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Atmosphärenhopser

28. Februar 2012

Kosmos statt Badestrand: Im Weltraumtourismus wähnen manche ein großes Geschäft. Doch die Ferienreise ins wahre All wird es so schnell nicht geben. Die technischen Hürden sind bisher nicht zu überwinden.

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Das EADS Astrium Flugzeug White Knight Two Während eines Testfluges (ddp images/AP Photo/Matt York)
Bild: AP

Wem bodenständige Reiseziele wie das Mittelmeer, die Alpen oder die Karibik nicht mehr ausreichen, der soll bald Urlaub im Weltraum machen – so hoffen einige Firmen, die derzeit an Projekten arbeiten, um begeisterte Touristen in den Kosmos zu bugsieren. Die blaue Erde unter und dem pechschwarzen Himmel über sich – dazu schweben die Weltraumtouristen durch die Flugkapsel und machen Späße in der Schwerelosigkeit.

Doch für die Reise ins All muss man schon etwas tiefer in die Tasche greifen als für die Pauschalreise zum Ballermann in Mallorca. Typischerweise setzen die Firmen auf Ticketpreise zwischen 100.000 und 200.000 US-Dollar. Selbst für diesen Preis gibt es nur ein recht kurzes Vergnügen: Nur wenige Minuten lang befinden sich die Passagiere am Rand des Weltalls. Denn die kommerziellen Firmen setzen nicht auf Reisen in die Erdumlaufbahn, sondern nur auf extrem hohe Hüpfer in den Grenzbereich der Atmosphäre.

Erst dreimal war eine Touristenkapsel in 100 km Höhe

Die jetzt so oft angepriesenen Touristen-Flüge ins All haben nichts mit wirklichen Weltraumreisen zu tun, zu denen russische Sojuz-Raketen aufbrechen oder einst die US-Raumfähren gestartet sind. Bisher hat nur SpaceShipOne kommerzielle Flüge an den Rand des Weltraums absolviert. Im Jahr 2004 erreichte dieses Raketenflugzeug dreimal etwas mehr als 100 km Höhe. Dort beginnt, nach einer willkürlichen Definition, der Weltraum. Allerdings ging es bei diesen Flügen nur um eine technologische Demonstration.

Das kleine Raketenflugzeug wurde für die Starts unter den Bauch einer großen Trägermaschine geschnallt und in einigen Kilometern Höhe ausgeklinkt. Dann zündeten die Triebwerke für gut eine Minute und katapultierten das Gefährt fast senkrecht nach oben. Nach dem Ausschalten der Triebwerke - gut sechzig Kilometer über dem Boden - flog es wie ein geworfener Stein weiter und erreichte die magische 100-km-Grenze. SpaceShipOne stürzte schließlich zurück zur Erde und landete nach nicht einmal einer halben Stunde Flugzeit wie ein Urlauberjet.

Modell des Astrium Space Jet, vorgestellt in Paris am 13.06.2007. (AP Photo/Remy de la Mauviniere)
Auch die EADS-Tochter Astrium werkelt an einem Weltraum-FlugzeugBild: AP

Technische Entwicklung verzögert sich

So schnell die erste Entwicklung der Testmaschine gelungen ist, so schwierig gestaltet sich nun der Bau eines Geräts für den Routinebetrieb. Nach den ursprünglichen Plänen sollte der Nachfolger, SpaceShipTwo, seit Jahren im Einsatz sein und zwei Piloten und sechs Passagiere regelmäßig in große Höhen bringen. Doch bisher hat die neue Maschine nur Gleittests absolviert. Es ist unklar, ob der kommerzielle Betrieb tatsächlich in diesem Jahr starten kann. Selbst mit dem milliardenschweren Gründer und Eigentümer Sir Richard Branson im Rücken scheint die Firma die technischen Hürden eines solchen Unternehmens nur mit Mühe nehmen zu können.

Auch den Raumfahrtkonzern Astrium, Tochter des Airbus-Bauers EADS, drängt es in diesen Geschäftszweig. Im Jahr 2007 hat man auf der Luftfahrtmesse in Paris eigene Pläne für ein Weltraumflugzeug vorgestellt. Die staunenden Besucher konnten in einem ambitionierten Modell mit bequemen Sesseln Platz nehmen. Doch außer wunderbaren Videosequenzen, in denen alles spielend leicht zu sein scheint, war seitdem von diesem Projekt nicht mehr viel zu sehen oder zu hören. Von den einst avisierten Flügen ab dem Jahr 2012 redet niemand mehr.

Visionäre? Bastler? Phantasten?

Das innere des EADS Astrium Space Jet (AP Photo/Remy de la Mauviniere)
Bequeme Sitze für ein kurzes und teures VergnügenBild: AP

So tummeln sich mittlerweile auch kleinere private Firmen in diesem Bereich: Ein Team von dänischen Enthusiasten baut eine enge Rakete, die zum Teil aus Plexiglas und Kork besteht. Von einer schwimmenden Plattform in der Ostsee aus will das Team damit jeweils einen Menschen an den Rand der Atmosphäre schießen, der danach in seiner Kapsel am Fallschirm im Meer landet. Die Discount-Rakete, so wird behauptet, baue man für kaum mehr als 40.000 Euro. Einen erfolgreichen Testflug hat das Gerät allerdings noch nicht absolviert.

Andere planen mit einem speziellen Flugzeug in einigen Jahren von Curacao in der Karibik aus Menschen in 100 Kilometer Höhe zu schießen. Man darf bereits Anteile an dem Projekt zeichnen, allerdings gibt es noch keine flugfähigen Studien für den Minijet, bei dem – so verspricht die Firma SXC – der Passagier gleich auch der Co-Pilot sein soll.

Schwarze Himmel und etwas Schwerelosigkeit

Ohnehin muss sich erst zeigen, ob die zahlende Kundschaft nach den Minitrips wirklich mit dem zufrieden wäre, was sie bekommt. Die körperliche Belastung während des Fluges ist nicht stärker als in einer Achterbahn. Man erlebt Schwerelosigkeit und während man vor den Fenstern schwebt, ist die Aussicht sicher überwältigend: Der Horizont ist deutlich gekrümmt. Am pechschwarzen Himmel leuchten gleichzeitig die Sonne und die Sterne.

Aber das ist mit einem echten Weltraumflug noch nicht zu vergleichen: Die volle Erdkugel ist auf dieser Höhe noch nicht zu sehen. Es lässt sich lediglich ein Gebiet etwa von den Ausmaßen Deutschlands überblicken. Vor allem aber ist das himmlische Vergnügen sehr kurz: Nach nur etwa fünf Minuten ist Schluss mit dem Schnuppern am Weltraum.

Flugzeug "Space XC". Copyright: Space Expedition Curacao (SXC)
Space XC setzt auf WeltraumtourismusBild: Space Expedition Curacao (SXC)

Echte Weltraumflugzeuge wären militärisch interessant

Würden die Flüge an den Rand der Atmosphäre hingegen länger dauern, wären sie nicht nur für reiche Touristen interessant. Militärs begeistern sich schon lange für Fluggeräte, die in einem großen Hüpfer binnen weniger Stunden jeden Punkt auf der Erde erreichen können. Doch die aktuellen Raketenflugzeuge erreichen nur große Höhen, haben dafür aber nur eine sehr geringe Reichweite.

Wer dagegen echte Weltraumflugzeuge für große Strecken bauen könnte, wäre strategisch unabhängig von Militärbasen in anderen Ländern oder von Flugzeugträgern. Auch zahlungskräftige Geschäftsleute würden sicher gern in eine Maschine steigen, die raketenschnell New York und Sydney verbindet. Der Ausblick ins All wäre für diese Kundschaft sicher nur ein Nebenaspekt. Doch alle bisherigen Versuche, solche Maschinen zu bauen, sind kläglich gescheitert.

Echter Weltraum für 30 Millionen Dollar

Siebenmal sind Touristen wirklich im Weltraum gewesen, also in der Erdumlaufbahn. Im vergangenen Jahrzehnt haben die Russen immer wieder freie Sitzplätze in ihren Sojuz-Kapseln verkauft und Passagiere mit an Bord der Internationalen Raumstation (ISS) genommen. Für knapp zwei Wochen Aufenthalt im All waren etwa 30 Millionen US-Dollar zu bezahlen, inklusive Vollpension im Orbit.

Wer jetzt Appetit bekommen und das nötige Kleingeld hat, erlebt eine Enttäuschung: Denn nach dem Ende der amerikanischen Shuttle-Flüge sind die Kapazitäten für den Transport von Menschen ins All sehr eingeschränkt. Die Plätze gehen alle an die Profiastronauten der ISS-Mitgliedsstaaten. Urlauber-Tickets sind derzeit nicht zu haben.

Autor: Dirk Lorenzen
Redaktion: Fabian Schmidt