In der Krise kaufen die Deutschen Gold
2. August 2020Am Dienstag dieser Woche (28.07.2020) war der Goldpreis zwischenzeitlich auf ein neues Rekordhoch gestiegen. An den asiatischen Märkten kletterte der Preis auf 1981 Dollar (rund 1688 Euro) pro Unze, sank im Tagesverlauf aber wieder leicht. An der Londoner Börse notierte er schließlich bei 1930 Dollar.
Erst Tags zuvor war ein vorläufiger Höchststand erreicht worden: 1945 Dollar pro Unze. Davor hatte der Rekord achteinhalb Jahre lang bei 1921 Dollar gelegen, notiert im September 2011. Gold gilt traditionell in Krisenzeiten, wie aktuell in der Corona-Pandemie, als sichere Wertanlage.
Auch der Preis für Silber ist stark gestiegen; am Dienstag erreichte er mit über 26 Dollar pro Unze kurz ein Sieben-Jahres-Hoch. In der vergangenen Woche hatte der Preis wieder die Marke von 20 Dollar übersprungen. Noch im März hatte er auf dem niedrigsten Stand seit elf Jahren gelegen, seither ist der Preis um rund 70 Prozent gestiegen.
Deutsche horten Gold
Laut einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) haben vor allem in Deutschland die Anleger zugegriffen. Die Deutschen hätten auffällig viel physisches Gold gekauft: Im ersten halben Jahr 2020 haben sie Barren und Münzen mit einem Gesamtgewicht von 83,5 Tonnen erworben, berichtete die FAZ, die als Quelle den "World Gold Council" angab. Der hatte ein Plus von mehr als 100 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum errechnet.
Beim World Gold Council handelt es sich um einen Zusammenschluss von Unternehmen der Goldbergbau-Industrie. Die Organisation mit Sitz in London hat Niederlassungen an sechs verschiedenen Standorten weltweit und beschäftigt rund 100 Mitarbeiter. Die Lobby-Organisation war 1987 von Unternehmen gegründet worden.
Woher der Deutschen Liebe zum Gold?
International dagegen ging die Nachfrage nach Gold in Form von Barren und Münzen zurück, wie der World Gold Council am Donnerstag mitteilte. Sie sank um 17 Prozent auf knapp 400 Tonnen. Dabei habe man eine "klare Ost-West-Teilung" erkannt: In den meisten Ländern Asiens und in Nahost sank der Absatz, im Westen stieg er.
Ein Grund für diesen Unterschied könnte sein, dass Goldkauf für die Deutschen eher kein sinnlicher Vorgang ist. In anderen, oft südländischen Kulturen, gehört Gold - vor allem in Form von Schmuck - zur Aussteuer von Bräuten oder ist eine Geldanlage, an der man sich zu Hause erfreuen und sie dort verwahren kann. Deutschen gilt Gold hingegen eher als abstrakte Geldanlage.
In unsicheren Zeiten wie in einer Pandemie halten die Leute ihr Geld offenbar lieber zusammen, als es in teures Geschmeide zu investieren. Es sei denn, man hat so viel Geld, dass man es in Sicherheit bringen will - wie etwa gerade in Deutschland.
German Angst
Ein anderer Grund, der aber eher soziologisch interessant ist und bis zu einer gültigen Beweisführung spekulativ bleiben muss, könnte im "Nationalcharakter" der Deutschen liegen, denen man oft große Vorsicht bei gewisser Grundangst nachsagt. Diese oft zitierte "German Angst" führt beispielsweise zum oft beobachteten Reflex, dass der Bundesbürger eher zu viele als zu wenige Versicherungen gegen alles Mögliche abschließ.
Anleger rund um den Globus wollen sich gegen Inflationsrisiken absichern. Durch die milliardenschweren Hilfsprogramm von Notenbanken wird massiv Liquidität in die Märkte gepumpt. Während sich gleichzeitig wegen weitreichender Produktionsausfälle das Angebot verknappt, steigt die Geldmenge - und damit wächst die Furcht vor einem Anstieg des Preisniveaus und einem Wertverfall des Geldes.
Das könnte für viele Deutsche ein ausreichender Grund sein, sich auch gegen wirtschaftliche oder fiskalische Risiken zu versichern, in diesem Fall durch die Flucht in den "sicheren Hafen" Gold.
Dank staatlicher Förderung
Der Kauf von "physischem" Gold ist in Deutschland auch steuerlich attraktiv: Hier ist der Verkauf von Barren und Münzen meist steuerfrei, bei Goldpapieren ist das nicht der Fall: Beim Verkauf von Goldzertifikaten fallen nämlich 25 Prozent Abgeltungssteuer auf die Gewinne an - wie bei Aktien.
In Deutschland geltende Gebühren auf den Goldkauf fallen ebenfalls nicht sehr ins Gewicht: Ein standardmäßiger Aufschlag sorgt zwar dafür, dass das Edelmetall immer über dem aktuellen Kurs eingekauft werden muss. Doch die Höhe der Gebühr pro Feinunze fällt mit der eingekauften Menge.
Der sichere Hafen wird teurer
Berechnungseinheit beim Goldhandel ist die Feinunze, die genau 31,1035 Gramm entspricht. Ihr Preis wird nur zum Teil durch die Nachfrage nach echtem Gold bestimmt. Der andere Teil ergibt sich aus der Stimmung an den Finanzmärkten: Erachten viele Anleger gleichzeitig Investitionen in Gold als einträglicher als andere Geldanlagen, steigt der Kurs.
Und das derzeitige Umfeld habe das Potenzial, den Goldpreis sogar noch weiter zu treiben, sagte Experte Hans-Günter Ritter vom Edelmetallhändler Heraeus der Nachrichtenagentur Reuters. Zudem profitiere das Edelmetallgeschäft von niedrigen Zinsen. Die US-Notenbank will am Zins nahe Null festhalten. Anleger auf der Suche nach Rendite haben also immer weniger Alternativen.
Inflationsangst treibt Edelmetallpreise
"Bis zu einem gewissen Grad ersetzt Gold den US-Dollar, der während einer Krise typischerweise profitiert", sagt Edelmetallhändler Ritter. Doch das Vertrauen der Anleger in den Greenback hat abgenommen. Der Dollar-Index, der den Kurs zu wichtigen Währungen widerspiegelt, ist in dieser Woche auf ein Zwei-Jahres-Tief gefallen.
So ergibt sich für Goldkäufer in Deutschland allerdings ein Widerspruch, denn hier wird in der Regel in Euro gezahlt, das Gold aber wird in Dollar gehandelt. Für Anleger in Europa ist deshalb entscheidend, wie die US-Währung notiert. Fällt sie wie gegenwärtig, kann das einen gestiegenen Goldpreis schnell wieder zunichte machen.
Mit Gold Geld verdienen?
Die physische, also greifbare Variante des Edelmetalls in Form von Barren, Münzen oder Schmuck, steht nur für einen Teil der Goldanlagen. Auch Zertifikate, Optionsscheine, Fonds oder andere Wertpapiere bilden den Goldpreis ab oder werden von ihm beeinflusst. Diese abstraktere Variante erlaubt es auch, Wetten auf die Preisentwicklung einzugehen. Wer aber mit seinem Geld weiteres Geld verdienen will, sollte das nicht mit Gold versuchen, sondern lieber direkt in Aktien von Bergbaugesellschaften oder Goldminen investieren.
Die weltweite Goldmenge ist durch ihr natürlich limitiertes Vorkommen begrenzt. Solange keine neuen ergiebigen Lagerstätten erschlossen werden, wird die Menge verfügbaren Goldes nicht signifikant wachsen. Der Goldkurs schwankt mitunter auch erheblich, was große Verlustrisiken birgt. Da bleibt nur, auf einen grundsätzlichen Aufwärtstrend zu hoffen, denn Gold bringt keine Zinsen.