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PolitikIndien

Indien: Neues Familienrecht sorgt für Kontroversen

Murali Krishnan aus Neu Delhi
17. Februar 2024

Indiens regierende BJP will ein einheitliches Zivilgesetz für Eheschließung, Scheidung und Erbschaft. Bisher werden diese je nach Region und Religion anders geregelt. Einige Bundesstaaten preschen vor und ernten Kritik.

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Ein Brautpaar in Indien tauscht Ringe
Eine Hochzeit in Indien (Symbolbild)Bild: Divyakant Solanki/dpa/picture alliance

In der vergangenen Woche hat das Regionalparlament im nordindischen Bundesstaat Uttarakhand ein einheitliches Zivilrecht (Uniform Civil Code, UCC) verabschiedet. Das neue Gesetz regelt alle Familienangelegenheiten wie Eheschließung, Scheidung und Erbschaft, unabhängig vom Glauben.

Im Vielvölkerstaat Indien werden Familien-Angelegenheiten gemäß den jeweiligen religiösen Schriften und Traditionen geregelt. Die großen Religionsgemeinschaften wie Hindus, Muslime, Christen und Sikhs folgen je ihren eigenen rechtlichen Vorschriften.

Die regierende hindunationalistische Partei BJP um Premier Narenda Modi will nun ein neues Zivilrecht durchsetzen. Die politischen Debatten über die Schaffung eines einheitlichen UCCs in Indien werden schon seit Jahrzehnten geführt. Aber es bleibt heikel.

Kritiker sehen darin einen Eingriff in die grundlegenden Freiheiten wie Ausübung der Religions- und Persönlichkeitsrechte. Insbesondere Muslime seien betroffen. Die Gegner der BJP und des neuen Zivilrechts befürchten, dass sie von der Hindu-Mehrheit benachteiligt werden.

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Indisches Zivilrecht UCC als Zündstoff?

Auf der Ebene der Bundesstaaten sei der Wunsch nach einem einheitlichen UCC besonders groß, sagt die Soziologin Cynthia Stephen aus Bangalore. Der mehrheitlich hinduistische Bundesstaat Uttarakhand mit circa zehn Millionen Einwohnern wird derzeit von der BJP regiert. Zwei weitere BJP-regierte Bundesstaaten Gujarat und Assam drängen auch auf die Umsetzung.

"Der einheitliche UCC wäre in meinen Augen verfassungswidrig. Er wird die Religions- und Glaubensfreiheit von besonders schutzbedürftigen Gruppen wie Frauen, Muslimen und Christen aufheben", sagt Stephen. Dies habe großes Gewaltpotenzial. Es könnte bei Muslimen und Christen zu Aufständen kommen.

Befürworter eines einheitlichen Familienrechts für alle Bürger argumentieren jedoch, dass ein solches Gesetz die nationale Integration fördere. Viele Muslimas hoffen auch, dass sich die patriarchalische Familienstruktur bei ihnen zu Hause verändern wird. In Indien ist - als Ausnahme - die Vielehe für muslimische Männer erlaubt.

Verschleierte Bräute einer Massenheirat in Indien
Verschleierte Bräute einer Massenheirat in Indien (Archivbild)Bild: Divyakant Solanki/dpa/picture alliance

"Muslimische Frauen würden von einer einheitlichen Regelung des Personenstandsrechts profitieren. Sie würde auf jeden Fall die Gleichstellung fördern", sagte die indische Verfassungsexpertin Shireen Tabassum der DW im vergangenen Jahr in einem Interview.

"Das einheitliche Zivilgesetzbuch ist Teil des Wahlprogramms der BJP. Aber es bedarf eines kooperativen Ansatzes, der alle gesellschaftsrelevanten Gruppen einbezieht. Keiner darf benachteiligt werden", fügte sie hinzu.

UCC als Wahlkampfthema?

Die Einführung des UCC sei Teil des politischen Wahlkampfs der nationalistischen BJP, sagen Kritiker, genau wie die umstrittene Abschaffung des verfassungsrechtlichen Sonderstatus von Kaschmir 2019 und die Einweihung des großen Hindu-Tempels in Ayodhya 2024, der auf der Ruine einer Moschee gebaut worden sein soll. Im April und Mai 2024 wird im inzwischen bevölkerungsreichsten Land der Welt ein neues Parlament gewählt.

"Die BJP setzt auf der Ebene der von ihr regierten Bundesstaaten ihre Maßnahmenpakete um. Sie will die Geschlechter- und Sexualbeziehungen der geltenden patriarchalischen und kastenbezogenen Moral auf der kommunalen Ebene der Hindu-Tradition anpassen", sagt Frauenaktivistin Kavita Krishnan der DW. "Das ist der Fokus der Familienpolitik der BJP."

"Ich zweifle nicht im Geringsten daran, dass die BJP solche Gesetze in den Mittelpunkt der gesellschaftlichen Ordnung in einer 'Hindu-Nation' stellen würde, wenn die BJP die Möglichkeit hätte, diese in Indien durchzusetzen."

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Ein neues Zivilrecht als "Moralprediger"?

Nach dem neuen Gesetz in Uttarakhand müssen sich unverheiratete Paare innerhalb von vier Wochen registrieren lassen, wenn sie eine Lebensgemeinschaft eingehen. Das gilt auch, wenn die Lebensgemeinschaft beendet wird. Wer sich gegen das Gesetz verstößt, riskiert eine Freiheitsstraße bis zu drei Monaten und ein Bußgeld von 10.000 Rupien (circa 112 Euro).

"Der UCC führt zu einer Aushöhlung der Individualrechte. Mit der Registrierung von Lebensgemeinschaften sollen angeblich Frauen besser geschützt werden. Aber diese Bestimmung greift in die persönliche Freiheit bei der Wahl des Lebenspartners ein und ermöglicht die Überwachung interreligiöser Paare", sagt Soziologin Stephen. "Das Gesetz ist weit davon entfernt, Frauen zu schützen. Vielmehr gefährdet es sie. Jeder Standesbeamte könnte den Antragstellerinnen unangenehme intime Fragen über ihr Privatleben stellen."

"Eine informelle Beziehung wird durch die Einführung des UCC zu einer offiziellen, die durch ein drakonisches und rigides Strafrecht geregelt wird", sagt Flavia Agnes, Fachanwältin für Familienrecht in Indien, die auch im Global Feminismus Project der US-University of Michigan über Frauenrechte in Indien forscht.

"Der Zweck des Gesetzes scheint darin zu liegen, junge Paare von der Lebensgemeinschaft abzuhalten und sie zu sexueller Enthaltsamkeit zu zwingen. Das wirft natürlich Fragen über die individuelle Selbstbestimmung auf", sagt Juristin Agnes.

Aus dem Englischen adaptiert von Dang Yuan