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Politik

Iran-Abkommen: Trump widersetzt sich Europa

11. Oktober 2017

Steigt er wirklich aus? US-Präsident Trump könnte diese Woche Ernst machen mit der Aufkündigung des Iran-Abkommens zur nuklearen Abrüstung. Was würde das für Europa bedeuten?

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USA Trump
Bild: imago/UPI Photo/K. Dietsch

Der US-Präsident hat ein neues Projekt: einen Intelligenzvergleich mit seinem Außenminister Tillerson. Vielleicht sollte er das mal mit der EU-Chefdiplomatin Federica Mogherini versuchen. Wie das ausgehen würde? "Das ist wirklich einfach", meint Koert Debeuf, Nahost-Experte in Brüssel, und schmunzelt.

Intelligenz ist nicht mehr wichtig

Viel würde Mogherini ein IQ-Triumph allerdings nicht nützen, sollten die USA wirklich das Atomabkommen mit dem Iran aufkündigen. Dann hätte Trump die hohe Schule der Diplomatie endgültig abgewürgt, zugunsten atomarer Muskelspiele. Die Kernkompetenz der Europäer, die Suche nach dem Kompromiss, wäre wirkungslos. Oder in den Worten eines anonymen EU-Diplomaten: "Die Botschaft wäre: 'Verhandelt nicht! Vor allem nicht mit dem Westen, der hält seine Zusagen sowieso nicht ein‘."

EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini
EU-Außenbeauftragte Federica MogheriniBild: EU/Julie de Bellaing

Den "Westen" gibt es nicht mehr

Die Europäer wollen am Iran-Abkommen festhalten, egal, was die USA machen. "Es gehört der internationalen Gemeinschaft", meinte Mogherini nach einem höchst unerfreulichen Gespräch unter Beteiligung der Amerikaner am Rande der UN-Generalversammlung in New York (dazu später mehr). Wenn nun aber Trump und Co aus dem Deal aussteigen und neue Sanktionen gegen den Iran verhängen, die Europäer aber daran festhalten, ist ein wichtiger Aspekt der Nachkriegs-Weltordnung dahin: die Geschlossenheit des Westens. Experte Debeuf glaubt, die EU sollte auf keinen Fall kuschen und genau so weitermachen wie bisher. "Europa sollte mehr im Iran investieren. Das ist wichtig für Europas Glaubwürdigkeit und die Reformkräfte vor Ort." Stress mit Trump wäre natürlich programmiert, wahrscheinlich auch US-Sanktionen gegen europäische Firmen, die Geschäfte im Iran machen.

Politiker- DEBEUF Koert
Koert Debeuf, Nahostexperte Bild: ALDE

Europa wird stärker und schwächer zugleich

Nur so als Gedankenspiel: Die Amerikaner kündigen also den größten diplomatischen Erfolg der vergangenen Jahrzehnte auf - gleichzeitig ein nukleares Abrüstungsabkommen, das funktioniert - und niemand nimmt sie daraufhin mehr ernst. Die Europäer auf der anderen Seite sind der alleinige Garant von Stabilität, Integrität und Glaubwürdigkeit. Das gibt mit Sicherheit viel Applaus und Lippenbekenntnisse aus aller Welt. Die harte Realität sieht aber anders aus. Jamsheed Faroughi, DW-Farsi-Redaktion: "Hinter verschlossenen Türen im Iran glaubt niemand, dass die Europäer ohne Mitwirkung der USA irgendwas bewirken können." Ohne die, auch militärische, Macht der USA an ihrer Seite, sind die Verhandlungskünste der EU deutlich weniger wert. Die beiden funktionieren vor allem als Tandem. Für Europa bedeutet das: mehr Ansehen, weniger Einfluss.

Federica Mogherini verliert ihren größten Erfolg

Wie es um die Hohe Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik innerlich bestellt ist, wenn sie in der jetzigen Lage an das Abkommen denkt, konnte man am Rande der UN-Generalversammlung beobachten (s.o.). Auf der Pressekonferenz nach dem Treffen zum Iran spitzte sie hier und da vielsagend die Lippen. Der Subtext war klar: Mogherini war angefressen. Ihr Team nennt das "entschlossen". Die Diplomatin ist beileibe nicht die Einzige, die für die rund 12-jährigen, erfolgreichen Verhandlungen verantwortlich ist. Aber sie ist ihr Aushängeschild. Sollte ihr Ansehen leiden, könnte die EU noch weniger als außenpolitische Einheit wahrgenommen werden als ohnehin schon. "Ganz banal gesagt, sind die Europäer gerade die Guten und die Amerikaner die Bösen", meint Faroughi bezüglich des vorherrschenden Europabildes im Iran. Bei einem Scheitern der EU-Diplomatie könnten aber sehr wohl wieder die Einzelstaaten in den Vordergrund treten.

John Kerry in Brüssel mit Federica Mogherini
Da funktionierte das Tandem noch. Der ehemalige US-Außenminister John Kerry und Federica Mogherini.Bild: picture-alliance/dpa/Y.Pingfan

Pressekonferenz von Federica Mogherini nach Iran-Gesprächen in New York.

Keine gute Nachbarschaft für Europa

Mit Putin im Osten, dem Syrien-Konflikt im Südosten und Libyen jenseits des Mittelmeeres im Süden war Europa in letzter Zeit ohnehin nicht mit besonders angenehmen Nachbarn gesegnet. Sollte sich der Iran dem Abrüstungsabkommen nun nicht mehr verpflichtet fühlen, weil sich die USA daraus verabschieden, wird es noch deutlich ungemütlicher. Dann wäre der Iran-Deal plötzlich nicht mehr die Blaupause für mögliche Verhandlungen mit Nordkorea. "Was Nordkorea macht, ist auch Vorbild für die iranische Regierung", glaubt Jamsheed Faroughi. Anders gesagt: Atomare Aufrüstung statt Abrüstung im Iran und damit die weitere Destabilisierung der gesamten Region. Dann geht es um weit mehr als nur Europa. "This is about World Peace", erklärt Debeuf und dann mit einem Seufzer: "Wir müssen den Iran sehr ernst nehmen und mit ihm kommunizieren." Eine Botschaft, die US-Präsident Donald Trump offenbar noch nicht gehört hat.