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PolitikIsrael

Humanitäre Feuerpause im Gazastreifen für Polio-Impfungen

30. August 2024

Die WHO will eine großangelegte Impfkampagne gegen Kinderlähmung starten. Israel hat dafür einer humanitären Feuerpause im Gazastreifen zugestimmt. Doch Frieden bedeutet diese Entwicklung nicht.

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Ein kleines Mädchen wird in Deir Al-Balah im Gazastreifen auf Kinderlähmung untersucht
Sorge vor Epidemie: Ein kleines Mädchen wird im Gazastreifen auf Kinderlähmung untersucht Bild: Ramadan Abed/REUTERS

Israel hat nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO den mehrstündige Feuerpausen im Gazastreifen ab Sonntag zugestimmt. In drei Teilen des Kriegsgebiet soll nacheinander and jeweils drei Tagen die Impfkampagne stattfinden. So will die WHO rund 640.000 Kindern unter zehn Jahren eine Polioimpfung ermöglichen.

Die täglichen humanitären Feuerpausen sollen morgens um 6.00 Uhr beginnen und am Nachmittag um 15.00 Uhr enden, sagt der Vertreter der WHO in Gaza, Rik Peeperkorn. Er berief sich dabei auf eine Zusage der für Palästinenserangelegenheiten zuständigen israelischen Behörde Cogat. "Wir erwarten, dass sich alle Parteien daran halten. Andernfalls ist es tatsächlich unmöglich, eine richtige Kampagne zu machen", so Peeperkorn weiter.

Der israelische Ministerpräsident, Benjamin Netanjahu, erteilte einer generellen "Waffenruhe" aber eine Absage. Nach seinen Worten handelt sich nicht um "Kampfpausen zur Verabreichung von Polio-Impfstoffen, sondern lediglich um die Zuweisung bestimmter Orte im Gazastreifen". Die Hamas, die von zahlreichen Staaten als Terrororganisation eingestuft wird, erklärte, sie unterstütze eine "humanitäre UN-Waffenruhe".

Hygienezustand seit Kriegsbeginn immer schlimmer

Die WHO hatte auf die Feuerpausen gedrungen. Im Juli war das Virus nach palästinensischen und israelischen Angaben in Abwasserproben in der südlichen Stadt Chan Junis sowie im Zentrum des Gazastreifens nachgewiesen worden. Kürzlich wurde dann der erste Polio-Fall im Gazastreifen bei einem zehn Monate alten Baby in Deir al-Balah bestätigt. Der Gazastreifen war in den vergangenen 25 Jahren Polio-frei.

Gaza-Krieg: Kinder als Leidtragende

 Die Krankheit Poliomyelitis - der medizinische Begriff für Kinderlähmung - wird durch ein akut ansteckendes Virus ausgelöst, welches das Rückenmark angreift und bei Kindern irreversible Lähmungen verursachen kann. Es gibt zwar keine Heilmittel gegen Polio, aber die Impfung verhindert die Ausbreitung.

Seit Beginn des Kriegs im vergangenen Jahr konnten viele Babys im Gazastreifen nicht geimpft werden. Die schlimmen hygienischen Zustände in dem Küstenstreifen, wo häufig zahlreiche Binnenflüchtlinge auf engstem Raum ausharren müssen und sauberes Wasser knapp ist, könnten zu einer raschen Ausbreitung der Krankheit beitragen, warnt die WHO.

Impfzentren und mobile Teams

Vor Ort setzen die WHO und Partnerorganisationen in dem teilweise komplett zerstörten Gazastreifen auf eine Mischung aus Impfzentren und mobilen Teams, erklärte die Organisation. Im gesamten Gebiet gebe es 392 Zentren, zu denen Familien gehen könnten. Knapp 300 mobile Teams würden zusätzlich im Einsatz sein, um den Stoff zu den oft notleidenden Menschen zu bringen. Insgesamt seien mehr als 2100 medizinische Mitarbeitende dafür im Einsatz, hieß es von der WHO weiter.

Kind wird mit  Polio-Impfungen in einem Gesundheitszentrum im Gazastreifen geimpft
Es gibt kein Heilmittel gegen Kinderlähmung, aber eine Impfung hilft die Ausbreitung einzudämmenBild: Omar Ashtawy/APA Images/Zumapress/picture alliance

Für die Impfkampagne hat die WHO bislang 1,26 Millionen Polio-Impfstoffdosen in den Gazastreifen geschickt. Israelische Behörden bestätigten den Eingang der Lieferung in das Küstengebiet. Weitere 400.000 Dosen würden laut WHO "bald" erwartet.

Einsatz im Westjordanland

Derweil geht die israelische Armee in einem großangelegten Einsatz im Westjordanland weiter gegen militante Palästinenser vor. Israel hatte den Großeinsatz in der Nacht zum Mittwoch begonnen. Bislang wurden nach palästinensischen und israelischen Angaben mindestens 16 Menschen getötet.

Palästinenser stehen vor beschädigter Moschee nach israelischer Militäroperation im Westjordanland
Schwer beschädigte Gebäude nach einer israelischen Militäroperation im WestjordanlandBild: Nasser Nasser/AP/picture alliance

Ein israelischer Armeesprecher begründete das Vorgehen mit der deutlich gestiegenen Anzahl von Anschlägen auf Israelis. Zugleich hat auch die Gewalt extremistischer israelischer Siedler in dem besetzten Palästinensergebiet zugenommen. Die Lage hat sich seit Beginn des Israel-Hamas-Kriegs deutlich verschärft. Seitdem wurden bei israelischen Militäreinsätzen, Konfrontationen oder eigenen Anschlägen nach Angaben des Gesundheitsministeriums im Westjordanland 640 Palästinenser getötet.

Kämpfer der Hamas hatten Israel am Israel am 7. Oktober vergangenen Jahres überfallen und israelischen Angaben zufolge mehr als 1100 Menschen getötet. rund 250 weitere wurden als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Als Reaktion auf den Hamas-Angriff geht Israel massiv militärisch in den Palästinensischen Gebiete vor. Nach Angaben der Hamas, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, wurden seitdem mehr als 40.500 Menschen im Gazastreifen getötet. 

ch/sti (dpa, afp, epd)

Redaktionsschluss: 16.30 Uhr - dieser Artikel wird nicht weiter aktualisiert.