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In Cancun sind Kompromisse nötig

Karl Zawadzky5. September 2003

Die WTO muss auf ihrer Tagung in Cancun (10. bis 14.9.) Kompromisse finden, die lange verschoben wurden. Agrarsubventionen und der Handel mit Dienstleistungen stehen im Mittelpunkt.

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Fette Kühe in Europa, arme Bauern in Afrika

Die Landwirtschaft wird bei der Ministertagung der Welthandelsorganisation WTO (World Trade Organization) im September 2003 in Cancun eines der wichtigsten Themen sein. Der europäische Beitrag zum Fortschritt der Verhandlungen ist der Beschluss, EU-Agrarsubventionen von der Produktion abzukoppeln. Noch machen Exporte von subventionierten Agrarerzeugnissen den Entwicklungsländern auf dem Weltmarkt Konkurrenz. Daher sieht EU-Handelskommisar Pascal Lamy insbesondere die USA, Australien und Kanada in der Pflicht, sich dem EU-Beschluss anzuschließen.

Erste Ergebnisse der Verhandlungen sollen auf der Ministertagung der 145 Mitgliedsländer der WTO in Mexiko vom 10. bis 14. September 2003 vorgestellt werden, allerdings sind substanzielle Fortschritte bei den Beratungen auf Beamtenebene in der WTO-Zentrale in Genf bisher nicht erzielt worden. Einigkeit herrscht in der Erkenntnis, dass einzig eine Marktöffnung für Agrarerzeugnisse zum Erfolg der im November 2001 in Doha gestarteten Liberalisierungsrunde zur Unterstützung der Entwicklungsländer führen kann.

Liberalisierung des Handels mit Dienstleistungen

Ein Gewinn für die Industriestaaten wäre zudem der Abschluss eines Liberalisierungsabkommens über den Handel mit Dienstleistungen, Kommunikation und medizinischen Leistungen (GATS-Abkommen). Auch Kultur- und Bildungsangebote fallen unter den Begriff der Dienstleistung. Besonders lukrativ ist das Dienstleistungsgewerbe in den Industriestaaten, die 60 bis 70 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts in dieser Form erwirtschaften und zwei Drittel der Arbeitnehmer beschäftigen.

Ein Gewinn für die Entwicklungsländer wiederum wäre die Öffnung industriestaatlicher Agrarmärkte und der Abbau der Subventionen für die Landwirtschaft. Die Subventionen verschlingen jährlich rund 300 Milliarden Dollar, sperren Märkte ab, auf denen Entwicklungsländer starke Anbieter sein könnten, und machen zudem den Bauern der armen Länder oftmals sogar auf den Heimatmärkten Konkurrenz.

EU will Agrarzölle für ärmste Länder abschaffen

Der WTO-Verhandlungsführer in Agrarfragen, Stuart Harbinson, hat bisher nicht zwischen den unterschiedlichen Positionen vermitteln können. Denn die in der WTO mehrheitlich vertretenen Entwicklungsländer machen Zugeständnisse bei der Marktöffnung für Dienstleistungen und beim Schutz des geistigen Eigentums von einem verbesserten Zugang zu den Agarmärkten der Industriestaaten abhängig.

Um noch vor dem Ministertreffen in Cancun den Verhandlungsstillstand zu überwinden, bietet die EU innerhalb der nächsten zehn Jahre eine Verminderung der Importzölle um 36 Prozent an. Weiterhin sollen Exportbeihilfen um 45 Prozent und Stützungszahlungen für EU-Landwirte um 55 Prozent gekürzt werden. Für Agrarprodukte der ärmsten Länder sollen Zölle und Mengenbeschränkungen ganz abgeschafft werden.

EU und USA mit unterschiedlicher Praxis

Für Europäer ist das beachtlich, für Amerikaner und die großen Agrarexporteure der Cairns-Gruppe - vor allem Australien, Kanada und Argentinien – allerdings noch zu wenig. Doch die Strategie ist durchschaut: Unter Führung der Amerikaner verlangt die nach der australischen Stadt benannten Cairns-Gruppe von Europa eine viel weitergehende Marktöffnung, denn das stimmt die Entwicklungsländer US-freundlich und lenkt von den eigenen Handelsbarrieren und Agrarsubventionen ab.

Der Aktionsplan der USA sieht direkte Subventionen und die Förderung ihrer Agrarexporte vor. Außerdem verschenken sie aus dem amerikanischen Markt gekaufte Nahrungsmittel in Katastrophen- und Hungerländer der so genannten Dritten Welt. Die EU dagegen kauft in großem Umfang in Entwicklungsländern ein, was sie im Rahmen der Katastrophen- und Nahrungsmittelhilfe zur Verfügung stellt. Unter entwicklungspolitischen Gesichtspunkten ist die Praxis der EU der amerikanischen Methode eindeutig überlegen.

Japan als Nutznießer

Den amerikanisch-europäischen Streit nutzt Japan als Schutzschild, um die eigenen Einfuhrzölle auf Agrarprodukte von im Durchschnitt mehr als 90 Prozent zu verdecken. Ein Abbau dieser Zölle würde vor allem die mehr als zwei Millionen japanischen Reisbauern treffen, von denen viele im Nebenerwerb in der Landwirtschaft tätig sind. Die sozialpolitisch wichtige Rolle des Reisanbaus in Japan als Auffangbecken für Arbeitslose veranlasst Japan, Reisimporte mit Aufschlägen von bis zu 500 Prozent abzuweisen und auf den Importstatus von rund zwei Dritteln der im Land konsumierten Lebensmittel hinzuweisen.

Die Handelsdiplomaten haben bisher in der Genfer WTO-Zentrale keine effektiven Annäherungen ihrer Standpunkte erreicht und so die Probleme vertagt und verschoben - auf eben jenes Treffen In Cancun. Dann allerdings sind die dringend nötigen Kompromisse fällig, die zu erlangen so schwierig sein wird, dass die Minister sicher nicht in den Genuss der touristischen Reize der Ferieninsel im Golf von Mexiko kommen werden.