Indien als "Freund der Welt"?
7. Februar 2024Premierminister Narendra Modi hat sein Land als "Vishwamitra" bezeichnet. Das Wort stammt aus dem Sanskrit und Hindi und bedeutet "Freund der Welt". Modi verwendet in seinen jüngsten Reden und auf Kundgebungen in ganz Indien immer wieder den Begriff "Vishwamitra". "Es ist für alle eine Frage des Stolzes, dass sich Indien einen Platz als 'Vishwamitra' geschaffen hat und die ganze Welt in Indien einen Freund sieht", sagte Modi.
Mit dieser politischen Kampagne möchte Indien die führende Stimme des globalen Südens werden, sagte Sreeram Chaulia an der privaten Jindal Global University im Gespräch mit der DW. "Die Idee besteht darin, Indien als unabhängige Macht zu positionieren, die sich von China, den USA und den Europäern unterscheidet", sagte Chaulia, der das Forschungsinstitut über Indien leitete.
Erste "Kratzer" am Image
2023 stand Indien als Gastgeberland der G20 im Mittelpunkt der Weltbühne. Allerdings kratze eine Reihe von internationalen Zwischenfällen das Image des Landes. Die neue Regierung von Malediven seit November 2023 hat den Abzug von Indiens Truppen angeordnet. Der neu gewählte Präsident Mohamed Muizzu hatten im letzten Herbst während des Wahlkampfs den Spruch "Indien raus" als Slogan. Muizzu gilt als ein Freund von China.
Nach dem Ausbruch der bewaffneten Konflikte im Nachbarland Myanmar hat Indien den Bau von Grenzzaun zu Myanmar angekündigt. Beide Länder teilen eine mehr als 1.600 Kilometer lange gemeinsame Grenze. Damit will Neu Delhi nach eigenen Angaben illegale Einwanderung und Schmuggelaktivitäten bekämpfen.
Und im Winter beschuldigte Kanadas Premierminister Justin Trudeau Indien, an der Ermordung des Sikh-Aktivisten Hardeep Singh Nijjaron auf kanadischem Boden beteiligt gewesen zu sein. Später kündigte die Justiz in den USA an, einen Plan zur Ermordung eines Amerikaners auf US-amerikanischem Boden vereitelt wurde, der sich ebenfalls für einen Sikh-Separatistenstaat einsetzte.
"Hoch angesehen"
"Indien hatte keine wirklichen Fähigkeiten, weil es sich mit innenpolitischen Themen befasst", sagte Harsh Pant, Experte für internationale Beziehungen bei der Observer Research Foundation in Delhi.
Aber Indien sei bei den internationalen Partnern hoch angesehen. "Einmal sah es so aus, als würde der Krieg in der Ukraine Indiens Beziehungen zum Westen zerstören, weil Indien diesen Angriffskrieg nicht verurteilt hat. Aber das ist nicht geschehen. Westmächte, insbesondere die USA, haben eine strategische Partnerschaft mit Indien, weil China das langfristige Problem ist", sagte Pant.
Indien hat sich den Sanktionsmaßnahmen der USA und der Europäischen Union gegen Russland nicht angeschlossen. Stattdessen kaufte Indien mehr russisches Öl zu ermäßigten Preisen als vor dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs. Damit hat Indien indirekt die Verletzung der Völkerrechte finanziert.
Dennoch seien Indiens Beziehungen zu den USA stärker denn je, sagte Indiens Außenminister Subrahmanyam Jaishankar bei seinem Besuch in Washington im Oktober. "Ein Allzeithoch", so Jaishankar. US-Außenminister Antony Blinken erwiderte diese Meinung und nannte die Beziehungen eine "außergewöhnliche Erfolgsgeschichte".
Strategische Partnerschaft mit USA
Die Partnerschaft zwischen Indien und den USA sei Teil der Bemühungen, die Beziehungen in den Bereichen Verteidigung, Technologie und Energie zu vertiefen, sagt Chietigj Bajpaee, Senior Fellow für Südasien an der Denkfabrik Chatham House. Dies werde durch die seit langem bestehende Wahrnehmung Indiens durch die USA als Bollwerk gegen den wachsenden Einfluss Chinas unterstrichen.
Indien sei in vielen Ländern ein willkommener Gast. "In diesem Sinne ist Indien eindeutig ein 'Vishwamitra'", sagte Bajpaee. Neu Delhi unterhält gleichzeitig gute Beziehungen zum Iran, zu Israel, Russland und zur Europäischen Union. Erst im letzten Monat besuchte Außenminister Jaishankar sowohl den Iran als auch Russland, während Premierminister Modi den französischen Präsidenten Emmanuel Macron empfing.
Von der "Politik der guten Nachbarschaft" auf die Weltbühne
Nach seinem Amtseintritt 2014 signalisierte Premier Modi zuerst eine Wiederbelebung der Politik der guten Nachbarschaft (Neighborhood First Policy, NFP). Er hatte die Staats- und Regierungschefs der Länder der Südasiatischen Vereinigung für regionale Kooperation (SAARC) zum Gipfeltreffen eingeladen. Der SAARC gehören Indien Bangladesch, Pakistan, Malediven, Bhutan, Nepal, Sri Lanka und Afghanistan an. "Die Zukunft, die ich für Indien träume, ist die Zukunft, die ich für unsere gesamte Region wünsche", sagte Modi 2014.
Allerdings sei der Trend eindeutig, dass Indien noch mehr erreichen und sich über den Globalen Süden hinaus als Großmacht etablieren wolle, sagte Bajpaee. "Drei Länder in seiner Nachbarschaft befinden sich aufgrund drohender Staatspleite in Rettungspaketen des Internationalen Währungsfonds", sagte er. "Einige sind gescheiterte Staaten oder beinahe gescheiterte Staaten mitten im Bürgerkrieg. Andere sind verfeindete Länder, mit denen ein ruhender Konflikt besteht." Bei der Vielzahl von Konflikten werde Indien Partei ergreifen müssen, sagte Bajpaee. "In internationalen Organisationen, in denen China eine wichtige Rolle spielt, zum Beispiel in den BRICS-Staaten, wo Länder die antiwestliche Agenda vertreten, wird Indien der Außenseiter sein."
Sushant Singh, Senior Fellow am Center for Policy Research und Dozent an der Yale University, sagt: "Das größere Problem würde entstehen, wenn Indien einen militärischen Konflikt mit China hätte. Dann müsste Indien seine Freunde anrufen." Der Grenzstreit zwischen Indien und China ist noch ungelöst. Immer wieder werden bewaffnete Konflikte an der Grenze gemeldet.
Aus dem Englischen adaptiert von Shabnam von Hein