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Natur versus Autobahn

Murali Krishnan hf
16. Januar 2019

In der indischen Stadt Gurgaon, einer der großen Satellitenstädte Delhis, haben Bürger Brachland in eine grüne Oase verwandelt. Doch dort soll jetzt eine sechsspurige Autobahn gebaut werden.

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Anwohner protestieren im Park (Foto: Bürgerinitiative I am Gurgaon)
Die Anwohner wollen ihre urbane Oase und die Artenvielfalt im Wald erhaltenBild: Bürgerinitiative I am Gurgaon

In ihrer freien Zeit gehen Latika Thukral und Vasundhra Aggarwal gerne in ihrem örtlichen Park spazieren, einem leicht hügeligen Areal, bedeckt mit saftig-grünen Büschen und Bäumen.

Das klingt auf den ersten Blick nicht ungewöhnlich, aber noch vor wenigen Jahren war das Gelände eine Steinwüste ohne Vegetation.

2010 taten sich über 35.000 Menschen und mehr als 70 Unternehmen zusammen, um die etwa 154 Hektar große Fläche in Gurgaon, einer der großen Satellitenstädte Delhis, in eine der wenigen städtischen Grünflächen zu verwandeln. Sie entfernten Müll, pflanzten Bäume und die örtliche Verwaltung legte Fußpfade über das Gelände an.

Inzwischen leben hier mindestens 180 Vogelarten und Tiere wie Zibetkatzen, Schakale und Rotwild. Das Ökosystem absorbiert und filtert jährlich mehr als 320 Liter Wasser.

"Jeder in Gurgaon hat eine Beziehung zu dem Park", sagt Thukral, die ihren Job als Vizepräsidentin bei Citibank India gekündigt hat, um die Umweltinitiative "I am Gurgaon" mitzugründen.

Doch Pläne für eine sechsspurige Autobahn, die zwei Kilometer weit durch den östlichen Teil des Parks verlaufen würde, bedrohen die grüne Oase, sagen Thukral und andere Anwohner.

Das gemeinsame Projekt derindischen staatlichen Autobahnbehörde (NHAI) und der Stadtentwicklungsbehörde von Gurgaon(GMDA) würde etwa acht Hektar des Waldes betreffen, sagen die Anwohner. Sie warnen davor, dass dieses Projekt Auswirkungen auf die umliegende Natur hätte und Lärm und Luftverschmutzung mit sich bringen würde.

Und sie sind wütend darüber.

"Wir sind alle bereit die Stadt zu verlassen, wenn man uns diesen Wald wegnimmt", sagt Vasundhra, ein Anwohner, der mitgeholfen hat, den Park zu schaffen. "So wichtig ist uns dieses Gelände und dieser Ort. Er ist wie eine heilige Lunge, die einzige grüne Lunge in Gurgaon. Deshalb können wir sie nicht aufgeben!"

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Anwohner protestieren im Park (Foto: Murali Krishnan)
Die Einwohner von Gurgoan haben den Park in Eigenregie errichtet - deshalb ist er jetzt kein offizielles SchutzgebietBild: Murali Krishnan

Gurgaon hat sich in den letzten Jahren rapide entwickelt und ist zu einem Finanz- und Technologiezentrum geworden. Mehr als 250 der globalen Fortune 500 Unternehmen haben dort entweder ihre Hauptniederlassung in Indien oder ein wichtiges Büro.

Da überrascht es kaum, das Gurgaon ein Meer aus Glas, Stahl und Beton geworden ist; mit Bürohochhäusern, Wohntürmen und Einkaufszentren für die wachsende Bevölkerung von inzwischen zwei Millionen Menschen.

Ein Park, der streng genommen keiner ist

Das hat den Park umso wertvoller gemacht; die Anwohner protestieren inzwischen regelmäßig im Park gegen das Bauvorhaben. Der zuständige Minister für Wälder des Bundesstaats Haryana, Narbir Singh, versprach den Anwohnern kürzlich, dass er sich dafür einsetzen werde, den Verlauf der Autobahn um den Park herumzuführen.

"Ich werde die Leiter der Autobahnbehörde bitten, die Straßenführung anzupassen. Wir wollen keinen Verlust an Natur."

Aber Singh hat kein wirkliches Mitspracherecht bei der Planung und die Entscheidung liegt letztendlich bei der Autobahnbehörde. Für diesen Artikel wollte NHAI sich dazu nicht äußern. Es hieß lediglich, die Überlegungen seien noch nicht abgeschlossen.

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Teil des Problems ist, dass der Park kein offizieller Stadtpark und damit Schutzgebiet ist, sondern auf Initiative der Anwohner in Eigenregie angelegt wurde. Rechtlich ist das Gebiet undesigniertes öffentliches Land. Und das wollen Stadt und Autobahnbehörde jetzt nutzen, um den Verkehrsinfarkt in Gurgaon zu bekämpfen. Kilometerlange Staus sind hier im Berufsverkehr die Regel.

Natur versus Entwicklung

Konflikte über die Umwelt sind in Indien nichts Neues. In der Geschichte des Landes gab es immer wieder Umweltschutzbewegungen, insbesondere in Gemeinden, die traditionell in den Wäldern lebten und sich gegen Entwicklungsprojekte und restriktive Waldgesetze noch aus der Kolonialzeit zur Wehr setzten.

Diese Tradition gewann in den 1970er Jahren durch die Chipko-Bewegung an Fahrt. Damals verteidigten indigene Frauen in Uttarakhand, einem Bundesstaat im Norden Indiens, ihre Rechte an Bäumen, um diese vor der Abholzung zu bewahren.

Autos stehen im Stau in New Delhi (Foto: MANAN VATSYAYANA/AFP/Getty Images)
Die Regierung sagt, sie will mithilfe der neuen Autobahn Staus wie diesen verhindernBild: Getty Images/AFP/M. Vatsyayana

Und dank rasender Entwicklung und sprunghaftem Wachstum der urbanen Bevölkerung im ganzen Land hat dieser Kampf jetzt die Städte erreicht. Konflikte zwischen Entwicklung und Umweltschutz gibt es nicht nur in Gurgaon, sondern auch in anderen Teilen Delhis, ebenso wie in anderen Großstädten wie Mumbai oder Bangalore.

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Zain Khan, Architekt bei dem nachhaltigen Architekturbüro SKDAS, lehnt den Bau der neuen Autobahn ab. Er glaubt, dass es möglich sei, Stadtentwicklung zu betreiben, ohne die Umwelt zu zerstören.

"Wir müssen uns nicht ständig im Konflikt befinden. Und ich denke nicht, dass es irgendjemandem etwas ausmacht, 15 Minuten länger Auto zu fahren, für ein paar Kilometer, und einen Wald zu umfahren, wenn man dafür langfristig etwas sinnvolles tut."

Shyam Kumar, ein örtlicher Anwalt, der auch gegen das Projekt ist, äußert sich weniger versöhnlich: "Es ist lächerlich. Es ist bestenfalls Teilnahmslosigkeit und schlimmstenfalls staatliche Arroganz. In diesen Park ist viel Herzblut geflossen und es wird ein großer Verlust sein, falls diese Autobahn hier durchgetrieben wird."

Aber selbst die protestierenden Anwohner wissen, dass Protestmärsche mit Plakaten vielleicht nicht reichen werden, um den Bau zu stoppen. Sie bereiten sich auf einen langen Kampf vor. Zur Not wollen sie auch vor Gericht ziehen, um ihren Wald zu retten.