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Immer mehr Warnungen vor Unterwanderung der Bauernproteste

6. Januar 2024

Nach Agrarminister Cem Özdemir befürchten einem Medienbericht zufolge auch deutsche Sicherheitsbehörden, dass die Bauernproteste gegen Subventionskürzungen von Rechtsextremisten unterwandert werden könnten.

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Deutschland, Günzburg in  Bayern: Landwirte protestieren mit hunderten Traktoren
Landwirte protestieren mit hunderten Traktoren in Günzburg in Bayern gegen die RegierungspläneBild: Stefan Puchner/dpa/picture alliance

Im Zusammenhang mit den geplanten Bauernprotesten in der nächsten Woche beobachten deutsche Sicherheitsbehörden einem Bericht zufolge diverse Mobilisierungsaufrufe und Solidaritätsbekundungen von Rechtsextremisten, Gruppierungen der Neuen Rechten und der Querdenker-Szene. Die "Welt am Sonntag" berichtet, dies habe eine Abfrage beim Bundeskriminalamt (BKA), dem Bundesamt für Verfassungsschutz und den Verfassungsschutzbehörden der Länder ergeben. Die Aufrufe seien besonders in Online-Netzwerken veröffentlicht worden.

Das BKA registrierte demnach zahlreiche Mobilisierungsaufrufe. Darunter seien Aufrufe für einen "Generalstreik" und "Umsturzrandale" sowie für eine "Unterwanderung" der Demonstrationen. Die rechtsextremistische Partei "Der III. Weg" spreche laut Polizei von einem möglichen Bauernaufstand. Mitglieder und Funktionäre der rechtsgerichteten Partei Alternative für Deutschland (AfD) würden als Veranstaltungsanmelder fungieren oder seien als Redner vorgesehen. Einen Aufruf gebe es auch von der neurechten Initiative "Ein Prozent".

Aus den Sicherheitsbehörden hieß es auf Nachfrage der Zeitung, der Bauernprotest sei schwer einzuschätzen. Auf der einen Seite seien Landwirte mit einem legitimen Anliegen und auf der anderen Seite Extremisten, die diesen Protest unterwandern wollten. Zugleich sehe das BKA für die Bauernproteste und deren Veranstalter selbst keine "gefährdungsrelevanten Erkenntnisse".

Bauernverband distanziert sich

Vertreter der Bauernverbände hatten sich wiederholt von gewaltsamen Aktionen und extremistischen Vorgehensweisen distanziert. Am Donnerstag hatten Polizeiangaben zufolge 250 bis 300 Bauern aus Protest gegen die geplante Streichung von Subventionen für die Landwirtschaft einen Fähranleger im schleswig-holsteinischen Schlüttsiel blockiert und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck am Verlassen eines Schiffs gehindert. Der Grünen-Politiker blieb aus Sicherheitsgründen auf der Fähre und fuhr zurück zur Hallig Hooge, wo er Urlaub gemacht hatte. Erst bei einem zweiten Versuch konnte die Fähre Habeck ans Festland bringen. Die Aktion sorgte parteiübergreifend für scharfe Kritik. Die Staatsanwaltschaft Flensburg ermittelt wegen Nötigung und Landfriedensbruchs.

Auch Bundesagrarminister Cem Özdemir warnte vor einer Unterwanderung der Bauernproteste durch Extremisten. "Leute von ganz rechts außen" versuchten, die legitimen Bauernproteste für sich zu nutzen, sagte Özdemir am Freitag im Zweiten Deutschen Fernsehen. "Die haben Umsturzfantasien", betonte der Grünen-Politiker. Es sei ein Kernstück der liberalen Demokratie, einander zuzuhören und Gewalt abzulehnen - "sonst verrottet hier was".

Gruppe von Bauern hindetn Minister Habeck (hier nicht erkennbar) am Verlassen einer Fähre
Eine aufgebrachte Menschenmenge hätte beinahe die Fähre mit Minister Habeck gestürmtBild: picture alliance/dpa/WestküstenNews

Bundesregierung rudert zurück

Zuvor hatte die Bundesregierung mitgeteilt, sie nehme einen Teil ihrer Kürzungspläne im Agrarbereich zurück. Demnach bleibt die Begünstigung bei der Kraftfahrzeugsteuer für die Forst- und Landwirtschaft anders als zunächst geplant erhalten, zudem soll die Abschaffung der Steuerbegünstigung beim sogenannten Agrardiesel erst bis 2026 vollständig erfolgen. Die Landwirte halten das für unzureichend.

"Die beiden Maßnahmen zusammen, Kfz-Steuerbefreiung streichen und Diesel-Privileg abschaffen, waren zu viel. Wir haben das korrigiert", sagte Özdemir im Fernsehen. Er verstehe, dass das manchen immer noch nicht reiche, es handele sich aber um "eine faire Maßnahme". Die Bundesregierung habe den Bauern zugehört und reagiert, so der Minister. Es gehe nicht, dass manche jetzt drohten, Gewalt anzuwenden, um die Politik unter Druck zu setzen. "Wir sind nicht erpressbar", betonte Özdemir.

Bundesagrarminister Cem Özdemir (rechts) spricht bei einer Kundgebung in ein Mikrofon, links dahinter Joachim Rukwied, Präsident des Bauernverbands
Bundesagrarminister Cem Özdemir (rechts) bei einer Kundgebung mit dem Präsidenten des Bauernverbands, Joachim Rukwied, am 18. Dezember 2023 in BerlinBild: Fabian Sommer/dpa/picture alliance

Steinmeier besorgt über soziales Klima

Derweil zeigte sich auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erschüttert über die Blockadeaktion beim Anlegen einer Fähre mit Vizekanzler Habeck. "Zu sehen, wie ein Minister auf einer privaten Reise von einer aggressiven Menschenmenge eingeschüchtert wird und sich nach Bedrohungen in Sicherheit begeben musste, hat viele in unserem Land schockiert, auch mich", sagte Steinmeier der "Bild"-Zeitung. "Das dürfen wir nicht hinnehmen", forderte der Bundespräsident.

Steinmeier zeigte sich generell besorgt über das gesellschaftliche Klima in Deutschland. Die Landwirte forderte er auf, friedlich zu demonstrieren und die Gesetze einzuhalten. "Kritik an der Regierung ist legitim. Aufrufe zu Hass und Gewalt überschreiten jedoch die Grenze dessen, was gerechtfertigt ist", sagte der Präsident. "Wer so handelt, verletzt die Grundregeln unserer Demokratie und schadet damit seiner eigenen Sache."

Bundeskongress der Gewerkschaft der Polizei (GdP), der Bundesvorsitzende der GdP, Jochen Kopelke, hält eine Rede
Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jochen Kopelke (Archivbild)Bild: Wolfgang Kumm/dpa/picture alliance

Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Jochen Kopelke, warnte mit Blick auf die vom Bauernverband angekündigte Aktionswoche vor einer Eskalation. Protest gehöre in der Demokratie dazu, "aber was nicht geht, sind Angriffe auf Andersdenkende und auf Politiker", mahnte Kopelke. Die Politik rief er auf, dass sie der Polizei "endlich die Mittel zur Verfügung stellt, die sie braucht, um Gewalttäter aus den Demonstrationen zu entfernen". Zudem sollten sich die demokratischen Parteien stärker darauf konzentrieren, "wie sie das weitere Erstarken rechtsextremer Parteien stoppen können".

kle/sti (afp, dpa, rtr)