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Ernährungssicherheit

Heuschrecken - die panafrikanische Plage?

Martina Schwikowski
24. Oktober 2020

Riesige Heuschreckenschwärme fressen im Süden Afrikas die Felder kahl. Was sind die Lektionen aus der grassierenden Plage im Osten des Kontinents, die bereits seit Monaten wütet? Experten fordern mehr Kooperation.

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Afrika Heuschreckenplage in Kenia
Dieser Heuschreckenschwarm fraß sich im Frühjahr durch KeniaBild: Sven Torfinn/AP Photo/picture-alliance

Im Süden Afrikas beginnt sich gerade zu wiederholen, was den Osten schon seit Monaten plagt: Riesige Heuschreckenschwärme fallen ein, fressen Flächen von Gräsern und Bäumen kahl und hinterlassen verwüstete Felder und Weideland. Schon sind Landstriche in fünf Staaten betroffen; in Namibia, Botswana, Simbabwe, Sambia und seit kurzem auch Angola. Die Lebensgrundlage von Landwirten und Viehzüchtern wird in vielen Dörfern zerstört, die nach Dürren in der Region ohnehin angespannte Versorgung mit Nahrungsmitteln noch fragiler.

Das Ausmaß der Plage im Süden Afrikas ist groß, sagt Mathew Abang, für Pflanzenschutz zuständiger Referent bei der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) für das südliche Afrika. Allein in Sambia seien 300.000 Hektar Land von den Heuschrecken befallen. Laut einem aktuellen Bericht der südlichen Entwicklungsgemeinschaft SADC könnten bald 45 Millionen Menschen zu wenig Nahrungsmittel haben, berichtet Abang im DW-Interview.

Heuschreckenplage in Gaborone, Botswana
Jetzt auch im südlichen Afrika: Ein Heuschreckenschwarm nahe Gaborone, der Hauptstadt von BotswanaBild: Food and AgricultureOrganization/AP/picture-alliance

Erfahrungen der grassierenden Heuschreckenplage in Ostafrika zeigen zudem: Es fehlt an Finanzen und regionaler Kooperation, um die gefräßigen Insektenschwärme auf ihren Beutezügen durch die Felder zu stoppen.

Mangelware: Insektizide

Mit der Regenzeit im November drohen im südlichen Afrika die gepflanzten Keimlinge von neu geschlüpften Heuschrecken aufgefressen zu werden, sagt Regina Feindt, Mitarbeiterin der Welthungerhilfe in Simbabwe. Dort zum Beispiel fürchten Hilfsorganisationen, dass sich die bereits desolate humanitäre Lage für viele Menschen bald noch verschlimmert: "Die Ernte im Mai war schlecht. Das Land leidet seit zweieinhalb Jahren unter Dürre, die Wirtschaft ist am Boden - das erschwert das Problem", sagt Feindt. Hinzu komme der lange Lockdown wegen der Corona-Pandemie. "Das Landwirtschaftsministerium hat nicht genug Insektizide und hat uns schon gefragt, ob wir die liefern können", beschreibt sie die Situation im DW-Interview. Die Heuschrecken haben entlegene Gegenden im Süden und Westen des Landes befallen. Dort konnten sie ungestört brüten, sich vermehren und ausschwärmen.

Äthiopien | Heuschrecken in der Hareri Region
Wenn die Heuschrecken sich einmal über Feldpflanzen hermachen, bleibt wenig übrigBild: Mesay Tekelu/DW

Im benachbarten Sambia wächst die Invasion der Heuschrecken schnell an: Ein Krisenstab der FAO  hat dort gemeinsam mit dem Landwirtschaftsministerium einen Notfallplan erarbeitet. In Sambia und den betroffenen Nachbarländern sollen Hotspots besser überwacht werden. Entscheidend, um die Plage in den Griff zu bekommen, ist jedoch, die Heuschrecken vor dem Ausschwärmen zu töten. Die FAO stellt Technik und Geld bereit, damit die Heuschreckenschwärme mit Chemikalien besprüht werden können. Oft fehle es jedoch an Nachschub der Insektizide.

Auch in Namibia seien die dringend benötigten Gifte Mangelware, sagt Farayi Zimudzi, Leiterin des FAO-Büros in Windhoek. Die ganze Region kaufe Insektizide bei den selben Herstellern - deshalb dauere die Lieferung umso länger. Dabei dränge in der Sambesi-Region und der Nachbarregion Okawango-Ost die Zeit: "Die Ernährungslage in den Dörfern ist schlecht, die Regensaison steht bevor, die neu gesetzten Pflanzen könnten Beute für die Heuschrecken werden", sagt Zimudzi im DW-Interview. Das wichtigste Instrument sei eine stärkere Frühwarnung durch regelmäßige Kontrollen, aber das sei in den entlegenen Gegenden oft schwierig, fügt Zimudzi hinzu.

Fehlende Beiträge erschweren Überwachung

Doch Frances Duncan, Leiterin des Instituts für Tiere, Pflanzen und Umweltwissenschaften an der Universität Witwatersrand in Johannesburg, sieht die Situation dennoch kritisch: "Wenn die Heuschrecken nicht zu sehen sind, vergessen die Regierungen oft das Problem." Sie bezahlten die Wissenschaftler nicht mehr für die notwendigen Arbeiten vor Ort, auf die sich später Berechnungen und Modelle für das Klima, Regenfälle und Zyklone sowie die damit verbundenen Prognosen für Heuschreckenplagen aufstellen lassen. "In jüngster Zeit haben einige der Mitgliedsländer der FAO nicht ihre Beiträge für die Überwachung der Heuschrecken bezahlt", sagt die Wissenschaftlerin im DW-Interview.

Datenvisualisierung Heuschreckenplage historische Zeitreihe

Dabei ist Früherkennung letztlich günstiger: Dann kann man Schwärme töten, solange es sich um Jungtiere handelt, die hüpfend nur zwei bis drei Kilometer am Tag zurücklegen - und nicht Hunderte Kilometer, wie die ausgewachsenen, fliegenden Tiere. "Wenn wir Modelle entwickeln, verstehen wir, wie und wo sich Schwärme bilden und können sie rechtzeitig sichten und chemisch kontrollieren", sagt Duncan. Farmer sollten einen zentralen Anlaufpunkt haben, ihre Beobachtungen in ländlichen Gebieten frühzeitig mitzuteilen.

Mehr Zusammenarbeit - Heuschrecken kennen keine Grenzen

Auch die Zusammenarbeit über Grenzen hinweg sei wichtig - diese Lehre zieht die Biologin aus der Heuschreckenplage in Ostafrika: Die regionale Zusammenarbeit ist enorm wichtig.

Das bestätigt auch Atinkut Mezgebu Wubneh, Leiter des Amtes für Landwirtschaft und Entwicklung für die Region Tigray in Norden Äthiopiens. "Die nachhaltige Lösung beinhaltet, dass die Einsätze im Kampf gegen die Insekten nicht separat stattfinden können. Die Länder müssen zusammenkommen, und sich gut über die Grenzen hinaus organisieren, sonst fliegen die Insekten weiter."

Heuschrecken Bekämpfung in Ostäthiopien
In Ermangelung von Sprühflugzeugen wurde im östlichen Äthiopien dieser Pick-up umgerüstetBild: Mesay Teklu/DW

In Ostafrika ist die Plage keineswegs ausgestanden; vor allem in Äthiopien sind weiter viele Schwärme unterwegs. Die Unterstützung durch reiche Industrieländer sei geringer als sonst, klagt Wubneh, wohl auch weil die Corona-Pandemie hier wie dort viele Ressourcen binde. So sind viele Farmer auf sich allein gestellt: "Wir haben sehr organisierte Menschen, und versuchen, uns untereinander zu mobilisieren. Tagsüber werden die Heuschrecken von den Feldern verjagt, nachts mit Gift besprüht." Bei den kälteren Nachttemperaturen sind die wechselwarmen Tiere flugunfähig. "Weil wir nur wenig Technik zur Verfügung haben, ist es sehr schwer, die Wüstenheuschrecke zu kontrollieren."