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Huthi-Attacken auf Schiffe bremsen Welthandel aus

Dirk Kaufmann
12. Januar 2024

Viele Reedereien meiden derzeit das Rote Meer und den Suezkanal und schicken ihre Schiffe stattdessen um das Kap der Guten Hoffnung - das kostet Zeit und Geld. Der Welthandel leidet unter gestörten Lieferketten.

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Das von Huthis gekaperte Frachtschiff Galaxy Leader im Roten Meer
Das Frachtschiff Galaxy Leader war Anfang Dezember 2023 das erste von den Huthi-Rebellen gekaperte FrachtschiffBild: KHALED ABDULLAH/REUTERS

Die vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen auf der arabischen Halbinsel greifen seit Anfang Oktober Frachtschiffe im Roten Meer an - US-Präsident Joe Biden sprach in der Nacht zum Freitag von inzwischen 27 Angriffen auf Schiffe. Viele Reedereien haben deshalb den Verkehr durch diese Gewässer eingestellt und leiten ihre Schiffe um Südafrika um. Über den Suezkanal verbindet das Rote Meer den Indischen Ozean mit dem Mittelmeer und bildet so eine zentrale Handelsstraße, über die bis zu 12 Prozent des Welthandels abgewickelt wird.

Infolge der Huthi-Attacken ist die Frachtmenge auf der wichtigen Handelsstraße deutlich gesunken. "Die dort transportierte Menge an Containern brach um über die Hälfte ein und liegt aktuell fast 70 Prozent unter dem eigentlich zu erwartenden Aufkommen", erklärte das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) am Donnerstag.

Die Umleitung der Schiffe bedeute, "dass sich die Zeit für den Transport von Waren zwischen den asiatischen Produktionszentren und den europäischen Verbrauchern um bis zu 20 Tage verlängert", erklärte Julian Hinz vom IfW. Dies zeige sich in rückläufigen Handelszahlen für Deutschland und die EU, "da transportierte Waren noch auf See sind und nicht wie geplant bereits in den Häfen gelöscht wurden". Am Donnerstag teilte zum Beispiel der Elektroautobauer Tesla mit, "wegen fehlender Teile" die Produktion seines Werkes im brandenburgischen Grünheide ab Ende Januar für zwei Wochen zu unterbrechen.

Umweg kostet zweistellige Millionensummen - pro Monat                               

Der Verband Deutscher Reeder (VDR) antwortete auf eine DW-Anfrage, die gegenwärtige Lage führe zu "längeren Lieferfristen sowie zu mehr Emissionen und höheren Kosten für die Spediteure." Eine genaue Schätzung der Mehrkosten könne der Verband allerdings nicht abgeben, weil "diese jeweils von sehr individuellen Gegebenheiten eines jeden Schiffes wie etwa dessen Größe, Beladung, Geschwindigkeit, genutzte Treibstoffart, Bemannung auf dem Schiffes" abhänge.

Die deutsche Reederei Hapag-Lloyd (weltweit die Nummer fünf) rechnete gegenüber DW vor, dass sich die Schiffspassagen um sieben Tage (auf der Strecke von Fernost an die US-Ostküste) oder um bis zu 12 Tagen (bei Zielhäfen in Nordeuropa) verlängern würden. Insgesamt beliefen sich "die Mehrkosten pro Monat auf eine hohe zweistellige Millionensumme".

Die weltgrößte Reederei Maersk aus Dänemark sagte uns, dass sich die zusätzlichen Kilometer immer auf "die Rundreise eines Schiffes, also hin und zurück" beziehen würden. Das seien "pro Fahrt in eine Richtung ca. 10-12 Tage (also hin und zurück rund drei Wochen) und bis zu 7000 km mehr." Das erhöhe die Kosten pro Passage um etwa 50 Prozent.

Doch offenbar haben die Marktteilnehmer aus der Sperrung des Suezkanals 2021, von den Auswirkungen der Corona-Pandemie oder den Folgen des Ukraine-Krieges gelernt und sind besser auf Krisensituationen eingestellt. So rechnen die deutschen Einzelhändler nicht gleich mit leeren Regalen in den Geschäften: "Weder kurz- noch mittelfristig sind sichtbare Engpässe zu erwarten", sagte daher der Sprecher des Handelsverbandes Deutschland (HDE), Stefan Hertel, zur Nachrichtenagentur Reuters. Grund dafür sei eine inzwischen robustere Gestaltung der Lieferketten.

Containerengpässe in Chinas Häfen

Allerdings könnte sich die Lage in den kommenden Wochen verschärfen, wenn in China das Neujahrsfest gefeiert wird. Dort werden die Fabriken ab dem 10. Februar für zwei bis vier Wochen geschlossen. Daher versuchen viele Kunden, so viel wie möglich vorab zu bestellen. Die Umleitung um Südafrika könnte aber dazu führen, dass es weniger Schiffe wieder rechtzeitig in die Volksrepublik schaffen. Beobachter berichten bereits von einem Containerengpass im Hafen von Ningbo.

Das bestätigt auch Maersk: Nicht nur die Schiffe seien aus ihrem Fahrplan-Takt, sondern auch "die Container, die in Asien leer wieder zur Beladung gebraucht werden. Wenn keine Leercontainer verfügbar sind, ist das ein riesiges Problem."

Ein Schiff von Maersk war Mitte Dezember Ziel einer Huthi-Attacke geworden, woraufhin die Reederei den Verkehr durch das Rote Meer eingestellt hatte - und zwar für die "nahe Zukunft", wie Maersk-CEO Vincent Clerc der Financial Times sagte. Es sei noch völlig unklar, ob die Wiederaufnahme des Verkehrs in der Region eine Frage "von Tagen, Wochen oder Monaten" sei.  

Hafenschlepper bringen den Container Frachter Madison Maersk von seinem Liegeplatz durch den Yangtzekanal aufs offene Meer (Archivbild)
Ein Containerschiff der dänischen Reederei Maersk, hier im Yangtzekanal in ChinaBild: Jochen Tack/IMAGO

Auch Hapag-Lloyd denkt im Moment nicht daran, wieder durch Rotes Meer und Suezkanal zu fahren. Das geschähe erst, wenn sich "die Bedrohungslage von 'sehr bedrohlich' auf 'ungefährlich' ändert. Solange es Attacken gibt, ist die Durchfahrt auf jeden Fall zu gefährlich."

Der Deutsche Reederverband gibt generell "keine individuelle Risikoeinschätzung ab". Diese müssten die Reeder selbständig und in eigener Verantwortung erarbeiten. "Nach den jüngsten Sicherheitsvorfällen", so der VDR zur DW, gehe der Verband "davon aus, dass derzeit das Risiko eines Angriffs auf zivile Handelsschiffe in der betroffenen Seeregion sehr hoch ist."

Internationale Gemeinschaft "muss alles tun"

Daher, so Vincent Clerc, müsse das Problem schnell gelöst werden: "Wir drängen die internationale Gemeinschaft, tätig zu werden und alles zu tun, um den Seeweg wieder zu öffnen. Der ist eine der Hauptarterien der Weltwirtschaft und derzeit ist sie verstopft."

Eindeutig äußert sich auch die deutsche Reederei Hapag-Lloyd, die sich ebenfalls einen Schutz des Seeweges wünscht. Auf unsere Frage, ob sie es begrüßen würden, wenn sich die Bundesregierung militärisch an der Sicherung dieses Seeweges beteiligen würde und ob Sie der Regierung gegenüber diesen Wunsch auch geäußert hätten, lautete die Antwort: "Ja und ja!"

Das liegt auf der Linie des deutschen Branchenverbandes. Der schrieb uns, dass "andere NATO-Partner wie das Vereinigte Königreich und Frankreich bereits Marinekräfte entsendet haben, die die Schiffe Ihrer Nation begleiten und schützen. Der VDR hält deshalb eine deutsche Beteiligung und Unterstützung vor Ort bei der angelaufenen Schutzmission der Handelsschifffahrt durch die deutsche Marine für dringend geboten."

Militärschlag gegen Huthi-Rebellen: Feuer und Rauch nach einem Luftangriff in der Nähe von Sanaa (Jemen)
Militärschlag gegen Huthi-Rebellen: Feuer und Rauch nach einem Luftangriff in der Nähe von Sanaa (Jemen)Bild: XinHua/dpa/picture alliance

Den in der Nacht zu Freitag von der USA, Großbritannien und weiterer Verbündeter geführten Militärschlag gegen Stellungen der Huthi-Rebellen in Jemen begrüßten die Reedereien. Auch die Bundesregierung äußerte sich. "Die Reaktion hat unsere politische Unterstützung", sagte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock am Freitag in Kuala Lumpur. Die USA und weitere Partner seien gezielt begrenzt militärisch gegen die für die Angriffe auf die Schifffahrt im Roten Meer genutzte Infrastruktur der Huthi vorgegangen - "im Einklang mit dem individuellen und dem kollektiven Recht auf Selbstverteidigung der Charta der Vereinten Nationen", ergänzte die Bundesaußenministerin.

Auf die Frage, wie sich die Bundesregierung an der Sicherung der Schifffahrt im Roten Meer beteiligen wolle und wann darüber entschieden werde, sagte Baerbock, die Europäische Union (EU) prüfe derzeit mit Hochdruck, "wie wir die Stabilisierung im Roten Meer auch selbst stärken und zu dieser Stabilisierung beitragen können". Dies müsse im europäischen Rahmen gemeinsam beschlossen werden.