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Coming-out im Profisport

Rachel Baig6. Mai 2013

Ein aktiver NBA-Spieler hat zum ersten Mal offen über seine Homosexualität gesprochen. Ein heikles Thema - nicht nur in den USA. In der 1. Deutschen Fußball-Bundesliga hat sich noch kein Spieler als schwul geoutet.

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Männer mit Fußball-Luftballons und einem Schild mit der Aufschrift 'Fußball ist alles - auch schwul' beim Christopher Street Day (Foto: dpa)
Bild: picture alliance/dpa

"Ich bin schwarz, und ich bin schwul", mit den Worten wurde Jason Collins, US-amerikanischer Basketballprofi, auf der Internetseite des US-Magazins "Sports Illustrated" zitiert. Er ist der erste aktive US-Sportler in der Profiliga des Basketballs, der öffentlich zu seiner Homosexualität steht. Viele Sportkollegen begrüßten den offenen Umgang des 34-Jährigen mit seiner Sexualität. So sagte Basketball-Star Kobe Bryant: "Ich bin stolz auf Jason Collins." In den USA ist Homosexualität im Profisport ein kontrovers diskutiertes Thema. Einige US-Profis meldeten sich via Twitter und zeigten sich weniger verständnisvoll. "Ich persönlich würde mich mit Schwulen in der Umkleidekabine nicht wohlfühlen", schrieb der ehemalige Basketballspieler Larry Johnson.

In den USA haben in den vergangenen Jahren mehrere männliche Profisportler ihre Homosexualität öffentlich gemacht, allerdings alle erst nach dem Ende ihrer Karriere. Offenbar ist die Angst zu groß, von den Mannschaftskameraden und Fans verspottet und angefeindet zu werden. Ein Coming-out könnte aber auch das Ende der Karriere bedeuten, nicht nur weil eine Vertragsverlängerung ausbleiben könnte. Auch dem Druck der Medien müssten die Profisportler standhalten. "Ich glaube, die größte Angst ist, dass man nicht weiß, was genau passieren wird", sagt Dirk Brüllau, Sprecher der Queer Football Fanclubs (QFF), im Gespräch mit der Deutschen Welle. Die QFF ist die Vereinigung der Schwul-lesbischen Fanclubs in Europa.

NBA-Spieler Jason Collins beim Basketballspiel (Foto: imago/Icon SMI)
NBA-Spieler Jason Collins hat sich zu seiner Homosexualität bekanntBild: imago/Icon SMI

Homosexualität in der Bundesliga

Ähnlich wie beim Basketball ist auch beim Fußball Homosexualität ein Tabuthema. Es gibt weltweit nur wenige Profifußballer, die diesen Schritt wagten - vor allem während ihrer aktiven Sportlerkarriere. In Schweden machte Anton Hysen im März 2011 seine Homosexualität öffentlich. Der damals 20-Jährige spielt in der vierten Liga, bei Utsiktens BK. Sein Coming-out sorgte für großes Aufsehen in der internationalen Presse. Die Reaktionen darauf waren fast durchweg positiv. Auch in Deutschland ist das Thema Homosexualität im Sport immer wieder in den Medien präsent.

Der Kapitän der deutschen Fußball-Nationalmannschaft Philipp Lahm hat im vergangenen Jahr in einem Interview zu Gerüchten Stellung genommen, er sei schwul. Der Spieler des FC Bayern hat diese Spekulationen stets zurückgewiesen. Er setzt sich unabhängig davon aber gegen Homophobie im Spitzensport ein. "Die Voraussetzungen für ein Coming-out eines deutschen Profi-Fußballers sind schwierig", erklärt Marcus Urban, ehemaliger Profifußballer, im Gespräch mit der Deutschen Welle. Es gäbe zu viel Angst vor den Konsequenzen. Wenn man zum Beispiel zu einem Fußballverein in einem anderen Land wechseln wolle, wüsste man nicht, wie dort mit dem Thema umgegangen werde.

Deutschland gilt international als Vorbild

Marcus Urban hat jahrelang erlebt, wie es ist, seine Homosexualität vor dem Rest der Mannschaft zu verheimlichen. Urban ist einer der wenigen Fußballer, die in Deutschland offen schwul leben. Bis Anfang der 1990er Jahre stand er bei dem deutschen Zweitligisten Rot-Weiß Erfurt unter Vertrag. Dann hat er seine Karriere beendet, weil er den Druck des Versteckens nicht mehr aushielt. 2007 hat er sich geoutet und hofft nun, dass auch andere das hinbekommen. Die Reaktion seiner ehemaligen Kollegen auf sein Coming-out war positiv. "Die Spieler haben zuerst kurz erschrocken reagiert, aber dann Neugier und vor allem Anerkennung gezeigt", sagt er.

Porträt von Marcus Urban (Foto: dpa)
Marcus Urban hat sich im Anschluss an seine Karriere als homosexuell geoutetBild: picture-alliance/dpa

Deutschland sei beim Thema Homosexualität auch ohne einen bekennenden schwulen Fußball-Profi vergleichsweise weit, sagt die stellvertretende Präsidentin des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), Ilse Ridder-Melchers, im Gespräch mit der Deutschen Welle. Es sei gut, wenn der deutsche Umgang mit diesem Thema auch international Wirkung zeige. Seine Vorbild-Funktion für den gesamten homosexuellen Sport demonstrierte Deutschland 2010, als die "Gay Games" mit rund 12.000 Teilnehmern in Köln stattfanden - eine Veranstaltung, die alle vier Jahre weltweit an einem anderen Ort ausgerichtet wird.

Im Januar 2012 richtete der Deutsche Fußballbund (DFB) ein Forum "Sexuelle Identitäten im Fußball" ein. Es soll homosexuellen Spielern helfen, wenn sie sich outen möchten. "Wir haben die Verantwortung, in dem Bereich etwas zu unternehmen. Viele betroffene Sportler steigen aus dem Sport aus, weil ein Doppelleben oder Versteckspiel zu belastend ist", sagt Ridder-Melchers.

Schwul-lesbische Fanclubs

In den Fankurven der deutschen Stadien sind Schwule und Lesben längst angekommen. Die Idee der homosexuellen Fanclubs kam 2001 mit der Gründung der Hertha-Junxx auf. Mittlerweile hat das Modell Schule gemacht. Es gibt in Deutschland zur Zeit mehr als 20 schwul-lesbische Fanclubs, zum Beispiel Queerpass in St. Pauli, Rainbow-Borussen in Dortmund oder Andersrum Rut-Wiess in Köln. Auf ihren Transparenten im Stadion stehen Parolen wie "Fußball ist alles - auch schwul". Sie nehmen aber auch an Podiumsdiskussionen und Straßenfesten teil und werben für mehr Toleranz.

Ein Coming-out bei Männern gilt als schwieriger als bei Frauen. Während Fußball-Nationaltorhüterin Nadine Angerer problemlos ihre Bisexualität öffentlich machen konnte, spielen bei ihren männlichen Kollegen die klassischen Wahrnehmungsmuster weiterhin die entscheidende Rolle. "Bei fußballspielenden Frauen wurde lange Zeit davon ausgegangen, dass sie lesbisch sind. Eine Frau, die Fußball spielt, sei einfach nicht weiblich genug", erklärt Dirk Brüllau das Vorurteil.

Ein Banner eines schwul-lesbische Fanclubs mit der Aufschrift 'Fußballfans gegen Homophobie' in einem Fußballstadium (Foto: dpa)
Die Zahl der schwul-lesbischen Fanclubs ist in Deutschland in den letzten Jahren gestiegenBild: picture-alliance/dpa

Auf dem richtigen Weg

Ex-Fußball-Profi Marcus Urban vermutet, das erste Coming-out eines deutschen Fußball-Profis sei nur noch eine Frage der Zeit. Was das für den Spieler bedeutet, ist schwer abzuschätzen. In diesem Zusammenhang ist interessant, wie die Jason-Collins-Story ausgeht. Ob er nach seinem Coming-out weiterhin erfolgreich sein wird, das wird sich im Laufe dieses Jahres zeigen. Im Sommer werden die Vereine neue Verträge mit Spielern schließen. Die Collins-Geschichte ist erst dann wirklich erfolgreich, wenn er der erste schwule NBA-Spieler wäre, der auch nach seinem Coming-out noch spielen würde.