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Deutschland wappnet sich gegen russische Einflussnahme

28. März 2024

Die Regierung warnt vor neuen Versuchen Russlands, die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Was ist "hybride Kriegsführung" - wie lässt sie sich bekämpfen?

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Die Silhouette eines Hackers vor einem Programmcode und der russischen Flagge ist zu sehen.
Seit langem versucht Russland, die öffentliche Meinung in Deutschland zu beeinflussenBild: Klaus Ohlenschläger/picture alliance

Die Bundesinnenministerin ist besorgt. "Die Gefahr wächst weiter, dass Russland durch Cyberangriffe, Propaganda und andere Methoden versucht, die öffentliche Meinung in Deutschland zu beeinflussen", sagte Nancy Faeser (SPD) der Süddeutschen Zeitung. Und, so Faeser weiter, die Gefahren hätten eine neue Qualität erreicht. 

Ihre Warnung kommt vor dem Hintergrund der anstehenden Europawahl im Juni sowie drei Landtagswahlen im September. Russland, so die Befürchtung, könnte im Vorfeld der Wahlen versuchen, Unterstützung für prorussische Parteien wie die in Teilen rechtsextreme Alternative für Deutschland (AfD) zu mobilisieren.

Hybride Angriffe: Russlands Schattenkrieg?

Deutschland ist seit langem Ziel russischer Einflussnahme. Seit Beginn der großangelegten russischen Invasion in der Ukraine im Jahr 2022 zielen viele dieser Operationen darauf ab, die öffentliche Unterstützung für die Ukraine zu untergraben. Nun fordern Experten ein entschlossenes Vorgehen.

"Es geht darum, Entschlossenheit und Stärke dem gegenüber zu zeigen und aufzudecken, mit welchen Mitteln die andere Seite operiert", sagt Rüdiger von Fritsch, ehemaliger deutscher Botschafter in Moskau und Ex-Vizepräsident des deutschen Auslandsgeheimdienstes BND.

Was ist "hybride Kriegsführung"?

Wenn Staaten militärische Mittel mit unkonventionellen Methoden - von wirtschaftlichem Druck bis hin zu Propaganda - kombinieren, spricht man von "hybrider Kriegsführung”. Sie ist kein neues Phänomen. Seit Jahrhunderten nutzen Staaten nicht-militärische Mittel, um die öffentliche Meinung im Ausland zu beeinflussen.

Rüdiger von Fritsch während einer DW-Sendung
Rüdiger von Fritsch war von 2014 bis 2019 Deutschlands Botschafter in MoskauBild: DW

Das Internet und soziale Medien bieten ihnen dafür heute jedoch ein ganz neues Arsenal an Online-Waffen: So verschaffen sich Hacker bei sogenannten "Hack-and-Leak"-Operationen Zugang zu sensiblen oder vertraulichen Informationen und streuen diese strategisch in der Öffentlichkeit. Cyberangriffe können auch dazu genutzt werden, die kritische Infrastruktur eines Landes, einschließlich Wahlcomputer oder Wahlsoftware, lahmzulegen. Gleichzeitig werden Online-Plattformen oft genutzt, um falsche oder irreführende Narrative zu verbreiten.

"Die Möglichkeiten der digitalen Kommunikation und die modernen soziale Medien sind der wahrgewordene Traum aller Nachrichtendienste", so von Fritsch zur DW.

Wie funktioniert "hybride Kriegsführung"?

Hybride Kriegsführung wird oft als "Schattenkrieg” beschrieben, der im Verborgenen stattfindet und nie offiziell erklärt wird. "Das Konzept der hybriden Kriegsführung besteht darin, dass man sie zunächst nicht bemerkt", erklärt Leslie Schübel, Russland-Expertin bei der Hamburger Körber-Stiftung, im Gespräch mit der DW.

Leslie Schübel während einer DW-Sendung
Desinformationskampagnen wollen Zweifel schüren, sagt Leslie Schübel, Russland-Expertin bei der Hamburger Körber-StiftungBild: DW

Im Januar gab die deutsche Regierung bekannt, dass sie eine großangelegte russische Desinformationskampagne auf X, ehemals Twitter, aufgedeckt hatte. Vor ihrer Zerschlagung hatten gefälschte Accounts mehr als eine Million Nachrichten mit falschen oder irreführenden Behauptungen verbreitet. Damit sollte Stimmung gegen die deutsche Regierung und ihre Hilfe für die Ukraine gemacht werden.

Ziel solcher Kampagnen ist nach Ansicht von Experten, soziale Gräben zu vertiefen, Wut zu schüren und Misstrauen in Politik, demokratische Prozesse und Medien zu wecken. "Allein Zweifel zu säen, ist für Russland schon ein Erfolg", so Schübel.

Lektionen aus dem "Taurus-Leak"

Während die meisten Methoden hybrider Kriegsführung nie an die Öffentlichkeit kommen, werden einige Operationen bewusst publik gemacht. Anfang März veröffentlichte die Chefin des russischen Staatssenders RT ein vertrauliches Gespräch hochrangiger deutscher Luftwaffenoffiziere. Der als "Taurus-Leak" bekannt gewordene Vorfall führte zu diplomatischen Verstimmungen und stürzte die Bundeswehr in eine Krise.

"Die Affäre dient (dem russischen Präsidenten) Putin auch innenpolitisch", sagt Maria Sannikova-Franck vom Think Tank "Zentrum Liberale Moderne". Das veröffentlichte Gespräch drehte sich um mögliche Szenarien im Krieg Russlands in der Ukraine. Russische Medien behaupteten nach der Veröffentlichung, der Mitschnitt belege, dass die Bundeswehr umfassende und konkrete Pläne für einen Angriff auf russisches Territorium diskutiere.

Maria Sannikova-Franck während einer DW-Sendung
Maria Sannikova-Franck leitet das Russland-Programm beim Zentrum Liberale ModerneBild: DW

"Das Bild, das er [Wladimir Putin] vermitteln will, ist, dass Deutschland und der Westen Russland bedrohen, und das ist ihm sehr gut gelungen", sagt Sannikova-Franck der DW. "Gleichzeitig hat er auch erfolgreich vom Tod und der Beerdigung Alexei Nawalnys abgelenkt." Nawalny, einer der prominentesten innenpolitischen Gegner Putins, starb Mitte Februar im Alter von 47 Jahren in einer Strafkolonie in der Arktis. Er wurde am 1. März beigesetzt - demselben Tag, an dem die Aufnahme veröffentlicht wurde.

Wie kann man im hybriden Krieg zurückschlagen?

Um sich gegen hybride Kriegsführung zur Wehr zu setzen, braucht man einen komplexen Ansatz auf verschiedenen Ebenen, so Experten. Länder müssen ihre kritische Infrastruktur, einschließlich der bei Wahlen verwendeten Technologien, angemessen vor Cyberangriffen schützen.

Thorsten Frei (CDU): Im Krieg muss man mit allem rechnen

Gleichzeitig unterstreicht der "Taurus-Leak"-Vorfall auch die Notwendigkeit, das Bewusstsein für Cybersicherheit auf allen Ebenen der Gesellschaft zu schärfen. Denn der russische Geheimdienst hatte sich offenbar deswegen Zugang zu der militärischen Kommunikation verschaffen können, weil sich ein Teilnehmer über eine ungesicherte Verbindung in das Gespräch eingewählt hatte.

Schließlich betonen Experten, wie wichtig es ist, Bürgerinnen und Bürger über die Methoden von Desinformation aufzuklären und ihnen bewusst zu machen, dass alle Informationen, die sie online sehen, sie gezielt täuschen oder manipulieren könnten. "Es ist wichtig, die Mechanismen dieser Propaganda aufzudecken - wie sie funktioniert, wie sie uns beeinflusst, wie sie Meinungen beeinflusst", so Sannikova-Franck.

Im Kampf gegen die gezielte Verbreitung von Falschinformationen hatten Deutschland, Frankreich und Polen im Februar 2024 einen Warnmechanismus vereinbart. Frankreichs Außenminister Stéphane Séjourné erklärte nach einem Treffen mit seinen Amtskollegen, dass die drei Länder Opfer der gleichen russischen Destabilisierungsstrategie geworden seien und sich gemeinsam dagegen wehren wollen.

Kommentarbild Janosch Delcker
Janosch Delcker Chefkorrespondent für Technologie