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Politik

Im Flugzeug mit Nawalny

Nikita Batalov | Elena Barysheva
18. Januar 2021

Mit einer Maschine der russischen Fluggesellschaft Pobeda, zu Deutsch "Sieg", ist Alexej Nawalny von Berlin nach Moskau zurückgekehrt. Während des Flugs geschahen seltsame Dinge. Ein DW-Reporter war mit an Bord.

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Deutschland Berlin | Rückflug Alexej Nawalny
Alexej Nawalny mit seiner Frau Julia im FlugzeugBild: Mstyslav Chernov/AP Photo/picture alliance

Der Flug Berlin-Moskau war am 17. Januar alles andere als normal. Schon der Check-in deutete das an: Rund 100 Menschen warteten am Eingang zum Terminal 5 des Flughafens Berlin-Brandenburg, um sich von Alexej Nawalny zu verabschieden, der nach seinem mehrmonatigen Aufenthalt in Deutschland nach Moskau zurückzukehren wollte.

Es waren zwar vor allem Journalisten aus aller Welt, aber auch Aktivisten mit Plakaten, die sich dort postiert hatten. Auf einem der Schilder stand "Die Zeit der Diktatoren ist vorbei", auf anderen wurde Freiheit für Russland gefordert. Doch die Wartenden bekamen Nawalny gar nicht zu Gesicht. Der Oppositionspolitiker wurde direkt zum Flugsteig gebracht. 

Deutschland Berlin | Rückflug Alexej Nawalny
Alexej Nawalny mit seiner Frau Julia auf dem Weg zum FlugzeugBild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Überraschungen an Bord

Vor der Maschine standen zahlreiche Polizeifahrzeuge. Doch die Passagiere staunten noch mehr über die vielen Kameras und Reporter an Bord. Viele Mitreisende begannen zu munkeln, welch prominente Person wohl mitfliegen würde.

Als die Maschine schon voll, aber Nawalny immer noch nicht zu sehen war, begann ein junger Mann Flugbegleiter und Mitreisende zu beschimpfen. Er wurde schließlich widerstandslos aus der Maschine geführt, schimpfte aber weiter und nannte alles, was geschah, ein "absurdes Theater".

Erst nach diesem Vorfall kam Alexej Nawalny mit seiner Frau Julia an Bord. Einige Passagiere waren sichtlich überrascht, andere applaudierten, Kameras klickten. Mehrere kräftige Männer, die den Politiker begleiteten, inspizierten die Kabine. 

Nawalny musste sich zu seinem Platz mit der Nummer 13, den er als "glückbringend" bezeichnete, regelrecht durchkämpfen. Nach etwa zehn Minuten hatte er die Journalistenmenge passiert. Nawalny dankte ihnen nur kurz für ihr Kommen. Auf die Frage der DW, ob man ihn Moskau festnehmen werde, antwortete er: "Mich festnehmen? Das ist unmöglich!"

Pressekonferenz im Flugzeug

Kaum waren die Anschnallzeichen nach dem Start erloschen, stürmten die Reporter wieder zu Nawalny. Der Pilot musste sie schließlich zur Ordnung rufen, worauf sich einige wieder zurückzogen. Einige Passagiere zeigten sich verständnisvoll. "Es ist schön, dass Nawalny überlebt hat, dass er gesund und munter ist und mit uns nach Moskau fliegt. Sein Schicksal ist uns nicht egal. Das Flugzeug wird das schon aushalten", sagte uns ein junger Mann.

Als der Pilot ankündigte, die Maschine werde aus technischen Gründen nicht in Moskau-Wnukowo landen, wie ursprünglich geplant, sondern zum Flughafen Scheremetjewo umgeleitet, gab es Applaus und Beifallsrufe. Viele Passagiere bekundeten, dass dies "kein Zufall" sei. Das Flugzeug werde bewusst zu einem anderen Flughafen gelenkt, wo es keine Kundgebung gebe.

Was geschah unterdessen in Wnukowo?

Viele Menschen wollten den Leiter des Fonds zur Bekämpfung der Korruption (FBK), Alexej Nawalny, persönlich am Flughafen begrüßen. Fast 10.000 Teilnehmer hatten sich allein auf der offiziellen Seite zu diesem Ereignis angemeldet, das von Nawalnys Mitarbeitern in Moskau geplant worden war. Die Staatsanwaltschaft warnte umgehend vor einer Teilnahme an nicht genehmigten Veranstaltungen. Und der Flughafen Wnukowo erteilte Journalisten auch keine Drehgenehmigungen.

Nach Schätzungen von "White Counter", einer nicht kommerziellen russischen Vereinigung von Freiwilligen, die Teilnehmer bei Kundgebungen und Märschen zählen, waren rund 2000 Menschen nach Wnukowo gekommen - nicht nur aus Moskau, sondern auch aus anderen Regionen des Landes. Einige von Nawalnys Aktivisten konnten die Hauptstadt gar nicht erreichen, sie wurden schon in den Zügen festgenommen.

Russland Moskau | Flughafen Vnukovo | erwarteter Rückflug Alexej Nawalny
Russische Nationalgardisten im Flughafen WnukowoBild: REUTERS

Erwartet wurde die Maschine in Moskau um 19 Uhr. Bereits am Tag zuvor standen Gefangenentransporter am Flughafengebäude bereit. Am Ankunftstag wurde der Zugang zu den Terminals eingeschränkt, nur mit einem gültigen Flugticket kam man noch durch. Mehrere Personen, darunter der Schriftsteller Dmitri Bykow, sagten der DW, sie hätten extra dafür Tickets für Billigflüge gekauft.

Nawalny oder Busowa - es ist ein Unterschied

"Das ist ein historischer Moment. Nawalny kehrt nach einer Vergiftung und langwieriger Genesung nach Russland zurück. Ich bin gekommen, um ihn zu unterstützen", sagte Ruslan Schaweddinow, Mitarbeiter des von Nawalny gegründeten Fonds zur Bekämpfung der Korruption. Die russischen Behörden hätten tagelang Propaganda verbreitet, wonach es nicht erlaubt sei, Nawalny im Flughafen in Empfang zu nehmen. "Aber wir alle sind hier und alles verläuft ruhig und friedlich", sagte Schaweddinow nur wenige Minuten bevor er und die Aktivisten Konstantin Kotow und Ljubow Sobol festgenommen wurden. Nawalnys Bruder Oleg, der mit Schutzmaske neben den Festgenommenen saß, ließen die Polizisten in Ruhe. Offensichtlich hatten sie ihn nicht erkannt.

Spezialkräfte tauchten auf und nahmen weitere Personen fest. Manche der Festgenommenen hatten skandiert und Plakate hochgehalten, andere wurden ohne ersichtlichen Grund abgeführt. Insgesamt wurden laut OVD-Info, einem unabhängigen Medienprojekt, das Menschenrechtsverstöße und politische Verfolgung in Russland beleuchtet, 55 Personen in Wnukowo festgenommen, auch mit Gewalt. Eine Person wurde am Auge verletzt.

Eine Gruppe von Teenagern, die ebenfalls am Flughafen wartete, blieb dagegen unbehelligt. Es waren Fans der TV-Moderatorin und Sängerin Olga Busowa, die aus St. Petersburg eintraf. Die Polizei ging gegen die Jugendlichen und ihre Plakate nicht vor. Busowa sagte später, nur "drei Personen" hätten von ihrer Ankunft gewusst.  

Dass Nawalny gar nicht in Wnukowo landen würde, erfuhren die Aktivisten erst wenige Minuten vor der geplanten Landung. Die Maschine, deren Kurs im Internet verfolgt wurde, drehte plötzlich nach Norden ab und flog zum Flughafen Scheremetjewo.

Wie Nawalny festgenommen wurde

Unmittelbar nachdem Nawalny die Maschine verlassen hatte, hielt er eine spontane Pressekonferenz im Flughafengebäude ab. "Ich bin sehr glücklich, hier angekommen zu sein", sagte er vor einem Leuchtplakat, das den Kreml zeigte. "Dies ist mein bester Tag der vergangenen fünf Monate, obwohl Deutschland ein tolles Land ist. Hier ist mein Zuhause. Ich bin ohne Angst, weil ich weiß, dass ich im Recht bin. Die Strafverfahren gegen mich sind fabriziert."

Tatsächlich schien es zunächst auch so, als würde Nawalny gar nicht festgenommen werden. Doch unmittelbar nach der Passkontrolle, als er offiziell russischen Boden betrat, wurde der Politiker von Polizisten umzingelt und in einen geschlossenen Raum gebracht. Die russische Strafvollzugsbehörde meldete später, er sei wegen "mehrfacher Verstöße gegen die Bewährungsauflagen" festgenommen worden. Bevor Nawalny abgeführt wurde, konnte er sich kurz von seiner Frau Julia verabschieden.

Am Montag wurde er zu 30 Tagen Haft verurteilt, weil er mit seinem Aufenthalt in Deutschland gegen Meldeauflagen verstoßen habe, die im Zuge einer früheren Bewährungsstrafe verhängt worden waren.

Adaption aus dem Russischen: Markian Ostaptschuk