Peking setzt sich durch
26. März 2017Überschattet von Protesten hat in Hongkong ein Peking-freundliches Wahlkomitee die bisherige Verwaltungschefin Carrie Lam zur neuen Regierungschefin der Sonderverwaltungsregion Chinas gemacht. Die 59-jährige Wunschkandidatin Pekings erhielt mit mehr als 600 Stimmen die Mehrheit, wie die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtete.
Die chinesische Staatsagentur verkündete das Ergebnis noch während die öffentliche Auszählung lief und die endgültigen offiziellen Zahlen noch nicht einmal geprüft und amtlich vorgelegt waren. Obwohl Lams Gegenkandidat John Tsang in der Bevölkerung viel beliebter ist, erhob das mehrheitlich Peking-freundliche Wahlkomitee die 59-Jährige an die Spitze der früheren britischen Kronkolonie.
Die neue Verwaltungschefin steht vor der schwierigen Aufgabe, die gespaltene Stadt zu einen, in der vor allem die jungen Menschen den Glauben an ihre politische Führung verloren haben.
Proteste der Demokratiebewegung
Sinnbild dieser Spaltung waren erneute Proteste zu denen es während der Wahl kam. Hunderte prodemokratischer Demonstranten mit dem Studentenführer Joshua Wong an der Spitze durchbrachen eine Polizeisperre, wurden aber schließlich von einer Kette von Sicherheitskräften vor dem Kongresszentrum aufgehalten, wo die Wahl stattfand. Es gab ein heftiges Gerangel zwischen Demonstranten und Polizisten.
Auf Plakaten beklagten die Aktivisten "Wahlschwindel" und riefen: "Wir wollen allgemeines Wahlrecht." In dem Protestzug waren auch der prominente Abgeordnete Leung Kwok-hung und Hongkongs jüngster Parlamentarier Nathan Law (23). Tausende von Polizisten sicherten das Kongresszentrum, in dem die Auswahl des Regierungschefs stattfand.
Da die kommunistische Führung in Peking den Hongkongern ungeachtet früherer Zusagen keine freie Wahl erlaubt, bestimmen 1194 Mitglieder der Wirtschaftselite und anderer Interessengruppen das Spitzenamt in der früheren britischen Kronkolonie.
Keine freien Wahlen
Hongkong gehört seit knapp 20 Jahren als Sonderverwaltungsregion zur Volksrepublik China. Die Wirtschafts- und Finanzmetropole wird seit der Rückgabe am 1. Juli 1997 nach dem Grundsatz "ein Land, zwei Systeme" regiert. Das Grundgesetz garantiert den mehr als sieben Millionen Hongkongern bis 2047 "ein hohes Maß an Autonomie" und viele Freiheiten. So ist die Hafenmetropole ein eigenes autonomes Zoll- und Steuergebiet. Auch herrscht weitgehende Presse- und Meinungsfreiheit.
Hongkong hat eine eigene Währung und ist Mitglied internationaler Organisationen. China übernimmt die Außen- und Verteidigungspolitik. Allerdings erlaubt die kommunistische Führung in Peking immer noch keine freien Wahlen, obwohl diese in Aussicht gestellt worden waren. Nur 40 der 70 Sitze in Hongkongs Parlament werden frei gewählt. Die übrigen 30 werden von Interessengruppen bestimmt, die mehrheitlich dem Pro-Peking-Lager angehören. Ähnlich die handverlesenen Mitglieder des Wahlkomitees.
2014 zogen Tausende Hongkonger für mehr Demokratie auf die Straßen. Die "Regenschirm-Revolte", wie die Bewegung wegen der Regenschirme genannt wurde, mit denen sich Demonstranten gegen die Witterung sowie gegen das Pfefferspray der Polizei schützten, legte wochenlang Teile der Metropole lahm.
cr/AR (dpa, afp, rtr)