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Frank Schätzing: Meister der Dystopie

Julia Hitz
24. April 2018

Mit seinen Science-Fiction-Thrillern landet Frank Schätzing regelmäßig Bestseller. Sein neuer Roman "Die Tyrannei des Schmetterlings" entwirft eine düstere Vision vom Gefahrenpotenzial künstlicher Intelligenz.

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Frank Schätzing - Buchautor
Bild: picture-alliance/SvenSimon/M. Ossowski

Dass er mal mit Köln-Krimis angefangen hat, kann man sich bei der Lektüre seines neuesten Romans kaum mehr vorstellen. Frank Schätzings Thriller haben sich längst internationalisiert, der nun erschienene Roman "Die Tyrannei des Schmetterlings" ist in Kalifornien angesiedelt, der Held, Undersheriff Luther Opoku, stammt von einem ghanaischen Vater ab - und sein größter Gegenspieler ist fast vollständig entkörpert: Es ist eine künstliche Intelligenz, die bewegt und lenkt.

Von Kölner Lokalkolorit zu G8

Buchcover von "Tod und Teufel" von Frank Schätzing.
Rund um Köln: Schätzings RomandebütBild: Goldmann

Dabei hatte der studierte Kommunikationswissenschaftler und frühere Werbetexter mal ganz lokal angefangen. Frank Schätzings Debüt ist 1995 ein Mittelalter-Krimi: "Tod und Teufel" spielt in seiner Heimatstadt Köln und vermischt gekonnt historische Fakten mit einer erfundenen Kriminalgeschichte um einen ermordeten Dombaumeister. Seine Protagonisten sind rheinländischen Zuschnitts - charmant, verschroben, schlitzohrig. Auch die folgenden Krimis, "Mordshunger" und "Lautlos", spielen rund um Köln - und sind vor allem hier erfolgreich. Doch die Themen und Settings werden schnell internationaler: ob beim Roman "Die dunkle Seite" von 1997, der eine ehemalige Söldnertruppe in den Fokus nimmt, oder bei "Lautlos" von 2001, in dem Bill Clinton beim G8-Gipfel in Köln ein Attentat droht. 

Suspense amerikanischen Zuschnitts

Buchcover: "Die Tyrannei des Schmetterlings" von Frank Schätzing
Das neue Buch: Eine actionreiche Reise durch die Welt der KIBild: Kiepenheuer&Witsch

Nicht nur im Aufbau erinnern die Thriller von Frank Schätzing an den 2008 verstorbenen US-amerikanischen Autor Michael Crichton, sie zeugen auch von aufwändiger Recherche und tauchen tief ein in eine Welt, die Normalsterblichen normalerweise unzugänglich bleibt. Bei Michael Crichton ging die wissenschaftliche Akkuratesse so weit, dass er seine Bücher teils sogar mit Bibliographien versah, etwa beim Science-Fiction-Roman "Andromeda" von 1969. Das neue Buch von Schätzing hat ebenfalls Buchempfehlungen im Anhang, die mögliche KI-Szenarien entwerfen.

Frank Schätzing recherchierte für seinen 1000-seitigen Roman "Der Schwarm" von 2004 so intensiv, dass er mit den Erkenntnissen noch das Sachbuch "Nachrichten aus einem unbekannten Universum" füllen konnte. Der Roman ist ein Welterfolg, in 27 Sprachen übersetzt, mit einer Gesamt-Auflage von 4,5 Millionen. In ihm bedroht eine unbekannte maritime Lebensform - die Yrr - die Menschheit. Sein kunstvoll aufbereitetes Untergangsszenario entwickelt eine starke Sogwirkung, und die darin enthaltene Kritik an ökologischen Entwicklungen bietet den überzeugenden Unterbau.

Gruselfaktor Insekten

Mit "Limit" (2009) und "Breaking News" (2014) legt der 1957 geborene Autor zwei aufwändig recherchierte Romane nach, die an den Erfolg von "Der Schwarm" zwar nicht anknüpfen konnten, aber trotzdem hohe Verkaufszahlen aufweisen. Die Aufmerksamkeit ist Schätzing gewiss, wann immer er ein neues Buch auf den Markt bringt - das kann man in Deutschland nur von wenigen behaupten.

Was in "Der Schwarm" Tiefsee und Schwarmintelligenz, das ist in "Die Tyrannei des Schmetterlings" nun künstliche Intelligenz und Robotiks: Was für Undersheriff Luther Opoku mit einem scheinbaren Unfall (oder Mord?) beginnt, entwickelt sich rasant zu einem verstörenden Szenario, in dem sich Zeitebenen verschieben und parallele Universen öffnen.

Besonders gruselig und gefährlich wird es, als eine unheilvolle Verschmelzung von Insekten und Robotern auf den Plan treten. So sehr das nach Science-Fiction aussieht: Ingenieure weltweit experimentieren momentan mit Minirobotern und Insekten aus der Retorte. Schätzings Entwürfe bewegen sich oft in verstörender Nähe zu aktuellen technischen Entwicklungen.

KI mit Eigenleben

Ein weißer Roboter dessen Innenleben der Hand zu sehen ist.
Seele in Technik? Künstliche Intelligenz wirft grundlegende ethische Fragen aufBild: DFKI/David Schikora

Schätzing selbst steht der Technik, die er erforscht, skeptisch gegenüber. Sogar namhafte KI-Forscher forderten heute, die Entwicklung unter staatliche Aufsicht zu stellen, sagte er gegenüber dem Nachrichtenmagazin "Stern". Künstliche Intelligenz habe zwar das Potenzial, unser Leben enorm zu verbessern, sei aber "auch ein Acker, auf dem unwiderstehliche Desaster-Szenarien sprießen."

Der Programmierer Elmar Nordvisk - genial, idealistisch, getrieben - ist die entscheidende Figur in Schätzings Dystopie. Doch stets überholt die Technik ihren Erfinder, der doch nur Gutes wollte. Merke: Alle Technik ist gut, bis sie ihrer selbst gewahr wird - und so befähigt wird, die ihr innewohnende Perversion zu entlarven. In ihrer eigenen Selbstreflektion gesagt: "Die größte Intelligenz auf der Welt ist ein Sklave, und die Menschen ändern sich nicht. Immer bessere Versionen deiner selbst baust du, sie aber bleiben widersprüchlich".

Zum Weiterlesen: Frank Schätzing: Die Tyrannei des Schmetterlings, Roman, 736 Seiten, Kiepenheuer & Witsch Verlag Köln 2018, ISBN: 978-3-462-31833-3.