ist. Da gab es den anderen Kalender ja noch lange nicht.

Worin bestehen die Unterschiede zwischen dem christlich geprägten Neujahrsfest und dem jüdischen?

Das christliche Neujahrsfest ist ja gar nicht so christlich geprägt. Das ist so ein Freudentaumel mit Feuerwerk und Feiern und Trinken. Der jüdische Inhalt ist, dass Neujahr verstanden wird als Tag der Umkehr. Das heißt im spirituellen und praktischen Sinn, dass man sich von Sünden und Fehlern abkehrt, die man im Laufe des Jahres begangen hat, um Vergebung bittet und wieder gut macht. Es ist der Anfang einer Zeit von zehn Tagen reumütiger Umkehr, die dann im großen Versöhnungstag endet, in der Hoffnung, dass man ein besserer Mensch geworden ist und im theologischen Sinne wieder rein anfängt.

Wie wird das jüdische Neujahrsfest begangen?

Die Hauptfeier ist in der Synagoge und die beiden Neujahrstage sind sicher die höchsten Feiertage im Jahr. An diesen Tagen wird das Schofar geblasen, ein Widderhorn. Das sind sehr eindrucksvolle Urklänge ohne feste Melodie. Und das wird als Weckruf gedeutet, also: Kehret um und wachet auf!

Was bedeuten andere Rituale, zum Beispiel das Taschlich?

Während das Schofar blasen ein religiöse Pflicht ist, die sich aus der Bibel ergibt, ist Taschlich eher ein religiöser Brauch, der sich auf Bibelverse beruft, aber von den Quellen so nicht vorgeschrieben ist. Beim Taschlich gehen die Menschen an ein fließendes Wasser oder ans Meer und werfen dabei Krümel, die sie in der Tasche getragen haben, ins Wasser. Dann werden einige Verse gelesen. Im Propheten steht geschrieben "er wird deine Sünden im Wasser versenken", das heißt, du wirst gereinigt von den Sünden.

Gibt es noch weitere Bräuche?

Die Brote am Neujahrstag, die man bei der Mahlzeit segnet, sind rund, ähnlich einer Krone - und nicht länglich wie sonst. Denn an diesem Feiertag spricht man vom Gott als König, in dem Sinne, dass im Altertum der König auch der höchste Richter war.

Außerdem werden Apfelstücke in Honig getaucht, in der Hoffnung, dass das nächste Jahr so süß sein wird wie Honig. Das stammt aus einer Zeit, als man nicht alles im Supermarkt kaufen konnte.

Die liturgische Kleidung, die Vorhänge, die Tischdecke undsoweiter sind an Rosch Haschana weiß. Das ist zum einen die Farbe der Todeskleidung und bedeutet Bescheidenheit und Unterwerfung in Gottes Urteil. Denn Neujahr wird gesehen als Tag des Urteils. Da wird der Mensch gewogen, seine guten und schlechten Taten, und sein Schicksal für das Jahr wird festgelegt. Gott sitzt als Richter über ihn. Das ist natürlich so ein Versuch, etwas bildlich darzustellen, was man bildlich gar nicht darstellen kann.

Und was machen Juden am 1. Januar?

Das wird als eine Art Volksfest gefeiert. Wo eine Party ist, ist eine Party.

Henry G. Brandt ist Rabbiner der Jüdischen Gemeinde Augsburg, Präsident der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit DEUTSCHER KOORDINIERUNGSRAT E.V. und Vorsitzender der Allgemeinen Rabbiner-Konferenz.