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In Brasilien Häftlinge enthauptet

Jan D. Walter8. Januar 2014

In Brasilien ist ein Video mit enthaupteten Häftlingen aufgetaucht. Die Ermordeten sind offenbar drei von mehr als 60 Todesopfern einer Häftlingsfehde im Bundesstaat Maranhão. Amnesty fordert ein Eingreifen der Behörden.

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Ein überfülltes Gefängnis in Bahia (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

In Brasilien haben Häftlinge einem Medienbericht zufolge die verstümmelten Leichen von drei Mitinsassen gefilmt. Anscheinend wurden die Männer von Mitgliedern einer verfeindeten Häftlingsgruppe gefoltert und enthauptet. Die Tageszeitung "Folha de São Paulo" veröffentlichte einen Auszug des Videos, das offenbar Mitte Dezember aufgenommen wurde. Das Blatt berichtet, Insassen hätten das Video zunächst der Gewerkschaft der Gefängniswärter übergeben, die es dann an die Tageszeitung weiterleitete. Die Behörden haben eine Prüfung der Echtheit der Handy-Aufnahmen angekündigt.

Berüchtigtes Gefängnis

Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Amnesty International Brasilien (AIB) fielen dem Bandenzwist in der Haftanstalt Pedrinhas in São Luís, der Hauptstadt des nordöstlichen Bundesstaats Maranhão, 2013 60 Häftlinge zum Opfer. Allein bei einem Aufstand Mitte Oktober 2013 wurden 13 Menschen getötet. Und seit 2007 wurden laut AIB in demselben Gefängnis insgesamt 150 Menschen Opfer von Gewaltverbrechen. Auch hätten dort mehrfach Insassen Besucherinnen gezwungen, sich vergewaltigen zu lassen, indem sie deren inhaftierte Verwandte mit dem Tode bedrohten.

Zuletzt wurden vergangene Woche zwei Leichen in dem Gefängnis entdeckt. Als Reaktion auf eine Verschärfung der Sicherheitsmaßnahmen reagierten die Verbrecherbanden mit Brandanschlägen auf Linienbusse in der Hauptstadt des Bundesstaats. Dabei kam ein Mädchen ums Leben, vier Personen wurden verletzt. Auch nach dem Aufstand im Oktober hatten sieben Busse gebrannt.

Gefangene hinter Gittern (Foto: picture-alliance/dpa)
In Brasilien kommen 1,8 Häftlinge auf einen Gefängnisplatz. Hier ein Gefängnis in Salvador da BahiaBild: picture-alliance/dpa

Mittlerweile sind laut Justizministerium 22 Gefangene aus Pedrinhas in eine andere Haftanstalt überführt worden. Experten sehen darin jedoch eher eine Verlagerung als eine Lösung des Problems.

Überfüllte Gefängnisse

Während offizielle Quellen die Vorfälle in Pedrinhas als Ausnahme bezeichnen, kritisieren Menschenrechtsorganisationen seit Jahren die Zustände in brasilianischen Gefängnissen. AIB etwa verlangt, dass der Staat für die Sicherheit seiner Gefangenen sorgt.

Schwierig ist das unter anderem wegen der notorischen Überfüllung der Haftanstalten. Die Anstalt in Pedrinhas ist für maximal 1700 Häftlinge ausgelegt, dennoch sitzen dort 1,5-mal so viele Gefangene ein, nämlich 2500. Im nationalen Mittel ist dieses Verhältnis noch höher: Auf die 310 000 Plätze in den Gefängnissen des Landes kommen rund 550 000 Gefangene - also das 1,8-Fache der vorgesehenen Zahl.

Weiße Holzkreuze mit Namen darauf vor einem SChulgebäude (Foto: Nelson Almeida/AFP/Getty Images)
Kreuze erinnern vor einer Schule an die Toten des Aufstands im Gefängnis Carandiru 1992Bild: NELSON ALMEIDA/AFP/Getty Images

Gründe für die massive Überfüllung sieht AIB-Chef Atila Roque unter anderem in den gesetzlichen Regelungen: "Im brasilianischen Strafrecht ist Gefängnis praktisch die einzige vorgesehene Strafmaßnahme." Aber auch die Justiz trage eine Mitschuld, weil sie mit den Verhandlungen nicht nachkomme: "40 Prozent der Häftlinge in Brasilien sitzen in Untersuchungshaft - viele von ihnen länger als ihre gesamte Strafe wäre."

Gewalt gegen Häftlinge

Meldungen über Morde in brasilianischen Gefängnissen sind keine Seltenheit. Allerdings geht die Gewalt nicht immer von Häftlingen aus. "Seit 1992 sind in Brasilien pro Jahr 40 Häftlinge durch die Gewaltanwendung von Beamten gestorben", sagt Bruno Shimizu, Leiter der Arbeitsgruppe Strafvollzug im Bundesstaat São Paulo. In jenem Jahr 1992 ereignete sich im berüchtigten Gefängnis Carandiru in São Paulo die bisher größte Tragödie in einem brasilianischen Gefängnis: Polizisten töteten bei einem Aufstand 111 Häftlinge.

(dpa, Folha de Sao Paulo, Globo, dw)