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Politik

Die auffällige Zurückhaltung Saudi-Arabiens

Kersten Knipp | Emad Hassan
8. Januar 2020

In Riad beobachtet man den Konflikt zwischen den USA und Iran mit Sorge. Eine Eskalation könnte auch die Golfhalbinsel treffen. Allerdings dürfte der Iran an einer Ausweitung in diese Richtung kaum Interesse haben.

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Iran Ajatollah Ali Chamenei bei einer Kundgebung in Teheran
Bild: Reuters/Official Khamenei website

Die Folgen, die der Anschlag auf den iranischen General Soleimani im Nahen Osten nach sich ziehen kann, bleiben schwer absehbar. Nach dem Beschuss zweier internationaler Militärbasen, auf denen auch US-Soldaten stationiert sind, äußerte sich die politische Führung des Iran mehrdeutig. "Den Amerikanern wurde eine Ohrfeige verpasst" erklärte Staatsoberhaupt Ali Khamenei in einer im Fernsehen übertragenen Rede. Das "Thema Rache" für den Tod Soleimanis sei allerdings "eine andere Sache". "Militärische Aktionen dieser Art sind nicht ausreichend" dafür, so Khamenei weiter.

Der iranische Außenminister Mohammed Dschawad Sarif hingegen erklärte, der Raketenbeschuss sei eine angemessene "Selbstverteidigungsmaßnahme". Der Iran strebe keine "Eskalation oder Krieg" an, werde sich aber "gegen jegliche Aggression verteidigen".

Die Revolutionsgarden bezeichneten die Angriffe iranischen Staatsmedien zufolge als Vergeltung für die gezielte Tötung von Soleimani. Sie drohten zudem mit Angriffen gegen Israel sowie gegen mit den USA "verbündete Regierungen".

Diese Drohung richtet sich implizit auch an die US-Verbündeten auf der arabischen Halbinsel, insbesondere die dortigen Führungsmächte Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE).

Iran Trauer um General Soleimani in Kerman
Zorn: Trauerzug für Soleimani im iranischen KermanBild: Getty Images/AFP/A. Kenare

Sorgen in Riad

Die Regierung Saudi-Arabiens ist sich der heiklen Lage bewusst. Washington habe Riad vor dem Schlag gegen Soleimani nicht kontaktiert, erklärte ein hoher saudischer Beamter Medienberichten zufolge. Zugleich plädierte der saudische Außenminister Prinz Faisal bin Farhan Al Saud dafür, nach der "extrem gefährlichen" Eskalation zwischen dem Iran und den USA Ruhe zu bewahren. "Wir hoffen, dass alle Akteure alle notwendigen Schritte unternehmen, um eine weitere Eskalation und Provokation zu verhindern", erklärte er. Selbst König Salman bin Abdulaziz meldete sich zu Wort. Er forderte dringende politische Maßnahmen, die helfen könnten, "Spannungen abzubauen", berichtet die saudische Presseagentur SPA. Am Montag traf eine vom stellvertretenden saudischen Verteidigungsminister geführte Delegation in Washington ein, um dort Schritte zur Begrenzung der Eskalation zu erörtern.

"Es ist schon bemerkenswert, wie verhalten und auf Mäßigung bedacht die saudische Regierung jetzt auftritt", sagt Stephan Roll, Forschungsgruppenleiter für den Nahen/Mittleren Osten und Afrika der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik. "In den vergangenen Monaten waren ganz andere Töne aus Riad zu hören. Die hatten eher zur Konfrontation aufgerufen und den Iran als Erzfeind beschrieben."

Ein neuer Ton

Dieser Ton hatte sich in den letzten Wochen und Monaten geändert, sagt Stephan Roll. Im Spätsommer 2019 war Saudi-Arabien mehrmals Ziel mutmaßlich iranischer Angriffe geworden. So wurde im September Raffinerie-Anlagen des saudischen Energieunternehmens Aramco beschossen. Die USA machten dafür den Iran verantwortlich. Der aber bestritt, hinter dem Angriff zu stehen. Im Oktober wurde ein saudischer Tanker von zwei Raketen getroffen. Das iranische Ölministerium gab den Vorfall zwar bekannt, äußerte sich aber nicht zu den Verantwortlichen des Angriffs.

Saudi-Arbaien Drohnenangriffe auf Ölanlagen
Flammenmeer: Nach dem mutmaßlich iranischen Angriff auf Anlagen des Energieunternehmens AramcoBild: picture-alliance/abaca/SalamPix

"Ich habe den Eindruck, dass sich die saudische Strategie nach dem Bombardement der Aramco-Anlagen grundlegend geändert hat", sagt Roll. "Den Saudis ist jetzt offenbar klar geworden, wie verwundbar sie sind und wie viel sie in diesem Konflikt zu verlieren haben - gerade ökonomisch."

Wohl auch, um eine Eskalation zu vermeiden, hatten Saudi-Arabien und Iran in den vergangene Wochen zu gemeinsamen, vom Irak vermittelten Gesprächen angesetzt. Der irakische Premier Adel Abdul-Mahdi erklärte, er hätte sich just an dem Tag, an dem Soleimani getötet wurde, mit diesem treffen wollen. Der iranische General sei mit einer iranischen Botschaft als Antwort auf Saudi-Arabien nach Bagdad gekommen. "Da wurden Kanäle geöffnet, die es vorher nicht gab", so Roll. "In diese Richtung hatte man auch weitergehen wollen."

Ähnlich sieht es Hussein Ibesh, Politologe am Institut der arabischen Golfstaaten in Washington. Zwar liege es auf der Hand, dass man in Riad angesichts der Tötung Soleimanis Genugtuung empfinde. Allerdings sei auch klar, dass man dort über diese Krise nicht glücklich sei. "Die Saudis wissen, dass sie im Falle eines Krieges ins Kreuzfeuer geraten werden. Darum bemühen sie sich nach Kräften, die Eskalation zu begrenzen".

Gefahr aus dem Jemen

Bislang hat sich der Iran nicht explizit gegen Saudi-Arabien und die VAE gewandt. Allerdings forderten die jemenitischen Huthis, die seit fünf Jahren einer von Saudi-Arabien geführten Koalition gegenüber stehen, eine Reaktion auf die Ermordung Soleimanis. "Diese Aggression gegen die Achse des Widerstands (das vom Iran geschmiedete Bündnis, das unter anderem Akteure im Jemen, im Irak, in Syrien und im Libanon umfasst - Red.) kann nicht ohne Antwort bleiben", sagte Muhammad al-Bukheiti, Mitglied des politischen Büros der von den Huthis begründeten Ansar-Allah-Bewegung. 

Zwar sei denkbar, dass die Huthis besonders motiviert zu einem Angriff gegen Saudi-Arabien seien, so Roll. "Aber eine Attacke setzt voraus, dass der Iran diese Milizen gegen die Golfstaaten in Stellung bringt." Dass die Regierung in Teheran daran Interesse habe, sei zweifelhaft. Der iranischen Führung komme es darauf an, der eigenen Bevölkerung gegenüber Handlungsfähigkeit zu beweisen. "Inwieweit ein Angriff auf ein eher weiches Ziel in Saudi-Arabien von der Bevölkerung als Gegenmaßnahme akzeptiert wird, anstatt gegen Amerikaner oder gegen amerikanische Einrichtungen vorzugehen, ist fraglich", so Roll.

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika