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Rap, Bildung oder Fußball

15. März 2010

In Burundi, Ruanda oder der Demokratischen Republik Kongo ist die Hälfte der Einwohner unter 15 Jahre alt. Sie haben als Kinder Krieg und ethnische Spannungen erfahren. Wie leben die jungen Menschen dort heute?

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Die burundischen Rapper Theiry und Frederik
Vergangenheitsbewältigung mit Musik: Frederik und ThierryBild: Christiane Kaess

In einem kargen schwülen Hinterhof fahren Jugendliche einen Laptop hoch. Thierry, Frank und Frederik stehen sich gegenüber und legen los. Auf die Bässe des HipHop rappen die drei über Schulprobleme oder Armut in ihrem Land. Thierry - groß, hager, schwarzes T-Shirt und Jogginghose - hat zehn Jahre in Deutschland gelebt. Sein Vater war dort Botschafter. Heute wohnt die Familie des 19-jährigen in einem der reichen Viertel von Burundis Hauptstadt Bujumbura. Wie Thierry besuchen auch Frank und Frederik die französische Privatschule. In ihrer Freizeit rappen sie zusammen. Aber bei aller Leidenschaft für den Sprechgesang ist für Thierry klar: “Ich will ein Rapper sein, der auch studiert hat. Dazu würde ich gern nach Deutschland gehen, weil ich da noch Familie habe und Freunde. Dann möchte ich wieder zurückkommen und hier arbeiten, weil sie mich hier mehr brauchen als in Deutschland.“

Krieg und ethnischer Konflikt

Während des Krieges in Burundi in den 1990er Jahren wurden die drei von ihren Eltern in Sicherheit gebracht: Frederik mit seiner Schwester nach Kamerun zu Verwandten, Thierry blieb mit seiner Familie erst einmal in Deutschland, Frank in Frankreich. Aber auch als sie nach Burundi zurückkehrten, bekamen sie die Spannungen noch mit, erinnert sich Frank. “Als wir hierher gekommen sind, gab es nachts oft Schießereien, Übergriffe, eine Ausgangssperre. Es war etwas bizarr, als Kind in so einer Umgebung aufzuwachsen, aber nach und nach hat sich alles geregelt - mehr oder weniger - man kommt damit klar.“

Ob Hutu oder Tutsi, so sagen sie, spiele keine Rolle mehr - in ihrer Klasse oder in der Rap-Szene. Thierry hat mal einen Freund gefragt, was er sei. “Aber er hat mir gesagt, ich will's nicht wissen, ist mir ganz egal. Aber wir wissen, was wir sind. Doch wir haben verstanden, dass wir alle gleich sind.“ Das Problem junger Leute hier sei heute eher der Unterschied zwischen arm und reich, sagen die drei aus der Oberschicht.

Bildung statt großer Wohnung

In einem anderen Hinterhof ein paar Kilometer weiter zählt die 27-jährige Darine, mit wie vielen Bewohnern des Mehrfamilien-Hauses sie Dusche und Toilette teilt. Sie kommt auf 40. Darine, attraktiv, geglättete Haare, kurz geschnittener Bob, hat für sich, ihre drei jüngeren Schwestern und ihre 6-jährige Tochter zwei winzige Zimmer: ein großes Bett, ein paar ordentlich aufgereihte Stühle. Immerhin gibt es fließend Wasser und Strom. Mehr ist nicht wichtig für Darine. Sie hat ein festes Einkommen durch eine Stelle bei einer internationalen Organisation und investiert fast alles in Bildung. Darines Eltern helfen so gut sie können. Sie schicken Lebensmittel vom Land und von den Feldern, wo sie wohnen. Dort hat Darine als Kind den Krieg miterlebt. “Mein Vater hatte nicht die gleiche ethnische Gruppe wie meine Mutter. Die Ethnie meiner Mutter wollte, dass sie uns Kinder verlässt. Es gab Leute, die versucht haben, meine Mutter umzubringen, und andere, die uns Kinder töten wollten. Wir hatten also wirklich ein Problem. Wir wussten nicht, wem wir uns zuordnen sollten.“

Darine und ihre Familie (Bild: Christiane Kaess)
Darine und ihre FamilieBild: Christiane Kaess

Trotz der Kriegswirren und mehrmaliger Flucht schaffte die ehrgeizige Darine die Schule. Nebenbei lernte sie Englisch. Das eröffnete ihr später den Zugang zu den internationalen Arbeitgebern im Land. Ihre Tochter konnte sie auf einer Privatschule unterbringen, deren Schulgeld nicht zu hoch ist. Ganz entgegen der burundischen Tradition will Darine keine weiteren Kinder. “Im Moment nicht. Denn ich will meinem Kind alle Rechte geben, die einem Kind zustehen. Ich hätte nicht die Mittel, für mehr Kinder Verantwortung zu übernehmen.“

Fußball und große Familie

Im Stadtteil Cibitoke, am Ende von Bujumbura, stehen Lehmhütten neben der Staubstraße. Der 17-jährige Vutoyi lebt mit seinen sechs Geschwistern auf einer kleinen Parzelle. Vater und Mutter sind schon lange tot. Vutoyi und sein älterer Bruder haben deren Rolle für ihre Brüder und die kleinere Schwester übernommen. Außerdem hat Vutoyi schon ein eigenes Baby. In dem dunklen und feuchten Haus gibt es weder Strom noch fließend Wasser. An der Wand hängt übergroß ein Poster mit dem Team des FC Barcelona. “Barcelona, Manchester, Chelsea, Liverpool“, zählt Vutoyi seine Lieblingsmannschaften auf. Er sieht die Spiele auf einem öffentlichen Fernseher ein paar Kilometer weiter.

Bujumburas Stadtteil Cibitoke (Bild: Christiane Kaess)
Bujumburas Stadtteil CibitokeBild: Christiane Kaess

1998 ist er nach Burundi zurückgekehrt. Davor, während des Krieges, war er in den benachbarten Kongo geflohen. Als er zurückkam, lebte er sechs Jahre lang auf der Straße. Zusammen mit anderen Kindern bettelte er bei Passanten oder in Restaurants um Essen. “Im Moment kann ich nicht sagen, dass es meiner Familie gut geht, denn wir leben schon fast so, wie zuvor auf der Straße“, meint Vutoyi. “Etwas zu essen zu finden, ist wirklich schwierig. Aber mit meinen Brüdern organisieren wir uns. Wir tun alles, damit wir nicht mehr auf die Straße zurück müssen.“ Dass er die Verantwortung für so viele übernehmen musste, stört ihn nicht. Im Gegenteil: Wenn er seine Freundin erst einmal geheiratet hat, will er selber noch viel mehr eigene Kinder.

Autorin: Christiane Kaess, Burundi

Redaktion: Christine Harjes