Humorklassiker: Zur Sache Schätzchen
4. Januar 2018Die Deutschen sind ja nicht gerade für ihren Humor bekannt. Gerade in Kunstsparten wie dem Kino fällt das immer wieder auf. Doch hin und wieder gab es Filme, die ausbrachen aus dem humoristischen Kinoeinerlei und für Überraschungen sorgten. "Zur Sache Schätzchen" war so eine intelligente Ausnahme. Da darf es einen nicht wundern, dass die ehrwürdige Filmförderungsanstalt (FFA) die digitale Restaurierung des Kinoerfolgs aus dem Jahre 1968 finanziell ermöglichte und für eine DVD-Veröffentlichung sorgte. Seltene Schätze muss man pflegen.
Kommentar vom Alt-Kanzler
Und es ist kein Geringerer als Altbundeskanzler Gerhard Schröder, der einen Text zu dieser DVD-Ausgabe beisteuerte. Ihn habe der Film damals angesprochen, weil er die Ereignisse von 1968 so ganz anders auf den Punkt gebracht habe, schreibt Schröder: "Nicht mit langen Theoriedebatten." Alles was die Hauptfigur Martin in dem Film mache, sei Auflehnung. Dabei habe er aber auch noch Spaß, so Schröder, der 1968, als der Film in die Kinos kam, 24 Jahre alt war und Jura in Göttingen studierte.
Spaß haben im Revolutionsjahr 1968, das ist schon ein entscheidender Hinweis auf den Erfolg des Films. Die Erinnerungen der Dabeigewesenen und auch der größte Teil der Berichterstattung und historischen Aufarbeitung werden heute geprägt von eher gesellschaftskritischen und vor allem politisch ernsten Aspekten. Straßenschlachten in Frankfurt und der Weg zum RAF-Terror der '70er Jahre, Kaufhausbrände und Politiker, die später im Bundeskabinett saßen, damals aber Jagd auf Polizisten machten - das sind die Assoziationen, die man im Kopf hat.
Gutes Stimmungsbarometer
Doch '68, das steht auch für eine muntere Ausprägung von Auflehnung und Protest. Eine Mischung aus Frechheit gegenüber dem Establishment und einer trotzigen Verweigerung bürgerlicher Laufbahnen beherrschten ebenso die Gedanken der Studenten und der anderen jungen Leute. Genau das brachte "Zur Sache Schätzchen" auf den Punkt. Damals und erstaunlicherweise auch beim Wiedersehen des Films heute. "Die groteske, surreale Art des Films hat diese Stimmung sehr gut vermittelt", so Gerhard Schröder.
Die Geschichte, die Jungregisseurin May Spils und ihr Lebensgefährte, Hauptdarsteller und Dialogimprovisateur Werner Enke damals auf die Leinwand brachten und die am 4.1.1968 Premiere feierte, ist schnell erzählt. Ein junger Tunichtgut (Werner Enke als Martin) fläzt sich jeden Tag am liebsten im Bett und verweigert (fast) jede Art von Arbeit. Sein Freund, der umtriebige Henry (Henry van Lyk) versucht vergeblich Martin zumindest ein wenig zur Arbeit zu drängen. Die besteht vornehmlich im Ausdenken von einfachen Schlagertexten, die für ein paar Mark an den schmierigen Musikproduzenten Beck verhökert werden.
Anarchistische Grundhaltung
Die Kamera begleitet Martin bei seinen ziellosen Gängen durch München-Schwabing. Inszenierung und Improvisation bestimmen den Rhythmus des Films. Einzig die Begegnung mit Barbara (Uschi Glas) reißt Martin phasenweise aus seiner Lethargie heraus. Coole Sprüche ("Es wird böse enden", "nicht fummeln"), Situationskomik, surreale Szenen und eine leicht anarchistische Grundhaltung bestimmen die Atmosphäre des Films. Das ist auch heute noch sehr witzig und wirkt kaum angestaubt.
Damals war es eine kleine (Film-)Revolution: "Soviel intelligente Leichtigkeit hat man seit Richard Lesters 'The Knack' nicht mehr im Film gesehen…Auch dieser Film ist Protest gegen die Welt der Väter, es ist aber ein Protest ohne Stelzen, faszinierend durch Übermut, Leichtsinn, durch quicklebendigen Humor, der die Selbstpersiflage in sich schließt", lobte sogar die konservative Frankfurter Allgemeine Zeitung nach der Premiere. Und die noch konservative "Welt" schrieb: "May Spils' Film lebt von seinem Tempo, dem köstlichen Jargon-Dialog. Die optischen Einfälle folgen einander geradezu unökonomisch schnell."
Kein nachhaltiger Erfolg
Für die Regisseurin May Spils und ihren Hauptdarsteller Werner Enke sollten sich kommerzieller und künstlerischer Erfolg nicht wiederholen. Lediglich eine paar Filme machten die beiden noch, doch keiner konnte an "Zur Sache Schätzchen" anknüpfen. Aus dem Ensemble konnte nur Hauptdarstellerin Uschi Glas eine dauerhafte Karriere in Kino und Fernsehen aufbauen. Glas wurde zu einem der Unterhaltungsstars des bundesdeutschen Fernsehens mit TV-Erfolgen wie "Der Landarzt" und "Ein Schloss am Wörthersee". Das entsprach nun gar nicht mehr dem Geist und Esprit von "Zur Sache Schätzchen", spiegelte eher das wider, was deutsches Kino und Fernsehen in späteren Jahrzehnten in Sachen Humorkultur und Unterhaltung kennzeichneten.
May Spils: Zur Sache Schätzchen, BRD 1967, 77 Minuten, mit Werner Enke, Uschi Glas, Henry van Lyk u.a., auf DVD und als Blu-ray beim Anbieter Ascot Elite erschienen.