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In Izmir ist Europa nah

Anna Lekas Miller (sp)28. September 2015

Die türkische Hafenstadt Izmir ist zum neuen Drehkreuz für Flüchtlinge geworden. Schleuser und Geschäftsleute verdienen an den Bedürfnissen der Menschen, die Richtung EU weiterziehen wollen. Anna Lekas Miller berichtet.

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Ein syrisches Flüchtlingsmädchen schläft in den Straßen von Izmir. Viele Flüchtlinge können sich eine überdachte Unterkunft nicht leisten (Foto: Evren Atalay / Anadolu Agency)
Bild: picture-alliance/AA/E. Atalay

Eine salzige Brise weht an den Klippen um den antiken Hafen von Izmir. Für Stadtbewohner und herkömmliche Besucher bedeutet der Wetterumschwung eine willkommene Erfrischung. Für die Flüchtlingsscharen aus Syrien, dem Irak, Afghanistan und Pakistan hingegen ist er bedrohlich.

Von der Hafenstadt an der Ägäis-Küste, die sich inzwischen zu einem großen Drehkreuz für Menschenschmuggel entwickelt hat, reisen die Flüchtlinge in überfüllten, kleinen Schlauchbooten weiter. In der Hoffnung, Griechenland zu erreichen. Und in Europa Asyl zu erhalten.

Stärkerer Wind bedeutet höhere Wellen. Und höhere Wellen erhöhen das Risiko, zu Kentern. Und im Meer zu sterben. Menschenschmuggler und andere zwielichtige Personen in der Stadt hält das trübe Wetter allerdings nicht davon ab, ihren Geschäften nachzugehen.

Insbesondere am Basmane-Bahnhof, der ein Knotenpunkt für Flüchtlinge ist. Viele kommen hier an und warten. Wer kein Hotel bezahlen kann, schläft sogar hier. "Syrer? Syrer?", ruft ein Schmuggler, der sich auffällig direkt vor dem Bahnhof platziert hat. "Will irgendjemand nach Griechenland?"

In überfüllten Schlauchbooten erreichen Flüchtlinge die griechische Insel Lesbos nach der Überfahrt aus der Türkei (Foto: REUTERS/Yannis Behrakis)
Flüchtlinge erreichen Lesbos - je kälter das Wetter, desto gefährlicher die Fahrt auf hoher SeeBild: Reuters/Y. Behrakis

Neues Drehkreuz

Einige Flüchtlinge haben diese Reise bereits vor der Abfahrt aus ihrer Heimat arrangiert. Andere warten in Transitstädten wie Izmir darauf, persönlich auf Schmuggler zu treffen, die ihnen die Reise nach Europa ermöglichen.

Bis vor kurzem hatten die meisten Flüchtlinge von Libyen aus das Mittelmeer in Richtung Italien überquert. Eine gefährliche und teure Route, die mindestens vier Tage dauerte und mehr als 6000 US-Dollar (5370 Euro) kostete.

Die inzwischen alternative Route von türkischen Hafenstädten wie Izmir und Bodrum zu den nahe gelegenen griechischen Inseln verkürzt die Reise auf eine Stunde und macht sie sicherer und günstiger. Rund 1500 US-Dollar kostet die Überfahrt pro Person. Einmal auf griechischem Boden angekommen können die Flüchtlinge ihre Reise bis zu einem EU-Land mit einer freundlichen Asylpolitik fortsetzen.

Im Basmane-Bahnhof in Izmir werden mittlerweile orangefarbene Schwimmwesten statt knappe Bademode verkauft. Die Schwimmhilfen gehören nicht zu dem 1500 Dollar teuren Angebot, das die Flüchtlinge für die Überfahrt nach Griechenland bezahlen müssen. Für die eigene Sicherheit bei einem Notfall müssen sie selbst sorgen.

Schwimmwesten statt Bikinis

Vor einem der Läden steht ein junger Syrer. Der 21-Jährige stellt sich selbst als Jake vor. In dem Geschäft hinter ihm gehen täglich mindestens 150 Schwimmwesten für Flüchtlinge über die Ladentheke. Er habe sein Studium in Aleppo im abgebrochen und sei nach Izmir gekommen, sagt Jake. "Vielleicht gehe ich irgendwann mal nach Deutschland, wer weiß", erzählt er, während er den Laden im Auge behält. "Aber momentan habe ich hier Arbeit und das Geschäft läuft gut."

Neben der Standard-Schwimmweste werden hier auch Modelle für Kinder und mit Zeichentrickfiguren verzierte Schwimmflügel angeboten. Das Stück zu 15 Türkische Lira, das entspricht vier Euro. Jake räumt ein, dass sie nur für den Gebrauch im Schwimmbecken taugen. Doch ihr Platz neben den Schwimmwesten für Erwachsene suggeriert etwas anderes.

Eine der Schwimmwesten hat eine andere, etwas rostigerer Orange-Färbung. "Diese hier ist schwerer", antwortet Jake nüchtern auf die Frage zu dem Unterschied zu den anderen Modellen mit der Signalpfeife und den Sicherheitsleuchten. "Sie ist günstiger, aber sie funktioniert auch nicht so gut wie die anderen", räumt er ein. "Wir verkaufen sie hier, aber ich würde nicht wollen, dass meine Schwester so eine trägt."

Schwimmwesten werden in einem Laden in Izmir ausgestellt. Früher wurde hier Bademode verkauft (Foto: Anna Lekas Miller, DW)
Schwimmwesten-Verkauf in Izmir - aus dem Los der Flüchtlinge machen findige Geschäftsleute ProfitBild: DW/A. Lekas Miller

Ein besseres Leben?

Am Basmane-Bahnhof sind die abreisebereiten Flüchtlinge leicht auszumachen. Viele tragen schwarze Müllsäcke und frisch erstandene Schwimmwesten. Sie warten auf die nächsten Instruktionen eines Schleusers, bevor sie ein Boot nach Griechenland besteigen können.

"Ich habe nur Kleidung hier drin", sagt Hozan und zeigt auf eine kleine Reisetasche, die mehr auf einen Wochenendtrip deutet, als auf eine tagelange, mehrere hundert Kilometer umfassende Reise. Als Tourist hat der 24-Jährige aus dem syrischen Norden in den letzten drei Wochen gemeinsam mit seinen beiden Freunden die Türkei durchquert.

"Es war kein Urlaub", lacht der 26-jährige Ahmed. "Aber wir haben versucht, es zu einem zu machen." Jetzt sitzen die jungen Männer am Bahnhof und schlagen die Zeit tot. Sie warten auf den Anruf des Schleusers. "Ich weiß nicht genau, was ich in Deutschland machen werden", sagt Ahmed nachdenklich. "Vielleicht werde ich heiraten und eine Familie gründen", erzählt er und lächelt. "Aber eigentlich will ich einfach nur mein Leben weiterleben."