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Im Einsatz für neun Milliarden

Ruth Krause17. Oktober 2012

Bei den Europäischen Entwicklungstagen vernetzen sich einmal jährlich die führenden Köpfe der Entwicklungszusammenarbeit. Trotz vieler Differenzen weiß man: Ein anderes Bild von Afrika ist nötig.

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Landwirtschaft in Äthiopien mit Baggern (Foto: DW)
Landverpachtung an ausländische Investoren in ÄthiopienBild: DW

300 Menschen drängen sich in einen viel zu kleinen Saal, Kamerateams positionieren sich, ein Türsteher versucht, das Chaos zu ordnen. Die Eröffnungszeremonie der Europäischen Entwicklungstage ist vollkommen überlaufen. Mehrere afrikanische Regierungschefs sind dabei, EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sowie hochrangige Vertreter von Hilfsorganisationen und Unternehmen. Als alle Anwesenden einen Platz gefunden haben, bittet die Moderatorin Conny Czymoch jeden Siebten, aufzustehen. "Wären wir die Weltbevölkerung, wären dies die Menschen, die hungern. Würden hier in diesem Raum tatsächlich ein Siebtel der Menschen hungern, würden wir eine Lösung finden. Also lasst es uns auch weltweit tun!" appelliert sie.

Eine Milliarde Menschen weltweit hungern

Das Ziel der Diskussionen der diesjährigen Konferenz steht fest: Nahrungsmittelsicherheit, auch für neun Milliarden Menschen, die es 2050 voraussichtlich geben wird. Dass dazu Wachstum nötig ist, gerade in Afrika, ist unumstritten. Und doch reicht Wachstum alleine nicht aus. "Wachstum ist nicht der Endzweck. Das Wachstum muss nachhaltig und breitenwirksam sein", fordert EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso bei seiner Rede.

Fotowand bei den EDD in Brüssel 16.10.2012 (Foto: European Development Days)
Die Ziele der Europäischen Entwicklungstage 2012: nachhaltiges Wachstum und NahrungsmittelsicherheitBild: European Development Days

Um nachhaltiges Wachstum zu erreichen, fokussiert sich die Entwicklungszusammenarbeit immer mehr auf die Zusammenarbeit mit privaten Firmen. Die Zusammenarbeit im privaten Sektor kann gerade im Bereich Lebensmittelknappheit viel Potential bieten. Private Firmen investierten längerfristiger in die Region und förderten die Wirtschaft vor Ort, so Asha Mohammed aus Kenia. Sie arbeitet für das Rote Kreuz - und hat vor allem nach der Dürre in Kenia 2011 sehr gute Erfahrungen mit dem privaten Firmen gemacht. "Im Nordosten Kenias haben wir mit der Firma Amiran zusammengearbeitet, die dort Treibhäuser vertreibt. Sie haben Wasserversorgungsanlagen installiert und Mitarbeiter von Schulen darin trainiert, in Gewächshäuser Tomaten, Spinat und anderes Gemüse anzubauen." Dadurch konnten Schulen weiter betrieben werden, da sie das Kantinenessen selbst anbauen konnten. Der Vorteil des privaten Sektors sei es, dass er nicht nur Geld und Expertise bringe, sondern auch ein ganz neues Netzwerk für die Region öffne, meint Joost Oorthuizen von der niederländischen "Sustainable Trade Initiative".

Dinka-Hirte mit Ochsen im Sudan. (Foto: Florian Schuh für Tierärzte ohne Grenzen)
Traditionelle Landwirtschaft im Sudan: Kann sie sich in Zukunft bewähren?Bild: Florian Schuh

Die neuen Herausforderungen

Doch es gibt auch negativere Stimmen dazu. José Maria Vera von der Hilfsorganisation Oxfam erzählt von seiner Erfahrung in Südamerika. In einer Gegend mit verschmutztem Trinkwasser siedelte sich eine private Firma an, die sich um sauberes Wasser kümmerte. Daraufhin wurde die Wasserqualität zwar exzellent - aber das Wasser zu teuer für die lokale Bevölkerung.

Die Entwicklungszusammenarbeit steht also vor der Herausforderung, solche Situationen zu verhindern - aber auf der anderen Seite trotzdem das Interesse privater Firmen zu gewinnen. Und die wollen vor allem Sicherheit: "Es muss sichergestellt werden, dass das Projekt von der lokalen Bevölkerung aufgenommen wird und weitergetragen wird" meint Sabine Dall'Omo, Finanzleiterin von Siemens in Südafrika. Denn für private Unternehmen zählt zunächst natürlich, ob Investitionen rentabel sind.

Um das Risiko für private Firmen zu mindern, bieten sich Partnerschaftsprojekte an, die sowohl von Entwicklungsinstitutionen als auch von privaten Firmen und der lokalen Bevölkerung vor Ort aufgebaut werden. Im Idealfall werden diese nicht nur zum Selbstläufer, sondern haben eine katalysierende Funktion und bewirken nachhaltiges Wachstum für die gesamte Bevölkerung.

European Developemnt Days in Brüssel, 16.10.; (Foto: European Development Days)
Bei Paneldiskussionen werden unterschiedlichste Sichtweisen deutlichBild: European Development Days

Am Ende wieder Einigkeit

Wie solche Projekte auszusehen haben - dazu kommen die Teilnehmer der Europäischen Entwicklungstage nicht unbedingt zu einer konkreten Übereinstimmung. Es wird viel diskutiert, was nicht ganz ohne Konflikte verläuft. Doch beim letzten Panel am Dienstagabend (16.10.2012) herrscht plötzlich wieder Einigkeit. Ekoko Mukete von der kamerunischen Handelskammer spielt einen Werbeclip ab. Darin zu sehen: düstere Straßenschlachten in Europa im Gegensatz zu Sonnenschein, Fußballstars, Musikbands, Models und euphorischer Aufbruchsstimmung in Afrika. Mukete meint: Statt das Glas halb leer zu sehen, sei es an der Zeit, die Potenziale Afrikas für Industrie, Entwicklung und kreative Projekte wahrzunehmen. Und genauso, wie sich alle bei der Eröffnungszeremonie einig waren, dass es machbar ist, eine Lösung für den Hunger zu finden, sind sich jetzt alle einig: Um die Entwicklungsziele zu erreichen, braucht es nachhaltiges Wachstum und Investitionen von Privatfirmen. Aber vor allem braucht es ein anderes Bild von Afrika.