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Ägyptens Führung am Pranger

12. August 2014

Vor einem Jahr stürmten ägyptische Sicherheitskräfte mehrere Protestlager der Muslimbrüder in Kairo und töteten hunderte Demonstranten. Human Rights Watch wirft den Verantwortlichen schwere Menschenrechtsverstöße vor.

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Ein Anhänger der Muslimbrüder trauert um seine toten Kameraden (Foto: Mosa'ab Elshamy)
Bild: Mosa'ab Elshamy

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) erhebt schwere Vorwürfe gegen die ägyptischen Sicherheitsbehörden. Polizei und Armee hätten bei sechs Demonstrationen zwischen Juli und August 2013 systematisch tödliche Schüsse in Menschenmengen abgaben, heißt es in einem 195-seitigen Bericht. Dabei könne es sich um Verbrechen gegen die Menschlichkeit handeln.

Massaker nicht zu rechtfertigen

Bei dem brutalen Vorgehen der Sicherheitskräfte seien mindestens 1.150 Demonstranten getötet worden, heißt es in dem Bericht weiter. Allein bei der Räumung des Protestlagers auf dem Rabaa-al-Adawija-Platz am 14. August hätten die Sicherheitskräfte mehrere Tausend Tote einkalkuliert und zweifelsfrei 817, wahrscheinlich mindestens 1.000 Menschen getötet. Zwar seien auch einige Demonstranten bewaffnet gewesen, aber Feuerwaffen seien nur vereinzelt von ihnen benutzt worden. Es sei nicht zu rechtfertigen, dass die Sicherheitskräfte mehrheitlich friedliche Demonstranten in schockierend unverhältnismäßiger Weise angegriffen und vorsätzlich getötet hätten.

HRW fordert Ermittlungen gegen Al-Sisi

Bei den Opfern handelt es sich um Anhänger des islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi, die damals aus Protest gegen dessen Sturz durch das Militär eine Sitzblockade auf dem Platz veranstaltet hatten. Das Blutvergießen markierte den Ausgangspunkt einer monatelangen Kampagne gegen die islamistische Muslimbruderschaft, die später als Terrororganisation eingestuft wurde. Ihr politischer Arm wurde vergangene Woche mit einem Parteiverbot belegt.

HRW hat nach eigenen Angaben die wichtigsten Führungspersönlichkeiten in der Befehlskette identifiziert, deren Rolle im Zusammenhang mit den Tötungen untersucht werden soll. Darunter seien unter anderen Innenminister Mohammed Ibrahim, der damalige Verteidigungsminister und derzeitige Präsident Abd al-Fattah al-Sisi sowie der Leiter der Sondereinsatzkräfte und Kommandant der Rabaa-Operation, Medhat Menschawi. Diese Personen müssten persönlich zur Rechenschaft gezogen werden, wenn ihre Beteiligung erwiesen sei, fordert die in New York ansässige Organisation.

Ägyptische Regierung weist Kritik zurück

"Die ägyptischen Sicherheitskräfte haben auf dem Rabaa-Platz an einem einzigen Tag eine der brutalsten Massenhinrichtungen von Demonstranten in der jüngeren Weltgeschichte begangen", sagte Kenneth Roth, Exekutivdirektor von HRW. "Da geht es nicht nur um exzessive Gewaltanwendung und schlechte Ausbildung. Das war ein Akt der Gewalt, der auf den höchsten Regierungsebenen geplant wurde. Die meisten der Verantwortlichen sind noch immer an der Macht und müssen endlich zur Rechenschaft gezogen werden."

Die ägyptische Regierung wies in einer Reaktion jegliche Verantwortung zurück. Der erste Tote an jenem Tag sei ein erschossener Polizist gewesen, zudem werde auf die zahlreichen Opfer durch das Vorgehen der "angeblich friedfertigen Demonstranten" nicht eingegangen. Der HRW-Bericht sei mithin parteiisch - und die Menschenrechtsorganisation habe auch gar kein formelles Betätigungsrecht in Ägypten.

HRW-Mitarbeiter hatten die Vorfälle ein Jahr lang untersucht und mit mehr als 200 Augenzeugen gesprochen. Für die ursprünglich in Ägypten geplante Veröffentlichung der Ergebnisse war ihnen jedoch am Montag die Einreise verweigert worden.

cr/gmf (dpa, afp, hrw)