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Holpriger Umbau bei Siemens

Dirk Kaufmann30. September 2013

Am Sonntag überraschte Siemens mit der Ankündigung, 15.000 Arbeitsplätze zu streichen. Der Stellenabbau kommt nicht unerwartet, doch wirft er die Frage auf: Wie steht es um die Kommunikation im Konzern?

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Flags of German engineering conglomerate Siemens AG flutter before the annual shareholder meeting in Munich, southern Germany, on Wednesday, Jan. 23, 2013. Siemens AG said its net earnings declined 12 percent in the October-December quarter as revenue edged slightly higher, new orders declined and the company took one-time charges — some related to the solar power business it is selling. (AP Photo/Matthias Schrader)
Bild: picture-alliance/AP

Siemens steht gut da, sagen die Arbeitnehmer im Konzern und verweisen darauf, dass Siemens Gewinne erwirtschaftet. Siemens steht gar nicht gut da - sagen Anteilseigner und Analysten, die noch Steigerungsmöglichkeiten bei der Profitabilität sehen. Dem stimmt auch der Siemens-Vorstand zu und will die Effizienz steigern - "Siemens 2014" heißt das Umbauprogramm, das er eingeleitet hat.

Für Stefan Schöppner, Analyst bei der Commerzbank, ist schon seit längerem klar, dass es bei Siemens ein einfaches "Weiter so" nicht geben darf. Für ihn war "das Ereignis entscheidend, das auch zum Ausscheiden von Kaeser-Vorgänger Peter Löscher geführt hat: Als Siemens die Mittelfristziele im Juli einkassiert hat". Das dürfe nicht wieder geschehen, Siemens müsse profitabler und effizienter werden.

Schöppner ist von Kaesers Vorstoß nicht überrascht, 15.000 Stellen zu streichen, "weil ja die Ankündigung, erheblich einzusparen, seit längerem im Raum steht". Und wer sparen will, der könne das in der Regel am schnellsten, in dem er Leute entlässt: "Siemens will sechs Milliarden Euro einsparen. Da ist es für einen Kapitalmarktbeobachter klar, dass das nicht geht, ohne etwas an den Personalkosten zu machen." Das, so fügt er hinzu, müsse "auch der Arbeitnehmerseite klar gewesen sein".

Joe Kaeser,Vorstandschef Siemens Foto: CHRISTOF STACHE/AFP/Getty Images)
Der Alleingang von Siemens-Boss Joe Kaesers stößt auf Kritik.Bild: Christof Stache/AFP/Getty Images

Ein Kommunikationsproblem

Ja, das war uns klar, sagen die Arbeitnehmervertreter. Aber nicht, dass es so viele Jobs sind, die auf der Kippe stehen: "Diese Zahlen haben uns sehr überrascht", sagt IG-Metall-Vorstandsmitglied Jürgen Kerner. "Die sind weder mit uns abgestimmt noch kommuniziert worden." Nicht nur die nackten Zahlen haben bei den Arbeitnehmern Empörung ausgelöst, sondern auch die Art und Weise, wie sie davon erfahren haben. "Was hat den Kaeser geritten, das jetzt so öffentlich zu machen", war am Montag (30.09.2013) in München aus Arbeitnehmerkreisen zu hören.

Commerzbank-Analyst Stefan Schöppner kann diese Reaktionen verstehen. Der Aufschrei nach Kaesers Ankündigung sei ausgelöst worden durch ungenügende "Kommunikation innerhalb des Konzerns: Weil jetzt Zahlen genannt wurden, die vielleicht vorher nicht abgestimmt waren".

Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wurde

Der Verlust von weltweit 15.000 Stellen betrifft fast ebenso viele Familien. Aber: Siemens beschäftigt rund 370.000 Menschen, einen Jobverlust müssen also nicht einmal fünf Prozent der Belegschaft befürchten. Und auch wenn jeder Dritte dieser 15.000 Jobs allein in Deutschland wegfallen würde: Das kann durch Nichtbesetzung vakanter Stellen, Vorruhestandslösungen oder Umsetzungen aufgefangen werden. Dass der Vorstand sein Versprechen, keine betriebsbedingten Kündigungen auszusprechen, halten kann, bezweifeln auch die Arbeitnehmervertreter nicht.

Entlassungen als einziger Ausweg?

Dennoch: Die Belegschaft ist enttäuscht, dass der Konzern seine Effizienz hauptsächlich auf dem Rücken der Angestellten steigern will. Einen internen Umbau und eine Überarbeitung von Arbeitsprozessen, dagegen hätten die Gewerkschaften nichts einzuwenden, daran hätten sie auch mitgewirkt, so Jürgen Kerner. Aber bei einem Punkt stoße ihre Kooperationsbereitschaft an die Grenze: "Wir haben uns immer gegen ein reines Abbauprogramm gewehrt."

Gewerkschafter Kerner bedauert, dass Siemens keine anderen Möglichkeiten sieht, und findet für den Kaeser-Vorschlag deutliche Worte: "Wenn man die Themen Effizienzsteigerung und Prozessverbesserung auf Arbeitsplatzabbau reduziert, dann ist das ein Armutszeugnis."

Das Vertrauen wiederherstellen

Commerzbank-Analyst Stefan Schöppner ist der Ansicht, dass das Siemens-2014-Programm von "Idee und Ansatz her sehr gut ist. Bei Siemens hatten wir aus Kapitalmarktsicht immer das Problem, dass es schon überzeugende Ideen gegeben hat, dass es aber mit der Umsetzung nicht so hingehauen hat." Daran müsse der Konzern arbeiten, denn für den Münchner Technologiekonzern stehe seine Glaubwürdigkeit an den Finanzmärkten auf dem Spiel: "Ist Siemens tatsächlich in der Lage, diese ganzen Ankündigungen umzusetzen und das Versprochene zu liefern? Wenn das passiert, wird es sehr positiv aufgenommen werden."

Gegen ein solches Ergebnis hätten auch die Arbeitnehmervertreter nichts einzuwenden. Doch ist ihrer Ansicht nach der Weg nicht der richtige. IG-Metall-Vorstandsmitglied Jürgen Kerner wünscht sich in der aktuellen Lage, dass "wieder Ruhe einkehrt". Da helfe es aber nicht, wenn der Vorstandsvorsitzende lospresche und ohne Absprache Entlassungen ankündige: "Wir müssen den Weg mit den Mitarbeitern gehen. Das schafft man aber nicht mit solchen Meldungen wie am Sonntag."