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Im Visier von Al-Kaida: Künstler Lars Vilks

4. Oktober 2021

Lars Vilks lebte unter Polizeischutz - weil er Mohammed als Hund dargestellt hatte. Nun ist der schwedische Zeichner bei einem Verkehrsunfall gestorben.

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Ein Porträt des Künstlers und Karikaturisten Lars Vilks
Lars VilksBild: Vesa Moilanen/dpa/picture alliance

Seit 2007 riskierte Lars Vilks sein Leben für seine Haltung zur Kunst- und Meinungsfreiheit. Der schwedische Kunstprofessor musste im Verborgenen leben, stets umgeben von Sicherheitsleuten. Auslöser dafür war eine von drei Zeichnungen, die den Propheten Mohammed als Hund darstellten, auf einer apportiert Mohammed einen Sprengstoffgürtel, auf einer anderen steht er als in Schweden typischer "Rondellhund" inmitten eines Kreisverkehrs .

Proteste in der islamischen Welt

Vilks hatte die Karikaturen für eine Ausstellung über Hunde in der Kunst vorgelegt. Mit seinen Zeichnungen habe er auf die "künstliche Zurückhaltung" von Künstlern vor religiösen Tabus hinweisen wollen, sagte Vilks damals. Die massiven Proteste in der islamischen Welt, die die Mohammed-Karikaturen in der dänischen Zeitung "Jyllands-Posten" im September 2005 ausgelöst hatten, waren noch nicht lange her. 

Lars Vilks zeigt ein Bild in die Kamera, auf dem zwei Frauen aus der Antike zu sehen sind
Lars Vilks 2015 in KopenhagenBild: Malcolm Brabant

Die Ausstellungsmacher zogen die Hundezeichnungen aus Angst vor islamistischem Terror zurück. Das wiederum löste Kritik im eigenen Land aus: Mehrere schwedische Zeitungen empörten sich über die "vorauseilende Selbstzensur". Sie veröffentlichten im August 2007 die Zeichnungen, allen voran die Regionalzeitung Nerikes Allehanda: in ihrem Leitartikel wurde betont, dass sie zwar das "Recht der Muslime auf Religionsfreiheit" respektiere, gleichzeitig hieß es aber, es müsse erlaubt sein, "die wichtigsten Symbole des Islam zu verspotten - genau wie die Symbole aller anderen Religionen". 

Spätestens jetzt wurden die Karikaturen international bekannt. Wieder war die islamische Welt in Aufruhr und protestierte empört gegen diese Zeichnungen. Viele Muslime betrachten bildliche Darstellungen ihres Propheten als Gotteslästerung und Hunde als unreine Tiere.

Islamisten beließen es nicht bei Kritik: Die Terrororganisation Al-Kaida setzte im September 2007 unter übelsten Drohungen (er sollte "wie ein Lamm abgeschlachtet werden") ein Kopfgeld von 150.000 Dollar auf Vilks aus. Der Schwede ließ sich nicht davon beeindrucken - er schaute sich gerade die Kasseler Kunstausstellung "documenta" an. Ob man denn auf Kopfgeld Steuern entrichten müsse, scherzte Vilks damals. Und: "Ich nehme an, das macht mein Kunstprojekt ein bisschen ernster." Es sei außerdem "nett, zu wissen, wie viel das eigene Leben wert" sei.

Kein Kuschen vor religiösen Tabus

Schweden Lars Vilks vor Gemälden
Lars Vilks bewahrte stets seine NervenBild: ZUMA Wire/imago images

Auch die französische Satirezeitschrift "Charlie Hebdo", auf die Anfang Januar 2015 ein Terroranschlag mit zwölf Toten verübt wird, zeigte wiederholt Zeichnungen von Lars Vilks. Der Künstler provozierte gerne: "Ich bin kein fanatischer Rassist, ich habe keine politische Haltung. Ich bin ein Künstler, der an die Grenzen geht", so Vilks. Wer eine wirkliche Debatte über Meinungsfreiheit und den Islam wolle, müsse provozieren, sagte er 2010 der Nachrichtenagentur AFP.

Seine Kritik zielte in alle Richtungen. Mehrfach ging Vilks auch mit der katholischen Kirche in Polen hart ins Gericht: Sie unterdrücke die künstlerische Freiheit.

Vilks wurde bereits mehrfach bedroht

Vilks wurde mehrfach das Ziel von Extremisten. Im Mai 2010 warfen zwei Männer Benzinflaschen durch ein Fenster in sein Haus, während einer Vorlesung an der Universität Uppsala wurde er von einem Zuschauer angegriffen und leicht verletzt. "Ich erhalte ständig Drohungen per Mail und Telefon", sagte er in einem Interview.

Dänemark Kopenhagen Das Schaufenster eines Gebäudes mit Einschusslöchern in der Glasfenstern
Hier fand die Debatte um Blasphemie und Meinungsfreiheit in Kopenhagen stattBild: AFP/Getty Images

Als Schwedens Hauptstadt Stockholm im Dezember 2010 nur knapp einem verheerenden Terroranschlag entging - mitten im Einkaufstrubel sprengte sich ein Selbstmordattentäter in die Luft, wie durch ein Wunder kam außer dem Attentäter niemand ums Leben - war zuvor eine Drohmail eingegangen. Darin wurde der Einsatz schwedischer Soldaten in Afghanistan verurteilt - und "das Schweigen des schwedischen Volkes" zur Mohammed-Karikatur von Vilks.

Im Januar 2014 wurde in den USA die zum Islam konvertierte Colleen LaRose alias "Dschihad Jane"zu zehn Jahren Haft verurteilt, weil sie zusammen mit islamistischen Verschwörern Vilks töten wollte. Das Mordkomplott wurde nie ausgeführt.

Am 14. Februar 2015 war der Karikaturist in Dänemarks Hauptstadt Kopenhagen Ziel eines Anschlags während einer Diskussionsrunde zu Blasphemie und Meinungsfreiheit im Café Krudttønden, zu deutsch "Pulverfass". Ein Attentäter schoss von außen ins Café, tötete den Filmemacher Finn Nørgaard und verletzte drei Polizisten. Vilks traf er nicht. 

Vilks hatte stets starke Nerven bewiesen. "Ich versuche, gelassen zu bleiben. Das Gute ist, dass die Leute, die bisher hinter mir her waren, Amateure sind," sagte er 2015 in einem Interview mit der Nachrichtenagentur AFP. Und machte klar, dass er so weiter machen wollte wie bisher.

Schweden Kullaberg - Treibholzskulpturen von Lars Vilks, große Türme aus Treibholz ragen in den blauen Himmel, im Hintergrund das Meer
"Nimis" zieren seit 1980 die Küste der Halbinsel KullabergBild: Michael Riehle/HB- Verlag/picture-alliance

Provokateur und Künstler

Schon früh bewies Lars Vilks, wie trotzig und unbequem er sein konnte. In Schweden war er längst bekannt als der provokante Künstler, der ohne Genehmigung gigantische Treibholztürme in die Natur baute. Mit den schwedischen Behörden spielte er jahrelang Katz und Maus. Und er hatte sich vorgenommen, die Geschichte der Kunst neu zu schreiben. 

1980 - er war gerade Mitte 30 -  begann er damit, an einem abgelegenen Strand der Halbinsel Kullaberg riesige Skulpturen aus Treibholz zusammenzunageln - die "Nimis". Die Holzkonstruktionen und die benachbarte Installation "Arx" aus Steinen erklärte der Künstler zum unabhängigen Staat "Ladonia" - sehr zum Ärgernis des Grundbesitzers - ausgerechnet einer Kulturstiftung. Es folgte ein jahrelanger Rechtsstreit. Um nicht zum Abbau gezwungen zu werden, wandte Vilks einen Trick an: Er verkaufte "Nimis" 1986 an seinen Freund Joseph Beuys. Und schließlich gelangte "Nimis" aus dem Nachlass von Beuys in den Besitz des Verpackungskünstlers Christo.

Ein Mann mit langem Atem

Inzwischen sind riesige und tonnenschwere Gebilde aus den Skulpturen geworden, die bis heute viele Touristen in die südschwedische Region locken. Ein mehr als 40 Jahre altes Kunstwerk - das ist ganz im Sinne des Künstlers. In einem Interview bezeichnete er sich mal als "Langsamstarter", "dessen Stärke darin liegt, langwierige Großprojekte zu vollenden". Auch die Jugend des 1946 geborenen Künstlers verlief nicht gradlinig, eigentlich wollte er Astronom werden. Über viele Umwege landete er bei der Kunstgeschichte, begeisterte sich für Schach und Yoga. Vilks hat mehrere Bücher geschrieben und betrieb seit 2005 bis zuletzt ein Blog mit inzwischen über 3000 Einträgen.

Schweden trauert um den Künstler, den Freigeist, den komischen Kauz, den Provokateur und den Mann, der sich nicht von Terrordrohungen fürchtete. Der Zusammenstoß mit einem LKW auf der Autobahn in der Nähe von Markaryd im Süden Schwedens wird von den örtlichen Behörden erst mal wie ein tragischer Verkehrsunfall behandelt. Von einem Attentat wird zur Zeit nicht ausgegangen.

Wuensch Silke Kommentarbild App
Silke Wünsch Redakteurin, Autorin und Reporterin bei Culture Online