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GesellschaftNahost

Hebräisch-Boom in den Golfstaaten

Judit Neurink
14. März 2021

Die Beziehungen der Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain zu Israel sollen sich normalisieren. Nun wollen dort immer mehr Menschen Hebräisch lernen. Auch weil es zunehmend Israelis in die arabischen Länder zieht.

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Vereinigte Arabische Emirate | Dubai | Skyline
Die Skyline von Dubai: 60.000 Israelis besuchten die Vereinigten Arabischen Emirate im Dezember 2020Bild: Kamran Jebreili/AP/dpa/picture alliance

Aus Neugier wollte May al-Badi Hebräisch lernen. "Ich wollte etwas lernen, dass es hier nicht gibt", sagt die junge Frau aus dem arabischen Emirat Dubai, das als Teil der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) bis vor Kurzem keine formellen Beziehungen zu Israel hatte. "Die Sprache fasziniert mich, seit ich mich in den USA mit Juden angefreundet habe", erzählt Al-Badi. Aber der Hauptgrund, aus dem sie letztlich einen Online-Kurs begonnen habe, seien jüdische Freunde, die sie in Dubai kennengelernt hat. Die Auswanderer luden sie nach Hause zum Essen ein, mit dem Juden am Freitagabend den Beginn des Sabbats feiern.

Das ist ein Jahr her. Das Jahr 2019 hatten die Emirate offiziell zum Jahr der Toleranz erklärt. Daraufhin äußerte die kleine jüdische Gemeinschaft dort den Plan, eine Synagoge in den VAE zu errichten. Seit das Land im September 2020 die Abraham Accords Declaration, eine Erklärung zur Normalisierung der Beziehungen der VAE und Bahrains mit Israel, unterzeichnet hat, sind Tausende israelische Geschäftsleute nach Dubai gekommen. Hotels haben sich an ihre speziellen Wünsche angepasst und bieten nun koscheres Essen an. Große Abendessen zum Sabbat-Beginn werden teils für 200 Personen ausgerichtet.

Zu dieser Zeit schoss die Nachfrage nach Hebräisch-Kursen in die Höhe, sagt Josh Samet vom Educational Hebrew Institute (EHI), einer Sprachschule mit Niederlassungen in Dubai und Abu Dhabi: "Früher habe ich vor allem Minister und Ausländer unterrichtet, und plötzlich kam dieser riesige Andrang."

Nachfrage von allen Seiten

Sein Institut hat nun mehrere Hundert Schüler, die meisten sind Anfänger, einige wenige sind Fortgeschrittene. Sie kommen aus allen Bereichen der Gesellschaft: Studenten, die in Israel studieren wollen, Geschäftsleute, Ärzte, Juristen, Touristenführer und sogar Mitglieder einer königlichen Familie, sagt Samet. "Außerdem sind nun alle Nationalitäten dabei, früher waren es vor allem chinesische und koreanische Geschäftsleute."

Golfstaaten | hebräische Sprache | EHI
Menschen aus vielen Ländern wollen im EHI in Dubai Hebräisch lernenBild: EHI

Samet bietet Online-Kurse und Unterricht via Zoom mit Lehrern in Israel an, aber auch Stunden im Institut oder in den Räumlichkeiten von Unternehmen und der Regierung gibt es. Natürlich sei alles nach den Corona-Vorschriften ausgerichtet, beeilt er sich zu betonen: "Manche Leute ziehen es weiter vor, von Angesicht zu Angesicht unterrichtet zu werden."

Im Königreich Bahrain, das dasselbe Abkommen unterzeichnet hat, bietet Samet bisher nur Online-Kurse an. Aber auch in anderen Golfstaaten wächst das Interesse - zum Beispiel in Saudi-Arabien. Und das, nachdem in den meisten arabischen Ländern seit der Gründung Israels 1948 alles, was das Land betraf, ein Tabu war.

Geschäftliche Interessen

Die Nachfrage resultiert aus den Geschäftschancen, die die diplomatische Annäherung an Israel eröffnet, und aus der großen Zahl Israelis, die man in den VAE erwartet: Kürzlich, sagt Samet, hätten ihn die Behörden von Abu Dhabi beauftragt, Informationsmaterial zu den COVID-19-Impfungen ins Hebräische zu übersetzen.

Golfstaaten | hebräische Sprache | EHI | Rabbi Chaim Danzinger
Rabbi Chaim Danzinger mit seinen Söhnen in der arabischen Tracht, die er in Dubai erworben hatBild: Privat

Viele Juden berichten, dass sie auf den Straßen der VAE bereits auf Hebräisch angesprochen wurden. Rabbi Chaim Danzinger aus dem südrussischen Rostov etwa, erzählt, wie ihm ein Ladenbesitzer "Chaver, ma nishma" - "Mein, Freund, wie geht es Dir" - zurief. Daraufhin habe er das Geschäft für traditionelle Kleidung auf einen Plausch betreten. Der Verkäufer habe sogar über den anstehenden jüdischen Feiertag Purim Bescheid gewusst und ihm Kleidung für diesen Anlass verkauft. "Tragen Sie es als Zeichen der Solidarität und der Feier für den Friedensvertrag zwischen den VAE und Israel", habe er ihm gesagt.

Ein herzliches Willkommen für Israelis

Im vergangenen Dezember kamen rund 60.000 Israelis in die VAE. Dann versiegte der Fluss wegen Lockdown-Maßnahmen. Obwohl sich die meisten Besucher tadellos verhalten, äußern sich die dort lebenden Juden besorgt über das Fehlverhalten einiger weniger. Die meisten Einwohner der Emirate sind weiterhin sehr konservativ: Alkohol wird toleriert, aber nicht auf den Straßen, Trunkenheit ist tabu. Einige israelische Rowdys wurden bereits festgenommen, und es gibt Überlegungen, Einreisende eine Erklärung unterzeichnen zu lassen, dass sie sich an die lokalen Sitten und Standards halten.

Dr. Abdullatif bin Rashid Alzayani, Benjamin Netanyhu, Donald J. Trump und Sheikh Abdullah bin Zayed bin Sultan Al Nahyan
Nach Vermittlung von US-Präsident Donald Trump unterzeichneten die Vertreter von Israel, Bahrein und VAE im September 2020 die Abraham Accords DeclarationBild: Chris Kleponis/picture-alliance/Pool via CNP

All das dürfe aber nicht als Antisemitismus verstanden werden, sagen Juden in den VAE. Viele von ihnen sagen, die Atmosphäre sei diesbezüglich weitaus freundlicher als vielerorts im Westen. Und: Wo im Westen würden sich die Menschen die Mühe machen, ihre Sprache zu lernen?

Verwandte Sprachen

Für die meisten Araber ist Hebräisch nicht allzu schwierig zu lernen: Beide Sprachen gehören zu den semitischen Sprachen und viele Wörter und grammatische Regeln sind ähnlich. Einige Menschen aus den Emiraten sprächen bereits fließend Hebräisch, sagt die Privatlehrerin Stephany Miller, die die Sprache seit Jahren in den USA und den VAE lehrt. Da sie ihre Kunden meist durch Mundpropaganda findet, hat sie keinen so großen Boom erlebt wie Josh Samet, doch auch sie kennt die steigende Nachfrage: "Sogar jüdische Einwanderer wollen die Sprache nun lernen, und ein paar Christen", sagt sie.

Miller hat den Eindruck, dass die Menschen in den Emiraten die Sprache vor allem lernen, um ihr Netzwerk zu vergrößern. Sie möchten die richtigen Leute kennenlernen, um Geschäfte zu machen, deshalb würden die meisten Schüler auch israelische Institute wie das EHI Privatlehrern wie ihr vorziehen. Bald, sagt sie voraus, würden auch Universitäten in der Golfregion Hebräischkurse anbieten.

Die Kultur kennenlernen

Aus solchen Überlegungen heraus hat Asma Alatwi in Bahrain die Shemot Academy eröffnet. Alatwi hat in Kairo Hebräische Literatur und Sprache studiert und ist die erste Absolventin aus Bahrain in diesem Fach. Schon bald will sie Online-Kurse über eine Smartphone-App anbieten. Teil ihres Programms sollen spezielle Kurse mit Trainern für Business, Tourismus und Diplomatie sein.

May al-Badis Hebräisch ist mittlerweile so gut, dass sie einige religiöse Texte lesen kann, wenn sie mit ihren jüdischen Freunden einen Gottesdienst besucht - nicht nur am Sabbat, sondern auch an jüdischen Feiertagen wie Jom Kippur, Purim oder Pessach. "Ich lese das Buch mit ihnen und ich kann es verstehen", sagt sie. "Biblisches Hebräisch ist etwas schwieriger, aber es ist eine gute Übung."

Al-Badi freut sich, dass ihr das Hebräischlernen auch Einblicke in die jüdische Kultur eröffnet: "Ich bin ein Foody. Ich mag, dass es für jeden Feiertag der jüdischen Tradition ein Essen gibt", sagt sie. "Mein Vater hat mir beigebracht, offen für Kultur zu sein, und das will ich an meine Kinder weitergeben. Ich bin froh, dass sie schon viel über die jüdische Kultur wissen."

Aus dem Englischen adaptiert von Jan D. Walter