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Inflation: Ein Gespenst, das nicht rechnen kann?

Andreas Rostek-Buetti mit Agenturen
1. März 2021

Ein Gespenst geht um unter Ökonomen, Anlegern und Sparbuchbesitzern: Die Inflation kehrt zurück! Wirklich? Die Zahlen sprechen erst mal dagegen. Im Februar stiegen die Preise in Deutschland im Schnitt um 1,3 Prozent.

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Symbolbild | Geld | Umschlag
Bild: imago images/teamwork/A. Duwentäster

Diese erste Schätzung des Statistischen Bundesamts zeigt zwar die höchste Teuerungsrate in Deutschland seit fast einem Jahr. Im Januar hatte die - immer im Vergleich zum Vorjahresmonat - noch bei 1,0 Prozent gelegen. Aber die Zielmarke von zwei Prozent, die die Währungshüter der Europäischen Zentralbank EZB im Auge haben, ist da noch um Einiges entfernt. Dennoch werden warnende Stimmen lauter. "Die Inflationsrate bleibt nicht auf Dauer so niedrig wie im vergangenen Jahr", sagte Bundesbank-Präsident Jens Weidmann der Zeitung Augsburger Allgemeine. Für Deutschland rechnet Weidmann in der zweiten Hälfte 2021 offenbar mit einer Teuerungsrate von drei Prozent. Oder mehr.

Auch die EZB prognostiziert für 2021 mehr Inflation. Allerdings sagte Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel im Deutschlandfunk, man dürfe "diese kurzfristige Entwicklung eben nicht verwechseln mit einem anhaltenden Anstieg der Inflation".

In schönster Uneinigkeit präsentieren sich auch deutsche Wirtschaftswissenschaftler, die keine öffentlichen Jobs mehr haben. Thomas Mayer, ehedem Chefvolkswirt der Deutschen Bank, sieht im Gespräch mit dem Handelsblatt auf Deutschland bald eine "trabende Inflation" zukommen - mit Preissteigerungsraten von fünf Prozent.

Dagegen prognostiziert Peter Bofinger, bis vor einiger Zeit und 15 Jahre lang sogenannter Wirtschaftsweiser im Sachverständigenrat, in derselben Zeitung "nichts Dramatisches". Bofinger erwartet zwar Preissteigerungen von rund drei Prozent wie auch die Bundesbank in der zweiten Jahreshälfte. Allerdings sagte er: "Was wir heute erleben, sind temporäre Preissteigerungen."

Gespenst unter der Nullmarke

Tatsächlich hatte 2020 die Teuerungsrate in Deutschland mehrere Monate unter der Nullmarke gelegen: Das Leben war also zumindest in der Gesamtschau günstiger als ein Jahr zuvor. Die sechsmonatige Senkung der Mehrwertsteuersätze vom 1. Juli an sowie ein kräftiger Rückgang der Energiepreise hatten den Preisauftrieb gebremst. Nun könnte das Pendel in die andere Richtung ausschlagen. Nur wie weit?

Symbolbild Konsum, Einkaufen, Löhne, Kaufkraft
Bald nachholender Konsum? Bild: picture-alliance/dpa/U. Baumgarten

Derzeit sparen die Deutschen wie nie. Die Sparquote in Deutschland stieg auf das Rekordhoch von 16,3 Prozent. Sobald Läden und Gaststätten nach dem Corona bedingten Lockdown wieder öffnen und es wieder mehr Möglichkeiten zu Reisen und Freizeitaktivitäten gibt, dürfte zumindest ein Teil des Konsums nachgeholt werden. Das könnte "zu einem vorübergehenden Inflationsschub führen", prognostizierte Nils Jannsen vom Institut für Weltwirtschaft (IfW) bereits Januar.

Dass es tatsächlich ein vorübergehender Schub sein könnte, dafür spricht eine gewisse Vorsicht in der Bevölkerung - viele dürften durch die Krise ihren Job verlieren. Wie viele Unternehmen Pleite gehen, ist noch nicht ausgemacht. All das könnte sich bremsend auf die Löhne auswirken. Und ohne hohe Lohnzuwächse ist eine hohe Inflation nicht sehr wahrscheinlich.

Gefahr durch die Geldflut?

Als Gefahrenherd in Sachen Inflation wird immer wieder die massive Geldflut ins Feld geführt, mit der Zentralbanken und Staaten der Corona-Krise Herr werden wollen. Aber welche Folgen hat diese Geldflut wirklich? Auch das ist, man ahnt es schon: umstritten. Kritiker warnen schon länger vor Folgen der Geldschwemme für die Preisstabilität. Doch bisher gibt es keine Anzeichen, dass das viele billige Geld die Inflation anheizt. Vielmehr verfehlt die EZB trotz Nullzinspolitik und Wertpapierkäufen ja seit Jahren ihr Ziel einer mittelfristigen Jahresteuerungsrate von knapp unter zwei Prozent im Euroraum.

Denn womöglich wirkt auch einer der Akteure auf dem internationalen Finanzmarkt, für den die EZB grade zu stehen hat, als Inflationsbremser: der Euro. Der hat insbesondere gegenüber dem Dollar an Stärke gewonnen. Importe nach Deutschland können sich dadurch verbilligen. Denn Rohöl und andere Rohstoffe werden weltweit in der US-Währung abgerechnet. "Auch der starke Euro begrenzt den Inflationsdruck", befindet der Volkswirt der ING-Bank, Carsten Brzeski.

Frankfurt Skyline EZB
Sitz der EZB in Frankfurt/Main - Inflationsbremser Euro? Bild: Arne Dedert/dpa/picture alliance

Auch die Börsen schienen am Montag nicht auf Seiten der Mahner: Für Entlastung sorgte Beobachtern zufolge, dass die Rendite der zehnjährigen US-Anleihen wieder ein wenig zurückging. Sie war unlängst aus Sorge vor einer anziehenden Inflation über die 1,5-Prozent-Marke gestiegen. Steigende Renditen können negative Wirkungen auf den Aktienmarkt haben, weil sich für Investoren andere Anlagemöglichkeiten auftun.

Das alles aber ficht einen Mahner vor der Inflation wie den Volkswirt Thomas Mayer nicht an. Er verweist auf höhere Rohstoffpreise, auf steigende Containerfrachtraten und, auch das, auf die Zunahme der Geldmenge. Die sogenannte M3-Menge sei schließlich um zwölf Prozent gegenüber dem Vorjahr angestiegen. Für Mayer sind damit die notwendigen Bedingungen für eine hohe Inflation erfüllt. Es könnte "dramatisch" werden, sagte er im Handelsblatt. Könnte.