Iran bestellt deutschen Botschafter ein
27. Oktober 2022Nach der Ankündigung weiterer Strafmaßnahmen gegen den Iran hat die Islamische Republik den deutschen Botschafter Hans-Udo Muzel einbestellt. Teheran werfe Deutschland und namentlich Außenministerin Annalena Baerbock vor, die seit Wochen andauernden regierungskritischen Proteste im Iran zu unterstützen, meldet die staatliche Nachrichtenagentur IRNA. Im Gegenzug wurde in Berlin der iranische Botschafter "zu einem Gespräch (...) geladen", wie es aus dem Auswärtigen Amt hieß.
Am Mittwoch hatte Baerbock angekündigt, den Kurs gegen Teheran wegen des harten Vorgehens der Sicherheitsbehörden gegen Demonstranten zu verschärfen. Über die auf EU-Ebene beschlossenen Sanktionen hinaus sollen zusätzliche nationale Einreisebeschränkungen verhängt und ohnehin reduzierte Wirtschaftskontakte heruntergefahren werden.
Sturm auf Behörden
Im kurdisch geprägten Nordwesten des Irans versuchten derweil Demonstranten, mehrere Behördengebäude in der Stadt Mahabad zu stürmen. IRNA zufolge konnte die Polizei eine Besetzung der Gebäude verhindern. Diese Angaben lassen sich derzeit nicht überprüfen. Die Menschenrechtsorganisation Hengaw mit Sitz im norwegischen Oslo berichtet unter Berufung auf Verbindungsleute in der Region, bei den Zusammenstößen mit Sicherheitskräften sei mindestens ein Demonstrant getötet worden.
Der Stabschef der iranischen Streitkräfte, Mohammad Bagheri, machte die Teilnehmer von Protesten mitverantwortlich für ein Attentat vom Mittwoch in der südlichen Millionenstadt Schiras. Die Demonstranten trügen eine Mitschuld an dem Anschlag auf ein schiitisches Heiligtum, bei dem mindestens 15 Menschen getötet wurden, erklärte der Kommandeur. Die sunnitische Terrormiliz "Islamischer Staat" hatte die Tat für sich reklamiert. Der iranische Religionsführer Ali Chamenei und Präsident Ebrahim Raisi kündigten Vergeltung an.
"Kampf gegen Terror"
Der russische Präsident Wladimir Putin versprach in einem Telegramm an Raisi, sein Land werde die Zusammenarbeit mit der Islamischen Republik "im Kampf gegen Terrorismus" verstärken. Die Führung in Teheran bezeichnete zuletzt auch die regierungskritischen Demonstranten als "Terroristen".
Auslöser der Massenproteste war der Tod der 22 Jahre alten iranischen Kurdin Jina Mahsa Amini. Die Sittenpolizei hatte sie festgenommen, weil sie gegen die strengen islamischen Kleidungsvorschriften verstoßen haben soll. Die Frau starb am 16. September nach einem vorangegangenen Polizeigewahrsam im Krankenhaus.
Seither protestierten landesweit Zehntausende Menschen gegen den repressiven Kurs der Regierung und das islamische Herrschaftssystem. Auch am Mittwoch, dem Ende der traditionellen 40-tägigen Trauerzeit, gab es Kundgebungen in zahlreichen Städten. Nach UN-Angaben wurden seit Beginn der Proteste mindestens 250 Menschen getötet.
jj/se (dpa, afp, rtr)