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Ilija Trojanow: „Keine schwarz-weiße Welt“

Vera Tellmann
4. November 2016

Dem aufkeimenden Nationalismus in vielen Ländern Südosteuropas müsse man „mit Pluralität und differenzierter Argumentation“ begegnen, sagte der Schriftsteller Ilija Trojanow im Interview der Deutschen Welle.

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Der deutsch-bulgarische Schriftsteller Ilija Trojanow
Bild: picture-alliance/dpa/J. Kalaene

Im Interview kritisierte Trojanow die aktuelle „holzschnittartige Wahrnehmung der Welt“, die Propaganda und schlichte, unrealistischer Lösungsszenarien fördere.   

Er müsse feststellen, dass „das Denken in Dichotomien wieder stärker“ werde, sagte Trojanow. Die öffentliche Meinung sei „als diskursiver demokratischer Ort in Gefahr, wenn jene, die die öffentliche Meinung dominieren, mit möglichst simplen Gegenüberstellungen operieren“.

Die kommunistische Vergangenheit sei in allen Ländern des früheren Ostblocks ein aktuelles Thema. Die Bevölkerung habe „keine Klarheit über die unglaublichen Verwüstungen und Zerstörungen einer Diktatur. Wenn man die vergangene Diktatur verklärt, dann ist es umso einfacher, wieder in eine neue Diktatur hineinzuschlittern“, sagte Trojanow, 1965 in Bulgarien geboren, aufgewachsen in Deutschland und Kenia. „Das russische Regime, die ganzen Verwerfungen in diesem Land hängen direkt mit der kommunistischen Vergangenheit und mit der sogenannten Wendezeit zusammen.“

Auch in der Türkei gebe es keine kritische Auseinandersetzung mit der imperialen Geschichte. Trojanow: „Neulich hat Erdogan eine Landkarte der ‚Großtürkei‘ publizieren lassen, die nicht nur Mossul, sondern auch weite Teile Europas umfasst. Das sind alles Projektionen und nationalistische Ambitionen, die ganz eng damit zusammenhängen, was für ein historisches Narrativ man kundtut.“ Trojanow forderte die westlichen Medien auf, Foren für einen offenen Diskurs über die Vergangenheit zu bieten. 

DW-Kolumne „Mein Europa“

In der DW-Kolumne „Mein Europa“, in der seit September namhafte Schriftsteller und Journalisten aus Ost- und Südosteuropa Gastbeiträge veröffentlichen, kritisiert Trojanow den aktuellen öffentlichen Diskurs, insbesondere über die Flüchtlingskrise, als „Schildbürgerstreich“. Die holzschnittartige Wahrnehmung der Welt fördere die Propaganda, die schlichte Szenarien als Lösungen vorgebe, schreibt Trojanow in einer am Samstag, 5. November, publizierten Gastkolumne mit dem Titel „Keine schwarz-weiße Welt“. „Gegenwärtig sind weltweit 65 Millionen Menschen auf der Flucht und der Diskurs hierzulande tut so, als ginge es darum, ob wir den Wasserhahn auf- oder zudrehen.“

In „Mein Europa“ reflektieren die Gastautoren aktuelle politische und gesellschaftspolitische Entwicklungen in einem Europa, das durch Flüchtlinge, Eurokrise und wachsenden Nationalismus vor neuen Herausforderungen steht. Die Kolumnen werden jeweils auf deutsch und in den neun ost- und südosteuropäischen Sprachen der Deutschen Welle publiziert.