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IEA-Ausblick: Energie wird weltweit grüner

Bernd Riegert aus Brüssel
24. Oktober 2023

Die Internationale Energie-Agentur sagt bis 2030 eine grüne Energiewende voraus. Solar werde boomen und Russland das Nachsehen haben. Für das Klima werde trotzdem nicht genug getan.

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Eine Studentin arbeitet an Solaranlagen in einer Ausbildungseinrichtung für Solartechniker und Energieauditoren an der Strathmore University, Nairobi
Ausbildung an einer Solaranlage, hier in Nairobi (Kenia)Bild: Thomas Imo/photothek/IMAGO

In ihrem jährlich erscheinenden Ausblick auf die Energiemärkte der Welt prognostiziert die Internationale Energieagentur (IEA) in Paris bis zum Jahr 2030 einen einschneidenden Wandel. Der Höhepunkt der Nachfrage nach fossilen Brennstoffen wie Gas, Erdöl und Kohle werde in den nächsten sechs Jahren überschritten, schreibt die Agentur in ihrem am Dienstag erschienenen Report.

2030 werde der Anteil der fossilen Energieträger von heute 80 Prozent auf 73 Prozent zurückgehen mit fallender Tendenz. Und dass obwohl der Energiehunger der wachsenden Menschheit weiter steigen wird. Erneuerbare Energie aus Sonne, Wind und Wasserkraft wird stärker zulegen als bisher angenommen und zum Beispiel bei der Stromerzeugung weltweit 50 Prozent Marktanteil erreichen. Heute sind es knapp 30 Prozent.

Deutschland |  Spatenstich Südlink in Wewelsfleth | Wirtschaftsminister Robert Habeck
Windenergie und neue Leitungen: Der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck beim Spatenstich für eine neue Stromtrasse im September 2023Bild: Fabian Bimmer/REUTERS

"Grüne Wende nicht aufzuhalten"

"Der Übergang zu sauberer Energie passiert überall auf der Welt und er ist nicht aufzuhalten", sagte IEA-Direktor Fatih Birol bei der Vorstellung des Ausblicks. "Die Frage ist nicht, ob es passiert, sondern nur noch wie schnell es passiert." Regierungen, Investoren und Unternehmen sollten die Wende aktiv mitgestalten, so Birol, da sie enorme Möglichkeiten biete. Neue Jobs und Geschäftsmodelle, aber auch mehr Versorgungssicherheit, da die Abhängigkeit vom Import fossiler Brennstoffe sinken werde.

Den Wandel kann man auch auf der Straße beobachten. Im Jahr 2030 wird es laut IEA zehnmal so viele Elektroautos im Verkehr geben wie heute. Und schon heute ist jedes fünfte neu zugelassene Fahrzeug weltweit ein Elektroauto.

Der Boom wird vor allem von China angeführt. China setzt zunehmend auf grüne Energie wie Solarstrom, was zu einem starken Rückgang der Nachfrage nach Kohle führen dürfte, meinen die Autoren der IEA-Studie. Die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen in Asien werde dennoch ansteigen, vor allem angetrieben durch Indien, dem bevölkerungsreichsten Land der Erde, wo der Bedarf für Strom wachsen werde. Der Ausbau der Solarenergie werde schneller vorangehen als bisher angenommen, meinen die Experten die Energieagentur.

Deutschland IAA Automobilmesse 2023 l Chinesische Hersteller l MG Cyberster
Elektroautos in China haben immer größere Marktanteile: Erdölverbrauch sinktBild: Leonhard Simon/Getty Images

Russlands Krieg leistet Energiewende Vorschub

Beschleunigt wurde der Trend hin zu grüner Energieerzeugung durch die klimapolitischen Zusagen zahlreicher Industrienationen, aber auch durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. Der Exportschock für russisches Gas und russisches Öl hat in manchen Teilen der Welt zu einer Energiekrise und zu einer Suche nach neuen Energielieferanten geführt.

Der Weltmarkt hat sich durch Russlands Krieg und die dadurch ausgelösten Sanktionen fundamental verändert, glaubt die Internationale Energieagentur. Pipeline-Gas wird mehr und mehr durch Flüssiggas per Tankertransport ersetzt, um die Versorgungssicherheit zu erhöhen. Von 2025 an werde Flüssiggas einen enormen Boom erfahren, weil dann viele Anlagen zum Transport des Gases in den USA und Katar fertiggestellt werden.

Gleichzeitig werde die Nachfrage nach Gas insgesamt bis 2030 absinken. Das "Goldene Zeitalter" des Erdgases sei endgültig vorbei. Russland werde dies spüren, weil es sein Gas auch wegen der sinkenden Nachfrage weltweit nicht nach Asien statt nach Europa verkaufen könne. Der Marktanteil Russlands, der vor dem Krieg gegen die Ukraine bei 30 Prozent lag, wird sich bis 2030 auf 15 Prozent halbieren, prognostiziert die IEA.

Fatih Birol, Direktor der IEA
Fatih Birol, Direktor der IEA: Wende nicht mehr aufzuhaltenBild: Heikki Saukkomaa/Lehtikuva/dpa/picture alliance

Wie wirkt sich die Krise im Nahen Osten aus?

Die IEA sieht kurz- und mittelfristig große Unsicherheit in den Märkten, besonders beim Erdöl, sollte der Konflikt zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas sich ausweiten. Der Iran, der mit der Hamas verbündet ist, hatte angedroht, die für Erdöltanker wichtige Straße von Hormus zu blockieren. Rund 20 Prozent des weltweit verbrauchten Erdöls werden täglich durch die Meerenge im Persischen Golf verschifft, hauptsächlich nach Asien. Langfristig werde das Problem aber kleiner, weil der Bedarf an Erdöl weltweit insgesamt absinkt.

Einen Ölpreis-Schock wie vor 50 Jahren, als arabische Produzenten ihre Exporte nach dem Sechstage-Krieg im Nahen Osten drastisch senkten, erwartet die IEA nicht. Inzwischen gebe es mehr Alternativen und Ausweichmöglichkeiten, argumentiert die in Paris ansässige Agentur. Die USA zum Beispiel produzierten erheblich mehr Öl als damals.

Karte VAE Straße von Hormus

Klimaziel wird nicht erreicht

Das Klimaziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, würde laut Energieagentur mit der gegenwärtigen Energiepolitik der Welt nicht erreicht werden. Dazu sei eine Verdreifachung der Geschwindigkeit bei der Einführung erneuerbarer, sauberer Energie nötig. Läuft alles so, wie die Regierungen es bisher ankündigen, dürfte die Erwärmung laut Prognose der IEA in diesem Jahrhundert eher bei 2,4 Grad liegen.

Die Internationale Energieagentur wurde 1973 nach der Ölkrise von westlichen Industrienationen gegründet. Mittlerweile gehören ihr 31 Staaten und ein Dutzend assoziierter Mitglieder an. Große Erzeugerländer wie Russland oder Saudi-Arabien sind allerdings nicht dabei. Umweltverbände haben der IEA lange vorgeworfen, sie sei im Grunde eine Lobby für fossile Brennstoffe und Atomenergie.

Die IEA gehört zur Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD), einer globalen Vereinigung von marktwirtschaftlich orientierten Staaten. Der jährliche Ausblick der IEA wird gerne als die "Bibel für die Energiewirtschaft" bezeichnet. Manche Wissenschaftler sagen aber auch, dass die Agentur mit ihren Prognosen manchmal ziemlich weit weg von der tatsächlichen Entwicklung gelandet sei.

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Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union