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Berliner Konferenz zur Rettung des syrischen Kulturerbes

Gero Schliess und Volker Witting1. Juni 2016

In Berlin beraten Experten über die Zukunft syrischer Welterbestätten. Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, sprach sich im DW-Interview gegen nationale Alleingänge aus.

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Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), (Foto: picture-alliance/dpa/T. Brakemeier)
Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK)Bild: picture-alliance/dpa/T. Brakemeier

Gemeinsam mit der UNESCO hat die Bundesregierung über 170 Experten aus aller Welt nach Berlin eingeladen, um vom 2. bis zum 4. Juni über den Wiederaufbau von syrischen Welterbestätten, wie Palmyra, zu beraten. Deren Erhalt sichere das kulturelle Erbe Syriens und stärke damit den Zusammenhalt des Landes, erklärte Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt, die Hintergründe der dreitätigen Konferenz. Auch Deutschland möchte zum Wiederaufbau der Kulturstätten beitragen, allen voran die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) und ihr Präsident Hermann Parzinger.

Deutsche Welle: Herr Professor Parzinger, in Syrien tobt weiterhin Krieg. Warum braucht man gerade jetzt eine Konferenz zum Erhalt des syrischen Kulturerbes?

Hermann Parzinger: Wir brauchen diese Konferenz ganz unbedingt, denn wir müssen langsam einen Aktionsplan dafür entwickeln, wie es weitergeht mit dem Kulturerbe, wenn der Krieg einmal zu Ende ist. Es gibt vieles, was auch jetzt schon getan werden kann: Etwa die Ausbildung von Museumsfachleuten, von Restauratoren, aber auch die Vorbereitung von Infrastrukturen. Und vor allem stellt sich die Frage, wie man mit dem Wiederaufbau umgehen soll. Wir wissen, in Palmyra sind die wichtigsten Gebäude gesprengt worden. Welche Möglichkeiten des Wiederaufbaus gibt es? Es ist nicht nur Deutschland, dass zu Syrien eine traditionell enge Verbindung hat. Auch viele andere Länder, wie Frankreich oder Italien, haben in Syrien gearbeitet. Es geht darum, das international zu bündeln. Am Ende muss es eine Fortschreibung des Aktionsplans der UNESCO für Syrien geben, der auch schon die Zeit nach dem Krieg im Blick hat.

Man hat im Moment den Eindruck, dass es zur Zeit eine Art internationalen Wettlauf um die Rettung des kulturellen Erbes gibt. Der russische Präsident Putin lässt beispielsweise in Palmyra Konzerte abhalten, in Großbritannien ist man mit der Technik der 3D-Dokumentation unterwegs. Stimmt dieser Eindruck?

Zunächst ist dieser Wettlauf ja erfreulich. Auch in anderen Krisengebieten hätte man sich das gewünscht. Deswegen ist es jetzt wichtig, dass hier in Berlin alle Akteure zusammenkommen, um unter der Führung der UNESCO und ohne nationale Alleingänge einen Aktionsplan zu entwickeln.

Die Tempelanlagen in Palmyra wurden von der Terrormiliz Islamischer Staat schwer beschädigt, (Foto: DW/J. Rescheto)
Die Tempelanlagen in Palmyra wurden von der Terrormiliz Islamischer Staat schwer beschädigtBild: DW/J. Rescheto

Wird denn Deutschland hier in Berlin die Federführung übernehmen?

Wir sind ein wichtiger Akteur, das ist klar. Seit Jahrzehnten etwa hat das Archäologische Institut in Syrien Ausgrabungen gemacht. Aber wir streben keine Führungsrolle an. Es geht nur im Schulterschluss mit allen anderen.

Anders als Deutschland scheint Russland nicht so zurückhaltend zu sein. Denn wenn Berichte von Syrienexperten, mit denen wir gesprochen haben, stimmen, dann beansprucht Russland die Führungsrolle in Palmyra. In diesem Zusammenhang wird immer wieder das Petersburger Eremitage-Museum genannt. Trauen Sie dem überhaupt archäologische Spitzenleistungen zu?

Die Eremitage ist seit Jahrzehnten ein wichtiger Partner von uns. Ich selber habe als Archäologe zusammen mit den Kollegen der Eremitage ein skythisches Königsgrab ausgegraben. Sie haben eine große Orientabteilung und eine große archäologische Kompetenz dort. Unser Ziel muss sein, darüber zu sprechen, was Deutschland und Russland zusammen machen können in Syrien. Das wird auch Thema beim Petersburger Dialog in Juli sein. Es ist wichtig, dass wir die russischen Kollegen in einen internationalen Aktionsplan einbinden. Es geht nicht um Führungsrollen. Es mag sein, dass man von politischer Seite da gewisse Vorlieben hat. Aber wenn die UNESCO glaubwürdig sein will, dann muss die UNESCO auch die Führungsrolle übernehmen, zusammen mit den Syrern natürlich.

Heißt das, Sie wären gegen eine russische Führungsrolle, oder würden Sie diese notfalls akzeptieren?

Ich finde, niemand sollte eine Führungsrolle übernehmen. Das können nur UNESCO und die Syrer.

Wie soll Palmyra am Ende eigentlich aussehen? Manche sagen – und darunter wohl auch die Russen -, dass Palmyra so eine Art Disneyland werden sollte. Es soll wiederaufgebaut und mit Kopien hübsch hergerichtet werden. Wäre das auch Ihre Vision?

Disneyland wäre natürlich schrecklich. Aber Wiederaufbau bedeutet nicht automatisch Disneyland. Ich fände es aber auch vollkommen absurd, wenn man sagt, man soll die Trümmerfelder als Mahnmale lassen. Dann überlässt man dem Islamischen Staat die Bilder für die Zukunft. Das ist einer zivilisierten Welt unwürdig. Ich habe Fotos von den gesprengten Tempelgebäuden gesehen. Ich glaube, dass man eine ganze Menge mit den Originalen wieder aufbauen kann. Und wenn dann fehlende Teile modern ergänzt werden, wie wir es im Neuen Museum gemacht haben, dann ist das eigentlich auch eine Art Mahnmal. Ich glaube, diesen Versuch sollten wir unternehmen.

Russland zeigte bereits Flagge in Palmyra mit einem Konzert des Petersburger Mariinsky Orchesters, (Foto: "picture-alliance/dpa/M. Voskresenskiy)
Russland zeigte bereits Flagge in Palmyra mit einem Konzert des Petersburger Mariinsky OrchestersBild: picture-alliance/dpa/M. Voskresenskiy

Was können die Deutschen und speziell die Stiftung Preußischer Kulturbesitz beisteuern? Wo liegen unsere Stärken?

Wir haben große Erfahrung in Syrien durch die Grabungen des Vorderasiatischen Museums. Und vergessen Sie nicht: Mit der Zerstörung, dem Plündern von Sammlungen und dem Zerbomben von Museen haben wir im Lauf unserer Geschichte unsere ganz eigene Erfahrung gemacht. Mit dem Masterplan "Museumsinsel" arbeiten wir mmer noch 40 Jahre deutsche Teilung und auch noch Schäden des Zweiten Weltkriegs auf.

Von der musealen Kompetenz über Restaurierungs- und Konservierungstechniken bis hin zur Dokumentation von syrischen Kulturerbestätten haben wir also viel, was wir zur Verfügung stellen können.

Welches Ergebnis soll am Ende der Konferenz stehen?

Ich würde mir wünschen, dass man in wichtigen Feldern wie Wiederaufbau, Schadensdokumentation, Capacity-Building oder Unterbindung des illegalen Handels zu Ergebnissen kommt und diese am Ende einfließen lässt in einen Report, der die Grundlage bildet für die Fortschreibung des UNESCO-Aktionsplans. Den müssen dann alle mittragen, die jetzt auch daran mitgewirkt haben. Vor allem wenn es dann nach dem Ende des Krieges zu einer Geberkonferenz kommt, bei der die Länder Mittel bereitstellen.

Das Interview führte Gero Schließ