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„Ich komme aus dem größten Gefängnis für Journalisten“ 

Berthold Stevens
28. Mai 2019

Er sei besorgt, denn es gebe „eine Art globaler Attacke auf die Presse- und Meinungsfreiheit“. Das sagte der frühere Cumhuriyet-Chefredakteur Can Dündar auf dem Global Media Forum der Deutschen Welle in Bonn.

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Can Dündar auf dem Global Media Forum der Deutschen Welle in Bonn
Bild: DW/P. Böll

„Ich komme aus dem weltweit größten Gefängnis für Journalisten“, so der türkische Journalist, der in Deutschland im Exil lebt. „Wir haben unsere Freiheit innerhalb weniger Jahre verloren. Deshalb sollten wir unsere Rechte sehr leidenschaftlich verteidigen, heute mehr denn je.“ 

Der wachsende Einfluss von Regierenden auf die Medien sei beängstigend. So sei Erdogan in der Türkei heute „der wichtigste Medienmogul“. Dündar mahnte, Deutschland dürfe das nicht einfach als gegeben hinnehmen. Wer ein autokratisch geführtes Land wie die Türkei unterstütze, mache sich indirekt auch mitschuldig an Einschränkungen der Meinungs- und Pressefreiheit. 
Notgedrungen würden Journalisten die Distanz verlieren. „Wir sind Aktivisten geworden, nicht mehr nur Journalisten“, so Dündar, dessen Familie weiterhin in der Türkei lebt. „Unser Land brennt“, sagte er, da könne er nicht nur darüber berichten, sondern müsse auch helfen zu löschen.

Dündar diskutierte auf der internationalen Medienkonferenz der DW mit Investigativjournalist Georg Mascolo, dem britischen Autor und Politiker Michael Dobbs und der weißrussischen Medienmacherin Galina Malishevskaya über Entwicklungen im Verhältnis von Politik und Medien. 

Media and politics: Where is this love-hate relationship going?
Bild: DW/P. Böll

Mascolo sagte in Bezug auf die Frage, inwieweit Journalisten auch Aktivisten sein können: „In Deutschland, in der westlichen Welt, verteidigt Journalismus das System selbst – und das ist die Demokratie. In diesem Sinne mögen wir auch hier Aktivisten sein.“ Ansonsten sei es wichtigste Aufgabe der Medien, die Vielfalt der Meinungen darzustellen.

Nach Auffassung Mascolos ist der größte bleibende Schaden aus der Trump-Ära, dass die USA auf dem Feld der  Meinungs- und Pressefreiheit nicht mehr als maßgeblich gelten könnten. Manche Politiker in Europa betrachteten dies als Freibrief für die Einschränkung von Freiheitsrechten. Mascolo: „Die Grundlage des europäischen Projekts sind Demokratie und Pressefreiheit. Deshalb muss man agieren, wenn die Rechtstaatlichkeit in einem EU-Land nicht mehr gewährleistet ist.“ 

Media and politics: Where is this love-hate relationship going?
Bild: DW/P. Böll

Über die Bedeutung der Sozialen Medien für Journalismus und den politischen Diskurs gingen die Auffassungen auseinander. Für Michael Dobbs, Autor von „House of Cards“, haben die Entwicklungen im Netz „das genaue Gegenteil“ von freiem Fluss und freiem Zugang zu Information gebracht. „Statt Nachrichten zu hören, hören sehr viele Menschen nur das Echo ihrer eigenen Vorurteile“, sagte er. Und Politiker agierten nicht mehr im Sinne langfristiger Ziele, sondern reagierten nur noch auf Schlagzeilen. 

Can Dündar hingegen sagte, in der Türkei seien Soziale Medien „überlebenswichtig“. Galina Malishevskaya sagte über Weißrussland: „Wir haben Meinungsfreiheit in Bezug auf Social Media, aber in Bezug auf die Presse kann man das nicht behaupten.“

Der russische Oppositionspolitiker Leonid Wolkow, der sich in Haft befindet und daher nicht wie geplant an der Runde teilnehmen konnte, schickte eine Videobotschaft. Er bedauere, nicht dabei sein zu können. Aber seine eigene Geschichte mache deutlich, „wie das Verhältnis von Medien und Politik in einigen anderen Ländern funktioniert“, so Wolkow.