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Luftschloss "Hotspot"

Bernd Riegert25. September 2015

Sie gelten inzwischen als Dreh- und Angelpunkt für die gemeinsame EU-Flüchtlingspolitik. Doch an den geplanten "Hotspot"-Zentren könnten sich die zuständigen Politiker die Finger verbrennen. Aus Brüssel Bernd Riegert.

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Wolke in Form eines Schlosses (Foto: fovito)
Bild: Fotolia/fovito

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte nach dem Sondergipfel der EU am frühen Donnerstagmorgen verkündet, die Union werde bis Ende November Aufnahmezentren für Flüchtlinge in Griechenland, Italien und vielleicht auch Bulgarien einrichten. Diese Lager nannte sie "Hotspots" (Brennpunkte). Andere europäische Regierungschefs unterstützten die Idee. Wie diese Aufnahmezentren genau aussehen sollen, da sind die Vorstellungen allerdings vielfältig. Der französische Präsident François Hollande sprach gar von Abschiebungen, die aus den "Hotspots" vorgenommen werden sollen. Der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi versteht darunter Flüchtlingslager, die unter der Flagge der EU und von der Europäischen Union betrieben werden. Von diesen "Hotspots" aus sollen letztlich auch 160.000 Flüchtlinge auf alle Mitgliedsländer verteilt werden. Darauf hatten sich die EU-Innenminister gegen den Willen von vier osteuropäischen Staaten geeinigt.

Viele Fragen um "Hotspots"

Das Problem ist allerdings, niemand in Brüssel weiß so genau, wer diese "Hotspots" einrichten und wer sie betreiben soll. "Hotspots sind kein Ort, sondern ein Konzept", sagte ein kenntnisreicher Mitarbeiter der EU, der anonym bleiben will, der DW. Bisher hatte der EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos immer behauptet, es existiere bereits ein "Hotspot" in Catania auf Sizilien, in Griechenland würde im Hafen von Piräus einer entstehen. "In Catania gibt es ein Büro mit zehn Arbeitsplätzen, wo sich die zuständigen EU-Agenturen für Grenzschutz, Asylverfahren und polizeiliche Zusammenarbeit mit den italienischen Behörden austauschen", so der EU-Mitarbeiter. "Das ist alles." Die eigentliche Funktion der "Hotspots" bestehe darin, mit kleinen Vier-Mann-Teams die Behörden in den Häfen Siziliens bei der Erfassung der Flüchtlinge und bei der Suche nach Schleusern zu unterstützen. Inzwischen ist ein solches Team auch auf der italienischen Insel Lampedusa aktiv.

Flüchtlinge erreichen Hafen von Palermo (Foto: picture alliance/Melita)
Flüchtlinge im Hafen von Palermo: Bald Aufnahme im "Hotspot"-Zentrum?Bild: picture alliance/ZUMA Press/A. Melita

Davon, dass diese "Hotspots" sich jetzt um die Unterbringung, Verteilung und eventuelle Rückführung von tausenden Flüchtlingen kümmern sollen, war bislang nie die Rede. "Dann würden wir ja Italien in eine Art Gefangenenlager verwandeln", sagte ein hoher italienischer EU-Beamter in Brüssel. Die Flüchtlinge würden in Italien in der Falle sitzen, obwohl sie doch nach Norden wollten.

In Griechenland noch alles Fantasie

Mit Griechenland werde gerade über die Einrichtung eines ähnlichen "Hotspot"- Büros in Piräus verhandelt, teilte die Asylagentur der EU (EASO) mit. Noch gebe es keine Vereinbarungen mit dem griechischen Staat über die konkreten Aufgaben. Der bisherige Plan: Von Piräus aus sollen Teams auf die Inseln ausschwärmen, auf denen täglich 2000 bis 3000 neue Flüchtlinge ankommen. Bislang registriert Griechenland nur rund zehn Prozent dieser Menschen. Ob für die Neuankömmlinge dann neue riesige Auffangzentren gebaut werden, ist völlig offen. Sicher sei nur, so der EU-Insider, dass das nicht - wie von den Regierungschefs geplant - bis Ende November geschehen könne.

Die "Hotspots" werden schon seit Monaten von der EU-Kommission in Brüssel als wichtiger Baustein für die Lösung der Flüchtlingskrise angepriesen. Wie viel Personal und Finanzmittel gebraucht werden, ist aber unklar. Dem zuständigen EU-Kommissar Avramopoulos ist auch nicht mehr ganz wohl bei den vielen Fähigkeiten, die den "Hotspots" inzwischen auch von den Regierungschefs zugeschrieben werden. Dimitris Avramopoulos sagte in Brüssel, er wisse gar nicht, wer auf die Idee gekommen sei, diese Einrichtungen "Hotspots" zu nennen. Es käme jetzt dauernd zu Verwechslungen der verschiedenen Flüchtlingseinrichtungen. Er werde das Wort nicht mehr benutzen.