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Löhne driften weiter auseinander

18. März 2015

Mehr Geld für Besserverdienende, und weniger für Geringverdiener – die Lohnschere klafft immer weiter auseinander. Der Grund ist laut einer neuen Studie die sinkende Tarifbindung in der deutschen Wirtschaft.

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Eine Hand mit wenig Geld, eine andere mit mehr Geld (Foto: DW MiG)
Bild: DW

Die Wirtschaft wächst, die Arbeitslosigkeit ist niedrig. Doch nicht alle Beschäftigte in Deutschland profitieren gleichermaßen von der Entwicklung. Gerade den Schlechterverdienenden bleibt heute weniger Lohn und Gehalt in der Tasche, als noch vor 20 Jahren. So ging das Lohnniveau im unteren Fünftel seit Mitte der 1990er Jahre um zwei Prozent zurück. Die Reallöhne im oberen Fünftel dagegen stiegen im selben Zeitraum um 2,5 Prozent. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie der Bertelsmann-Stiftung und des ifo-Instituts. Die Autoren stützen sich vor allem auf Facherhebungen der Bundesagentur für Arbeit (BA).

Damit stieg die Lohnungleichheit in der Bundesrepublik in den vergangenen 20 Jahren schneller an als in den USA und Großbritannien, die traditionell für eine eher ausgeprägte soziale Ungleichheit bekannt sind.

Nur noch 35 Prozent Tarifbindung

Der Ursache für die wachsenden Lohnunterschiede ist nach die Analyse der Autoren, ist die allgemein nachlassende Tarifbindung in Deutschland. Diese sei zu "zu mehr als 40 Prozent" für die zunehmende Polarisierung im deutschen Lohngefüge verantwortlich, heißt es. So haben sich der Studie zufolge seit Mitte der 1990er-Jahre immer mehr Unternehmen aus der Tarifbindung verabschiedet. Vor 20 Jahren waren 60 Prozent dabei, jetzt sind es nur noch 35 Prozent. Bei den Mitarbeitern sank der Anteil im selben Zeitraum nicht ganz so dramatisch um 20 Prozentpunkte. 62 Prozent der Beschäftigten sind noch im Tarif. Wenn Gewerkschaften nicht mehr für gute Löhne kämpfen könnten, treffe das die unteren Lohngruppen besonders hart, so die Studie.

Viele Arbeitsplätze im Niedriglohnsektor

Den Hauptgrund für die nachlassende Tarifbindung sieht die Analyse der Bertelsmann-Stiftung und des ifo-Institut in den Veränderungen am Arbeitsmarkt. Neue Arbeitsplätze seien vor allem durch flexiblere Bezahlung im Niedriglohnsektor entstanden. Laut Statistischem Bundesamt waren 2006 rund 19 Prozent im unteren Lohnbereich beschäftigt, 2010 waren es fast zwei Prozentpunkte mehr.

Mit den Ergebnissen treten die Autoren der Studie nach eigenen Angaben vor allem der These entgegen, die Globalisierung sei für die größer werdende Lohnschere hauptverantwortlich. Verstärkter internationaler Handel spiele mit einem Anteil von 15 Prozent eine deutlich geringere Rolle bei der Entwicklung als die sinkende Tarifbindung, erklärten sie. Exportorientierte Firmen zahlten prinzipiell höhere Bruttolöhne als Unternehmen, die nur den heimischen Markt bedienten.

Mindestlohn nur als erster Schritt

Die Bertelsmann-Stiftung verband die Veröffentlichung der Analyse mit einem Appell an die Politik, über weitere "staatlich flankierende Maßnahmen" nachzudenken, um ein Absinken des Lohnniveaus im unteren Einkommensbereich auf immer neue Tiefstände zu verhindern. Auch nach der Einführung des Mindestlohns bestehe weiter Handlungsbedarf. Andernfalls seien vor allem Langzeitarbeitslosigkeit, Altersarmut und mangelnde Aufstiegsmöglichkeiten aus atypischer Beschäftigung Treiber wachsender sozialer Ungleichheit.

cw/cr (dpa, afp, rtr, epd)