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Herr über Oxer und Wassergräben

Andreas Sten-Ziemons, Aachen20. August 2015

Bei der EM der Springreiter in Aachen ist er eine der wichtigsten Personen im Stadion: Parcours-Chef Frank Rothenberger bestimmt Position und Aufbau der Hindernisse - und hat es damit zu weltweitem Ansehen gebracht.

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Frank Rothenberger, Parcourschef der Reit-EM 2015 in Aachen (Foto: CHIO Aachen/Bronkhorst)
Bild: CHIO Aachen/Bronkhorst

"Ein Parcours ist dann gut, wenn ungefähr ein Viertel der Reiter strafpunktfrei durchkommt. Und was wir überhaupt nicht gerne sehen, sind irgendwelche Stürze, dass ein Pferd sich verletzt oder in ein Hindernis hineinspringt und es einen Crash gibt", sagt Frank Rothenberger. Der 57-Jährige ist bei der Reit-EM als Parcours-Chef für die Springprüfungen im Aachener Reitstadion verantwortlich. Er kreiert die Kurse am Computer und setzt sie dann auf dem Turnierplatz um. "Jeder Parcours ist anders. Das Wetter, die Pferde, der Boden, Platz und Hindernisse auch", sagt er. "Man denkt sich ständig etwas Neues aus und weiß vorher nie so richtig, ob es funktioniert."

Meistens allerdings funktioniert es - nicht umsonst ist Rothenberger einer der renommiertesten Parcours-Bauer weltweit. Bei den Weltreiterspielen, diversen Europameisterschaften und vielen anderen großen Championaten war Rothenberger als Parcours-Chef im Einsatz.

"Frank baut grundsätzlich sehr faire Kurse", sagt Marcus Ehning, Mannschafts-Olympiasieger und -Weltmeister mit der deutschen Equipe. Eine spezielle Handschrift oder gar einen "typischen Rothenberger" gebe es aber nicht, erklärt Ehning: "Speziell ist hier in Aachen allerdings die Größe des Platzes. Da kann und muss er natürlich ganz anders bauen als auf einem kleinen Platz oder in einer Halle."

Aachener Reitstadion (Foto: Rolf Vennenbernd dpa/lnw)
Das Reitstadion in Aachen ist mit knapp 19.000 Quadratmetern Fläche einer der größten Turnierplätze weltweitBild: picture-alliance/dpa

Dass der Turnierplatz in Aachen mit rund 120 mal 155 Metern sehr groß ist, daran hat sich Rothenberger längst gewöhnt. Immerhin trägt er hier bereits seit 2001 die Verantwortung. Die riesigen Ausmaße und die bis zu 40.000 Zuschauer auf den Tribünen sorgen eher bei Reitern und Pferden für Anpassungsschwierigkeiten - nicht jedes Tier kommt mit der Atmosphäre in Aachen sofort zurecht. "Man muss versuchen, am Ende die Guten vorne zu haben", sagt Rothenberger zu seiner Philosophie. "Gleichzeitig muss man die schwächeren Equipen oder schwächeren Reiter immer noch gut aussehen lassen. Sie sollen nicht - in Anführungsstrichen - mit dem Kopf unter dem Arm - also mit jeder Menge Fehlerpunkten - nach Hause fahren."

Auf den Zentimeter genau

Mit einem leuchtend-orangen Straßenmessrad, wie es normalerweise für Streckenmessungen auf Baustellen und im Straßenbau verwendet wird, geht Rothenberger den Parcours im Vorfeld der Prüfungen ab und wird dabei stets von einem Tross von Mitarbeitern begleitet, die die Abstände zwischen den Hindernissen mit den Plänen vergleichen. "Wir messen die Länge des Parcours", erklärt Rothenberger seine Arbeit. "Die Reiter müssen eine bestimmte Geschwindigkeit reiten, aus der sich auch die maximal erlaubte Zeit für den Umlauf ergibt." Außerdem werden die Höhen der Hindernisse noch einmal nachgemessen. Anschließend kann der Platz abgenommen und von den Reitern besichtigt werden.

Rothenbergers Kontakt zu den Athleten ist gut. "Man redet viel miteinander und tauscht sich aus", sagt er. Auf persönliche Vorlieben der Reiter und die Stärken oder Schwächen ihrer Pferde nimmt der dreifache Familienvater aber keine Rücksicht. "Wenn die Reiter Wünsche äußern könnten, würden wir am besten alle in einen großen Topf schmeißen und drei herausziehen. Und wer dann nicht dabei ist, der hat Pech gehabt", lacht er. "Richtig beschwert hat sich bislang noch niemand - und wenn: Ich bin 1,85 Meter groß und wiege 95 Kilo. Das traut sich keiner."

Daniel Deußer (l.) und Christian Ahlmann besichtigen den Parcours (Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)
Die deutschen Springreiter Daniel Deußer (l.) und Christian Ahlmann (r.) besichtigen den ParcoursBild: picture-alliance/dpa/R. Vennenbernd

Hoffnung auf Tokio 2020

Rothenberger, der gelernter Bereiter ist, baut eigene Hindernisse, seit er 16 Jahre alt ist. Seit über 30 Jahren hat er eine Firma für Hindernisse und Parcours-Bedarf, die Turniere in der gesamten Welt beliefert. Er selbst war auch nicht nur in Deutschland als Parcours-Chef im Einsatz. "Der intensive Springsport findet in Europa statt. Dort kenne ich fast alle Plätze und habe fast überall auch schon gebaut", sagt er. Aber es gebe natürlich auch Plätze außerhalb Europas, die tatsächlich exotisch seien. "Wenn man beispielsweise nach Neuseeland kommt, oder man baut in Südchile ein Turnier auf - oder in Ecuador auf 2000 Metern Höhe, das ist schon etwas anderes. Das Hindernismaterial ist dann oft sehr historisch, und die Plätze sind sehr tief."

Einen großen Wunsch möchte sich Frank Rothenberger gerne noch erfüllen: einmal einen Spring-Parcours bei den Olympischen Spielen setzen. "Ich war zwar schon oft dabei, habe aber noch nie selbst den Parcours gebaut. Nächstes Jahr in Brasilien wird ein Brasilianer den Parcours bauen. 2020 geht es nach Tokio. Dort gibt es keinen, dem man das so richtig zutraut. Da gibt es vielleicht eine Chance."

Allerdings will es Rothenberger in Zukunft etwas ruhiger angehen lassen und ein paar Turniere weniger betreuen. "30 Turniere im Jahr, das brauche ich mit 57 Jahren nicht mehr", sagt er. Aber wenn der Anruf aus Tokio kommt? "Dann bin ich da!"