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Ifo-Index: Keine Frühlingsgefühle in der Wirtschaft

24. April 2023

Das Ifo-Geschäftsklima steigt im April das sechste Mal in Folge. Finanzexperten warnen aber vor zu großen Erwartungen. Denn die Zinserhöhungen der EZB greifen erst mit Verzögerung.

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Deutschland | Symbolbild Bauwirtschaft
Bild: Jochen Tack/picture alliance

Die Stimmung der deutschen Wirtschaft hat sich im April den sechsten Monat in Folge verbessert. Das Barometer für das Geschäftsklima kletterte auf 93,6 Punkte, von 93,2 Zählern im März, wie das Münchner Ifo-Institut am Montag zu seiner Umfrage unter rund 9000 Top-Managern mitteilte.

Damit ist die Stimmung so gut wie seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs im Februar 2022 nicht mehr. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten mit einem deutlicheren Anstieg auf 94,0 Punkte gerechnet. "Die Sorgen der deutschen Unternehmen lassen nach, aber der Konjunktur fehlt es an Dynamik", sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest. Die Führungskräfte bewerteten ihre Lage etwas skeptischer als zuletzt, ihre Geschäftsaussichten jedoch besser.

Die deutsche Wirtschaft war Ende 2022 auch wegen der Energiekrise um 0,4 Prozent geschrumpft. Deshalb gab es Sorgen, dass die Konjunktur Anfang 2023 ebenfalls schrumpft und Deutschland im Winterhalbjahr damit in eine Rezession abrutscht.

Die meisten Fachleute blicken inzwischen aber trotz der anhaltend hohen Inflation optimistischer auf die Wirtschaft. Ökonomen gehen davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im ersten Quartal sogar um 0,2 Prozent gestiegen sein dürfte. Die Daten dazu werden am Freitag veröffentlicht. Reuters hatte jüngst von Insidern erfahren, dass Wirtschaftsminister Robert Habeck die Wachstumsprognose der Bundesregierung für 2023 auf 0,4 Prozent verdoppelt.

Schild an einem Geschäft weist auf bevorstehende Schließung hin.
Der Einzelhandel steht unter Druck, Tausende Geschäfte geben jedes Jahr auf Bild: Ying Tang/NurPhoto/picture alliance

Einzelhandel und Bauwirtschaft weiter schwach

"Von Frühlingsgefühlen ist die deutsche Wirtschaft noch weit entfernt", kommentierte Ulrich Kater, Chefökonom der Dekabank, die Ifo-Zahlen. Trotz der Verbesserung bleibe die Stimmung der Unternehmen unterdurchschnittlich. Angesichts steigender Zinsen und fragiler Weltkonjunktur sei kaum mit einem kräftigen Aufschwung zu rechnen.

Etwas positiver äußerte sich Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank. "Gemessen an dem, was ursprünglich zu befürchten war, schlägt sich die deutsche Wirtschaft äußerst solide." Die deutsche Wirtschaft sei relativ unbeschadet über den Winter gekommen, die Energiepreise seien in den vergangenen Monaten merklich gesunken. "Doch bei aller Freude über die besser als erwartete Wirtschaftsentwicklung, die Konjunkturampeln springen nicht auf Grün." Gitzel verwies etwa auf den schwachen Einzelhandel und die angeschlagene Bauwirtschaft.

Kurs der Bundesregierung belastet

Alexander Krüger, Chefvolkswirt bei der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank, sieht auch den wirtschaftspolitischen Schlingerkurs der Bundesregierung als Belastungsfaktor: "Die Stimmung bleibt ein gutes Stück weit im Keller. Das ist ein enttäuschendes Ergebnis, vor allem wegen der schlechteren Lagebeurteilung. Nach einer Konjunkturerholung, die diesen Namen verdient, sieht es damit weiterhin nicht aus. Zumindest scheinen die gesunkenen Materialmängel etwas Zuversicht verbreitet zu haben. Erhebliche Strukturschwächen begrenzen ohnehin Wachstumschancen. Dass die Politik der Bundesregierung für immer neue Unsicherheiten sorgt, verdüstert den Ausblick zusätzlich."

Der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer, sieht die Zahlen positiver, warnt aber vor zu großem Optimismus: "Die erneute Erholung des Ifo-Geschäftsklimas deutet darauf hin, dass die deutsche Wirtschaft im zweiten Quartal erneut gewachsen sein dürfte. Allerdings sollte man nicht übermütig werden." Die US-Notenbank habe ihre Leitzinsen bereits seit März vergangenen Jahres kräftig erhöht, die EZB hinke bei ihren Zinserhöhungen der Fed deutlich hinterher. Krämer ist davon überzeugt, dass die Zinserhöhungen der EZB die Konjunktur mit Verzögerung ausbremsen wird: "In Deutschland folgten Zinserhöhungsphasen mit einer Verzögerung von durchschnittlich fünf Quartalen stets Rezessionen." Er hält daher "die Prognosen der meisten Volkswirte für optimistisch, dass sich die deutsche Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte deutlich erholen wird."

Christine Lagarde bei der EZB-Ratssitzung mit Zinsentscheidung
EZB-Chefin Lagarde: Wann schlagen die Zinserhöhungen auf die Konjunktur durch? Bild: Boris Roessler/dpa/picture alliance

Das sieht Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der staatlichen Förderbank KfW, ähnlich: "Die Geldpolitik wird ihre volle Bremswirkung erst in diesem Jahr entfalten und die erlittenen Kaufkraftverluste der Privathaushalte hallen wohl noch geraume Zeit nach. Die Wirtschaft kann im Gesamtjahr 2023 eine Schrumpfung vielleicht vermeiden, doch auch bei günstigerer Entwicklung käme sie vermutlich nur wenig über Stagnation hinaus."

Bankenbeben ohne Auswirkungen

Andreas Scheuerle von der Dekabank zeigt sich erleichtert, dass die Turbulenzen in der Finanzbranche bislang keine spürbaren Auswirkungen auf deutsche Unternehmen hatte. "Das Bankenbeben hat bei der Unternehmensstimmung keine Spuren hinterlassen. Die Europäische Zentralbank kann somit die hartnäckige Inflation mit weiteren Zinssteigerungen bekämpfen. Mehr und mehr machen sich dann aber die daraus resultierenden dämpfenden Effekte bemerkbar - in den akuten Problemen der Baubranche zeigen sich diese schon heute wie unter einem Brennglas. Auch wenn die anderen Branchen die Zinsbelastungen nicht so stark zu spüren bekommen, wird die konjunkturelle Erholung dadurch insgesamt ausgebremst."

tko/hb (rtr, dpa)