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Immer mehr Bundeswehrsoldaten traumatisiert

15. April 2016

Der Anblick von blutenden Opfern eines Massakers oder Explosionen in nächster Nähe - solche Erlebnisse können posttraumatische Belastungsstörungen auslösen. Jedes Jahr brauchen hunderte deutscher Soldaten deshalb Hilfe.

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Deutscher Soldat in Afghanistan (Archivbild: dpa)
Unsichtbare Wunden: Deutscher Soldat in Afghanistan (Archivbild)Bild: picture-alliance/dpa/M. Gambarini

Die Zahl der Bundeswehrsoldaten, die nach einem Auslandseinsatz wegen posttraumatischer Belastungsstörungen (PTBS) eine Behandlung benötigen, ist deutlich gestiegen. Im vergangenen Jahr brauchten 235 Soldaten professionelle Hilfe; 2014 waren es 204. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion hervor, über die zuerst die "Rheinische Post" berichtete.

Das Verteidigungsministerium ist durch den Anstieg um 15 Prozent im Jahresvergleich nicht beunruhigt: "Wir führen das auf die verbesserte Sensibilisierung der Soldaten für das Problem zurück und auf unsere Kampagne für eine Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen", erklärte ein Sprecher.

"Von der Bundeswehr allein gelassen"

Ganz anders sieht das die Grünen-Verteidigungsexpertin Agnieszka Brugger: "Es ist sehr besorgniserregend, dass immer mehr Soldatinnen und Soldaten seelisch verwundet aus dem Einsatz zurückkehren", sagte sie. "Dass die Bundeswehr sie dann noch bis zu einem halben Jahr mit ihren seelischen Verwundungen alleine lässt, ist absolut nicht akzeptabel", so Brugger.

Die durchschnittliche Wartezeit für eine Behandlung liegt laut "Rheinischer Post" zwischen drei und sechs Monaten. Linken-Verteidigungsexpertin Katrin Kunert nannte den Umgang mit PTBS-Opfern beschämend. Sie kritisierte, dass die Bundeswehr die Fallzahlen keinen konkreten Einsätzen mehr zuordne - obwohl diese Statistiken noch vor fünf Jahren erhoben worden seien.

Afghanistan-Rückkehrer am stärksten betroffen

Die posttraumatische Belastungsstörung ist eine psychische Erkrankung. Sie wird durch traumatische Ereignisse wie Gewaltverbrechen, Kriegshandlungen oder Naturkatastrophen ausgelöst, denen sich die Betroffenen hilflos ausgeliefert fühlen. Unter den deutschen Soldaten, die wegen PTBS ärztliche Hilfe suchen, bilden die Afghanistan-Rückkehrer seit Jahren die größte Gruppe.

Im Jahr 2014 befanden sich im Durchschnitt 3750 Bundeswehrangehörige in Auslandseinsätzen. Im vergangenen Jahr waren es nach Angaben des Einsatzführungskommandos 2830 Soldaten. Laut Verteidigungsministerium müssen die Soldaten als Teil der ärztlichen Untersuchung vor und nach einem Auslandseinsatz einen psychiatrischen Fragebogen ausfüllen, der auch Fragen zu möglichen PTBS-Symptomen enthält. Fachleute haben in der Vergangenheit mehrfach vor einer hohen Dunkelziffer bei posttraumatischen Belastungsstörungen unter Soldaten gewarnt. Sind die Betroffenen nicht mehr arbeitsfähig, droht in vielen Fällen zudem eine Versorgungslücke.

jj/rb (dpa, afp, epd)