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Hungerkrise spitzt sich zu

5. September 2011

Die Hungersnot am Horn von Afrika wird immer schlimmer: Die UN haben eine weitere Region Somalias zum Hungergebiet erklärt. Ein Bundestagsabgeordneter spricht von einer "Katastrophe biblischen Ausmaßes".

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Somalische Hungerflüchtlinge auf dem Weg nach Dadaab (Foto: AP)
Somalische Hungerflüchtlinge auf dem Weg nach DadaabBild: AP

In der südsomalischen Region Bay verhungerten wegen der Dürre immer mehr Menschen, teilten die Vereinten Nationen mit. Nun habe die Todesrate eine kritische Schwelle überschritten. Damit herrscht jetzt in sechs Gebieten des ostafrikanischen Landes offiziell eine Hungersnot, auch in der Hauptstadt Mogadischu.

Im Juli und im August waren fünf Regionen vor allem im Süden Somalias zu Hungergebieten erklärt worden. Eine Hungersnot wird dann ausgerufen, wenn mindestens 20 Prozent der Bewohner kaum noch Zugang zu Nahrungsmitteln haben, 30 Prozent als stark unterernährt eingestuft werden und täglich mehr als zwei von 10.000 Menschen an Hunger und seinen Folgen sterben.

Der Hunger führt zu Epidemien

"Zehntausende Menschen sind schon verhungert, über die Hälfte von ihnen Kinder", meldete am Montag (05.09.2011) die Welternährungsorganisation FAO in Kenias Hauptstadt Nairobi. Rund 750.000 Somalier stünden vor einem nahen Hungertod, insgesamt seien vier Millionen Menschen in dem Bürgerkriegsland dringend auf Lebensmittelhilfen angewiesen, um zu überleben. Die UN-Experten warnten davor, dass sich die Hungerkatastrophe noch weiter ausbreiten könne. Immer weniger Somalier könnten sich die noch vorhandenen Lebensmittel leisten. In drei weiteren Regionen des ostafrikanischen Landes herrsche zwar noch nicht überall Hunger, doch ein zunehmender Teil der Bevölkerung sei bereits schwerst unterernährt.

Ein hungerndes somalisches Kind wird in einem Lager bei Mogadischu versorgt (Foto: dapd)
Dieser Junge konnte gerettet werden, doch tausende Kinder sind schon vor Hunger gestorbenBild: AP

Der nun schon zwanzigjährige Bürgerkrieg und die Präsenz der radikal-islamistischen Al-Schabaab-Miliz machen die Lage in Somalia besonders dramatisch. Die Al Schabaab verbieten den meisten internationalen Hilfsorganisationen den Zugang zu den Bedürftigen. Nach Angaben der UN-Agentur für Humanitäre Hilfe OCHA sterben die Menschen in dem Gebiet immer häufiger auch an ansteckenden Krankheiten. Epidemien breiteten sich schneller aus, wenn die Menschen durch Unterernährung geschwächt seien. Die erwartete Regenzeit könnte zu einer weiteren Krankheitswelle führen, warnen die Experten. Im Normalfall gibt es in Somalia eine Regenzeit von Oktober bis Dezember, eine zweite im Frühjahr.

Das größte Flüchtlingslager der Welt

"Die Internationale Hilfsgemeinschaft sollte sich darauf vorbereiten, dass bis Jahresende 550.000 Flüchtlinge in Dadaab leben", warnte der Vorsitzende der Hilfsorganisation Care, Heribert Scharrenbroich, in Berlin. Ebenso viele Menschen könnten der Hungersnot am Horn von Afrika zum Opfer fallen. Das Flüchtlingslager Dadaab im kenianischen Grenzgebiet zu Somalia ist für 90.000 Menschen ausgelegt, inzwischen leben dort mehr als 420.000 Flüchtlinge. Und täglich kommen etwa 1200 weitere hinzu.

People queue outside a food distribution center as they wait to be registered as refugees in Dadaab, Kenya, Monday, Aug 1, 2011. Dadaab, a camp designed for 90,000 people now houses around 440,000 refugees. Almost all are from war-ravaged Somalia, with some having been here for more than 20 years, when the country first collapsed into anarchy. (Foto:Schalk van Zuydam/AP/dapd)
Für 90.000 gebaut, doch Hunderttausende suchen Zuflucht im Lager DadaabBild: dapd

Die Krise habe ihren Höhepunkt noch nicht erreicht, sagte Scharrenbroich. Er kritisierte, dass bislang erst knapp zwei Drittel der von den Vereinten Nationen geforderten 2,5 Milliarden US-Dollar (1,77 Milliarden Euro) zugesagt worden seien. Allein die Nothilfe müsse angesichts der dramatischen Entwicklung der Hungersnot bis ins Frühjahr 2012 aufrechterhalten werden.

"Katastrophe biblischen Ausmaßes"

Der stellvertretende Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Menschenrechte, Michael Brand (CDU), forderte die Bundesregierung auf, ihre Hilfen für Ostafrika aufzustocken. Mitte August hatte die schwarz-gelbe Koalition neben der akuten Nothilfe weitere 118 Millionen Euro an Hilfsgeldern zugesagt. "Wir müssen weit mehr tun", kommentierte Brand. Die Haushaltsberatungen müssten nun dazu genutzt werden, die Finanzierung der Rettungsmaßnahmen bis weit ins nächste Jahr zu sichern. Brand, der kürzlich das Flüchtlingslager Dadaab besucht hatte, sprach von einer "Katastrophe biblischen Ausmaßes".

Auslöser der dramatischen Ernährungskrise am Horn von Afrika ist die schwerste Dürre seit 60 Jahren, die neben Somalia auch Äthiopien, Dschibuti, Kenia und Uganda betrifft. Grenzübergreifend sind mehr als zwölf Millionen Menschen auf Nahrungshilfe angewiesen.

Autor: Rolf Breuch (afp, dapd, dpa, epd)
Redaktion: Martin Schrader