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Industrie 4.0: Was kommt auf die Menschen zu?

Klaus Ulrich
18. Mai 2016

Umbruch durch die Industrie 4.0: Welche Anforderungen sind für die Unternehmen und deren Mitarbeiter wichtig? Diese Frage versucht eine neue Studie zu beantworten.

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Hannover Messe - Industrie 4.0
Bild: Deutsche Messe AG

Der Sektor gilt als eine der beschäftigungs- und exportintensivsten Branchen Deutschlands. Im Dezember 2014 waren knapp über eine Million Menschen im Maschinen- und Anlagenbau beschäftigt und erwirtschafteten 212 Milliarden Euro Umsatz.

Die Exportquote der knapp 6500 Branchenunternehmen lag mit 76 Prozent weit über der Importquote von mehr als 55 Prozent. Die mit einer durchschnittlichen Unternehmensgröße von rund 174 Beschäftigten mittelständisch geprägte Branche investiert 5,7 Milliarden Euro jährlich in Forschung und Entwicklung.

Wenn also heute überall von der Digitalisierung der Arbeit und insbesondere von Industrie 4.0 gesprochen wird, so betrifft diese im Maschinen- und Anlagenbau schon rein quantitativ eine große Zahl von Unternehmen und Beschäftigten. Das Thema Industrie 4.0 ist die Branche besonders wichtig, das sie als Ausrüster der Fabriken der Welt stets auf der Suche nach effizienten Produktionsmethoden ist.

Neue Phase der industriellen Revolution

Unter Industrie 4.0 wird allgemein eine neue Phase der industriellen Revolution verstanden, die nach Mechanisierung, Elektrifizierung und Informatisierung der Industrie nun mit dem "Internet der Dinge" eine intelligentere und weltweite Vernetzung von Maschinen, Lagersystemen und Betriebsmitteln verspricht.

Diese Szenarien verbinden sich mit einer ganzen Reihe weiterer technischer Entwicklungen wie 3D-Druck, Adaptive Robotics, Machine- to-Machine (M2M), Cloud Computing, App Economy, Geschäftsmodellinnovation, Smart Factory und mobile Endgerate. Angestrebt wird ein "völlig neues Konzept der Produktionsautomatisierung", wie es in der Fachliteratur heißt. Da kann, wer nicht über eine entsprechende Ausbildung verfügt, schnell den Anschluss verpassen.

Diskussion von der IT-Perspektive geprägt

Industrie 4.0 - Lernfabrik der Zukunft

Der Begriff Industrie 4.0 steht auch für eine Diskussion, die zunächst stark aus der IT-Perspektive geführt wurde. Daher sind viele der unter diesem Stichwort verhandelten Szenarien noch relativ unspezifisch und teils weit weg von den Problemen des Tagesgeschäfts und der Produktion.

Für den deutschen Maschinen- und Anlagenbau gilt der Trend zu Industrie 4.0 als "Steilvorlage" - gerade wegen des Know-how-Vorsprungs gegenüber anderen Wirtschaftszweigen. Denn schon heute bestehen die Produkte der Branche zu 30 Prozent aus Software und Automatisierungstechnik. Obwohl - oder vielleicht gerade weil - viele Nutzungsszenarien noch vage sind, werden mit Industrie 4.0 viele Potenziale verbunden und große Erwartungen geweckt.

So wird beispielsweise durch Industrie 4.0 eine Produktivitätssteigerung für den Maschinen- und Anlagenbau um 30 Prozent bis zum Jahr 2025 erwartet. Gleichzeitig scheint das Thema in der Praxis vieler Unternehmen noch nicht angekommen zu sein oder die dortigen Problemlagen zu wenig zu berühren: Gerade mal ein Fünftel der Unternehmen befassen sich mit Projekten, die unter dem Schlagwort Industrie 4.0 laufen.

Deutschland, Symbolbild Industrie 4.0
Industrie 4.0 in der Praxis: mit einem Tablet werden die Betriebsdaten von vernetzten Maschinen für Metallspritzguss überprüft.Bild: picture-alliance/dpa/D. Maurer

Arbeitswelt wird bereits heute verändert

In diesem Sinne kommt eine aktuelle Studie, die die Universität Hohenheim für den Branchenverband VDMA erstellt hat, zu dem Schluss:DieIndustrie 4.0 verändert die Arbeitswelt schon heute. Neue Inhalte und Methoden müssten daher in die Aus- und Fortbildung integriert werden, Themen wie sogenannte "Cyberphysische Systeme", Robotik und Social Media spielten für die vernetzte Produktion eine entscheidende Rolle. "Im Zentrum von Industrie 4.0 steht weiterhin der Mensch.Der Qualifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kommt daher zukünftig eine noch größere Bedeutung zu", sagte Hartmut Rauen, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des VDMA, anlässlich der Vorstellung der Studie "Industrie 4.0 - Qualifizierung 2025".

Eine Erkenntnis der Studie lautet, dass die Anforderungen an interdisziplinäre Zusammenarbeit, den Umgang mit Big Data und Datenschutzfragen weiter steigen. "Die Verantwortlichen für Aus- und Fortbildung sollten hierzu frühzeitig in strategische Industrie 4.0-Prozesse eingebunden werden. So können neue Lernkonzepte von Beginn an entwickelt und in die Strategie integriert werden", erläuterte Rauen.

Bessere Ausstattung der Berufsschulen nötig

Rauen forderte gleichzeitig eine bessere Ausstattung der Berufsschulen, um die Umwälzungen durch die neuen Technologien bewältigen zu können. Die technische Ausstattung sei häufig nicht ausreichend. "Bräuchten wir nicht eine Exzellenz-Initiative für Berufsschulen?", fragte Rauen in Anspielung auf eines entsprechende bundesweite Initiative für Universitäten und Hochschulen. Aus Sicht des Verbandes müsste es auch in deutlich mehr Bundesländern als bisher die Möglichkeit zur Ausbildung des Produktionstechnologen geben. Derzeit sei das nur an Berufsschulen in Thüringen und Baden-Württemberg möglich. Aufgabe des Produktionstechnologen ist es, den gesamten Prozess von der Entwicklung eines Produktes, über die Herstellung bis zur Auslieferung im Auge zu behalten.

Kräftige Wachstumschancen durch Industrie 4.0

Im Mittelpunkt der Studie stehen die Anforderungen an die berufliche Aus- und Weiterbildung mit Schwerpunkt in den gewerblich-technischen Berufen. Hierzu wurden Befragungen von Mitarbeitern und Ausbildern aus der Branche analysiert. "Unsere Studie kombiniert bewusst quantitative und qualitative Methoden. Dies ermöglicht intensive Einblicke in eine komplexe Materie", sagte die Leiterin der Studie, Sabine Pfeiffer von der Universität Hohenheim.

Kontinuierliche Qualifikation statt "neuer" Berufe

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Maschinen- und Anlagenbau seien hervorragend qualifiziert, könnten mit Komplexität umgehen und seien daher für Industrie 4.0 gerüstet, betonte die Wissenschaftlerin. 96,3 Prozent hätten demnach mindestens eine berufliche Ausbildung. Die Studie zeige aber auch, dass die Belegschaft kontinuierlich weiterqualifiziert werden muss. Bestehende Berufsbilder, wie zum Beispiel der Mechatroniker oder der Industriemechaniker, sollten für die Ausbildung inhaltlich an die Erfordernisse von Industrie 4.0 angepasst werden.

Neue Berufe seien aktuell nicht gefragt. "Wir müssen vor allem die innovativen Potenziale nutzen, die unser Berufsbildungssystem bereits heute bietet", forderte die Leiterin der Studie. Mit dem Produktionstechnologen existiere bereits heute ein geeigneter "Industrie 4.0-Beruf". Die Zahl der Ausbildungsstellen sei jedoch noch gering.