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Politik

Kongolesischer Wasserstoff für Deutschland?

Daniel Pelz
18. Dezember 2020

Deutsche Firmen könnten im Kongo ein riesiges Wasserkraftwerk bauen. Das soll auch Wasserstoff nach Deutschland liefern. Angela Merkels Afrikabeauftragter ist dafür, Kritiker befürchten schlimme Folgen.

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DRK Inga-Staudamm
Die Staudämme an den Inga-Fällen des Kongo sind eine der Haupt-Energiequellen der Demokratischen Republik KongoBild: Getty Images/AFP/I. Sanogo

Das Projekt klingt vielversprechend: Ein neues Wasserkraftwerk am mächtigen Kongofluss, Strom für eine ganze Region, grüner Wasserstoff für Deutschland. "Es wird nicht nur viele Arbeitsplätze schaffen, es wird auch mit einem großen Aufkommen zum Staatshaushalt beitragen, höchstwahrscheinlich im Milliardenbereich", sagt Gernot Wagner, Geschäftsführer des Leipziger Projektentwicklers Evagor, in einem Werbevideo.

Auch andere deutsche Firmen sollen Interesse an dem Mammutprojekt haben. Darunter große Namen: Linde, Siemens, der Turbinenhersteller Voith und VN-Gas. Einen prominenten Fürsprecher aus der Politik hat Wagner auch bereits gewonnen: "Ich werbe innerhalb der Bundesregierung für mehr Unterstützung für dieses Projekt", sagt Günter Nooke, persönlicher Afrikabeauftragter der Bundeskanzlerin, zur DW. "Diese erneuerbare Energiequelle hat einfach ein zu großes und leicht nutzbares Potenzial von 11.000 Megawatt, andere sagen von bis zu 44.000 Megawatt".

DRK Inga-Staudamm
Noch fließen große Teile des Wassers über die Inga-Fälle - für Inga-III soll eine künstliche Umleitung entstehenBild: Getty Images/AFP/M. Jourdier

Für ihn liegen die Vorteile auf der Hand: "Wir brauchen in Afrika jährlich dutzende Millionen neue Arbeitsplätze. Die wird man nicht nur im landwirtschaftlichen Bereich bei Kleinstbauern oder bei Kleinstbergleuten schaffen können, sondern es geht um eine verarbeitende Industrie. Dafür braucht es eine stabile Stromversorgung", so Nooke.

Doch gerade die gibt es im Kongo vielerorts nicht. Laut Studien haben gerade mal 10 Prozent der Menschen dort Zugang zu Strom. "Daher ist die Alternative aus meiner Sicht nicht, ob Inga III gebaut wird oder nicht, sondern wer daran beteiligt ist, wer dabei verdient und was die Menschen im Kongo davon haben", so Nooke.

Infografik Wasserstoff: Ein Energieträger mit Zukunft DE

In Deutschland ist Elektrizität keine Mangelware, das Industrieland benötigt darüber hinaus jedoch dringend synthetischen Wasserstoff: Das unter Stromverbrauch im sogenannten Elektrolyse-Verfahren hergestellte Gas gilt als Schlüssel zur klimaneutralen Mobilität. Der Bedarf wird sich ohne Importe aus dem Ausland nicht decken lassen.

Risiko Korruption

Doch der Kongo ist nicht gerade das einfachste Land für ein solches Mammutprojekt. Auf dem Korruptionsindex von "Transparency International" (TI) belegte er 2019 Platz 168 - von 180 Staaten. "Die Führung der Demokratischen Republik Kongo treibt die Korruption an, statt sie zu bekämpfen", stellte TI letztes Jahr fest. Allein die Familie von Ex-Präsident Joseph Kabila, der bis Anfang 2019 regierte, soll über 80 Firmen kontrollieren. "Im Zuge von Großprojekten ist die Korruptionsrate nochmal besonders hoch", warnt Gesine Ames vom Ökumenischen Netz Zentralafrika (ÖNZ) im DW-Interview.

DR Kongo Kinshasa Tshisekedi und Kabila
Felix Tshisekedi (links) war als Kritiker seines Vorgängers Joseph Kabila angetreten, dann paktierte er mit ihmBild: REUTERS

Um die Demokratie steht es nicht besser: Ex-Präsident Kabila verschob immer wieder die fällige Wahl eines Nachfolgers und blieb illegal im Amt. Erst im Dezember 2018 fanden Wahlen statt. Trotz Betrugsvorwürfen wurde der Oppositionspolitiker Felix Tshisekedi als neuer Präsident vereidigt - in einer fragwürdigen Allianz mit dem alten Machthaber. Trotzdem: Man wolle ein "neues Kapitel" in den deutsch-kongolesischen Beziehungen aufschlagen, sagte Bundeskanzlerin Merkel bei einem Berlin-Besuch Tshisekedis 2019. Denn der Kongo gilt als Schlüsselstaat in Zentralafrika. Ohne Zusammenarbeit und vor allem ohne Perspektiven für die Menschen dort, so die Berliner Sicht, kann die krisengeschüttelte Region nicht stabilisiert werden.

Trotzdem wissen Afrikapolitiker um die Risiken: "Es braucht natürlich eine Konstruktion [für das Projekt], die so aufgesetzt ist, dass Korruption keine Chance hat, dass internationale Compliance-Regelungen und beispielsweise Umweltstandards eingehalten werden und die kongolesische Regierung verpflichtet, die nötigen Rahmenbedingungen zu schaffen", sagt der Afrikabeauftragte Nooke.

Belastete Vorgeschichte

Kritiker glauben nicht, dass das funktionieren kann. "Inga-III liegt ja nicht erst seit vorgestern auf dem Tisch der kongolesischen Regierung. Es gibt eine fragwürdige Vorgeschichte", sagt Gesine Ames. Schon in den 1990er Jahren gab es erste Ideen, das Kraftwerk zu bauen. 2016 zog sich die Weltbank zurück, nachdem Ex-Präsident Kabila das Projekt unter seine Kontrolle stellte und die Zivilgesellschaft und den Privatsektor ausschloss. Später sollte ein chinesisch-europäisches Firmenkonsortium das Projekt bauen, das sich aber zerstritt. Nun also ein neuer deutscher Anlauf? Mit Evagor-Chef Wagner ist ausgerechnet ein früherer kongolesischer Honorarkonsul an Bord, der die Interessen der Kabila-Regierung in Deutschland vertrat.

Günter Nooke
Günter Nooke gestaltet die deutsche Afrikapolitik als Beauftragter der Bundesregierung für den Kontinent mitBild: picture-alliance/dpa/K. Nietfled

Zwar verkündete Präsident Tshisekedi kürzlichen den Bruch seiner Regierungsallianz mit dem Kabila-Lager. Ob er diesen Machtkampf gewinnen und damit eine grundlegend reformierte und transparente Wirtschafts- und Investitionspolitik durchsetzen wird, ist aber noch höchst unklar.

Gehen lokale Communities leer aus?

Entsprechend groß ist das Misstrauen. "Inga-III ist ein Projekt, das unsere Gemeinden nicht für geeignet halten, um ihren unmittelbaren Bedarf zu decken", sagt Nicole Bila Nkoy von der lokalen Umweltorganisation RENAD zur DW. Ihre Befürchtung: Vom Strom werden andere Länder profitieren, aber nicht die Menschen vor Ort. In den früheren Planungen für Inga-III sollte die Elektrizität sogar bis nach Südafrika verkauft werden. Die Versorgung vor Ort wäre ohnehin schwierig: "Die Idee, mit einem Großkraftwerk Strom für ein ganzes Land zu erzeugen, funktioniert nur, wenn ich auch ein entsprechendes Stromnetz habe. Das ist dort aber nicht vorhanden", sagt auch Joachim Fünfgelt von Brot für die Welt zur DW.

Infografik Karte DR Kongo mit Inga-Staudämmen DE

Stattdessen könnten die Gemeinden mit schwerwiegenden ökologischen Problemen konfrontiert werden. Schon 2019 berichteten Vertreter der lokalen Zivilgesellschaft der DW, dass die Zahl der Fische im Kongo-Fluss durch die bestehenden Kraftwerke Inga-I und Inga-II abgenommen habe. Viele Menschen in der Region leben vom Fischfang.

In einer aktuellen Kurz-Analyse warnen das Ökumenische Netz Zentralafrika und Brot für die Welt noch vor weiteren Folgen: Nach ihren Schätzungen müssten rund 37.000 landwirtschaftliche Haushalte wegen des Baus umgesiedelt werden. Bei Stromkosten zwischen 0,06 und 0,12 Euro pro Kilowattstunde Strom sei der dort produzierte Wasserstoff für den Export nach Deutschland viel zu teuer.

DRK Inga-Staudamm
Der neue Damm würde mehr Strom produzieren als beiden älteren Inga-Dämme zusammenBild: Getty Images/AFP/M. Jourdier

Der deutsche Afrikabeauftragte Nooke will die Chancen des Projekts trotzdem prüfen lassen. Der Strom würde in Abhängigkeit von anderen Nutzern weniger als drei Cent pro Kilowattstunde kosten, sagt er. Umsiedlungen für Großprojekte gebe es manchmal auch in Deutschland: "Die Frage ist, ob man das sozialverträglich machen kann. Wenn Sozialstandards eingehalten werden, vielleicht sogar deutsche, warum sollten das die Menschen in Afrika nicht als eine interessante Möglichkeit sehen, wenn dadurch Arbeitsplätze entstehen?"