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PolitikIran

Iran: Frauen unterdrücken Frauen

17. März 2017

Feminismus ist für sie ein Verbrechen. Sie kämpfen für die traditionelle Frauenrolle in der islamischen Gesellschaft. Sie werden von mächtigen Kreisen unterstützt und blockieren den Weg zur Gleichberechtigung im Iran.

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Die konservative Politikerin Fatemeh Alia (Mitte) unterstützte frauenfeindliche Beschlüsse im Parlament Bild: snn

Die Gleichstellung der Geschlechter? "Verfassungswidrig", sagt Minoo Aslani. Sie ist Anführerin einer Fraueneinheit der paramilitärischen Basidschi-Milizen im Iran. Und ist alarmiert über "feministische Aktivitäten" unter der Regierung von Hassan Rohani. Aslani fordert die konservative Justiz auf, dem Streben nach Gleichstellung ein Ende zu setzten. Denn das gehöre nicht zu einer islamischen Gesellschaft.

Aslanis Truppe ist eine inoffizielle Hilfs- und Geheimpolizei, die dem religiösen Führer Ayatollah Chamenei untersteht. Sie ist auf der Straße und in Betrieben, in Schulen und Universitäten, kurz: überall aktiv. Ihre Aufgabe: Prüfen, ob Frauen den auf der Scharia basierenden Gesetzen folgen. Diese Gesetze machen die Frauen zu unmündigen Bürgerinnen. Alle wichtigen Entscheidungen werden von Vätern, Ehemännern oder dem Staat getroffen. Zum Beispiel, ob eine Frau studieren, arbeiten, heiraten oder reisen darf. Selbst, was sie anziehen kann und wie sie sich in der Öffentlichkeit präsentiert, ist der strengen offiziellen Kleiderordnung unterworfen. Um das zu ändern, müssten politische Entscheidungen getroffen werden.

"Politische Partizipation von Frauen ist aber nicht gewünscht. Wir werden immer noch wegen unserer erfolgreichen Kampagne im vergangenen Jahr verfolgt", klagt Maryam (Name geändert) im Gespräch mit der Deutschen Welle. Die Frau aus Teheran gehört zu den Aktivistinnen, die vor der Parlamentswahl im Februar 2016 eine Kampagne mit dem Motto "Schluss mit dem männlichen Gesicht des Parlaments" gestartet hatten. Ihr Hauptanliegen: eine Frauenquote von mindestens 50 Sitzen im 289 Sitze umfassenden Parlament. Dieses Ziel haben sie bislang nicht erreicht.

Väter, die Adoptivtöchter heiraten

"Die Aktivistinnen haben aber mit ihrer gut organisierten Kampagne die Wiederwahl einiger Parlamentarierinnen verhindert, die in der letzten Legislaturperiode frauenfeindliche Beschlüsse nicht nur unterstützt, sondern sogar selbst vorgeschlagen hatten", sagt Mansoureh Shojaee, einer der führenden Köpfe der iranischen Frauenrechtsbewegung. Sie ist eine der Mitbegründerinnen der Webseite "The Feminist School", auf der über Feminismus und Freuenrechte im Iran und weltweit diskutiert wird. Wegen ihres Engagements wurde sie mehrfach festgenommen. Seit 2009 lebt sie außerhalb des Iran und unterstützt die Frauenbewegung mit Ideen und Initiativen. 

"Frauenaktivisten haben vergangenes Jahr versucht, die Wähler und Wählerinnen aufzuklären. Sie haben gezeigt, wer wann welche Gesetze unterstützt hat", berichtet Shojaee. Zum Beispiel wurde über die Arbeit der Parlamentarierin Fatemeh Alia aufgeklärt. Die konservative Abgeordnete aus Teheran gehört zu den Unterstützern des früheren Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad. Sie verlangt von Frauen, zu Hause zu bleiben, um sich um die Erziehung der Kinder und die Versorgung ihrer Ehemänner zu kümmern.

Fatemeh Alia saß drei Legislaturperioden lang im Parlament und unterstützte fast alle umstrittenen Gesetzesänderungen. Dazu gehörten das Verbot der freiwilligen Sterilisation - die zweithäufigste Verhütungsmethode im Iran; dazu gehörten Einschränkungen der finanziellen Rechte der Frauen bei der Scheidung. Und Alia unterstützte sogar ein Gesetz, das es Vätern erlaubt, ihre Adoptivtöchter zu heiraten. "Die Frauenaktivistinnen haben Alia nach Hause geschickt, damit sie ihren Pflichten dort nachkommt", freut sich Shojaee über die Abwahl der Konservativen.

Hand geschüttelt? Disqualifiziert!

Im aktuellen Parlament sitzen mit 17 Frauen immerhin doppelt so viele Parlamentarierinnen wie in der letzten Legislaturperiode. Mit dieser Rekordzahl verfügen sie sogar über einen Sitz mehr als die Geistlichen: Das hat es seit der Islamischen Revolution von 1979 noch nie gegeben. Beworben um ein Mandat hatten sich 1234 Frauen; mehr als die Hälfte wurde aber vom Wächterrat des Landes von der Wahl ausgeschlossen.

Der Wächterrat ist ein Teil des politischen Systems im Iran und bestätigt vor Wahlen die ideologische Qualifikation der Kandidaten. Im vergangenen Jahr hat er insgesamt 99 Prozent der Reformkandidaten in der Hauptstadt Teheran ausgeschlossen. Das hörte selbst nach der Wahl nicht auf: Minoo Khaleghi, die als dritte Abgeordnete der Großstadt Isfahan ins Parlament gewählt wurde, musste ihr Mandat wieder abgeben. Der Wächterrat nahm Anstoß daran, dass die Reformpolitikerin auf einer Auslandsreise einem männlichen Gesprächspartnern Hände geschüttelt haben soll.

Diese Entscheidung konnte nicht einmal Präsident Hassan Rohani ändern. Trotzdem waren die Parlamentswahlen ein Sieg für die Reformer und Gemäßigten um Rohani, der mehr Gleichberechtigung für Frauen - besonders in der Politik - fordert. Seine für Frauen und Familie zuständige Vizepräsidentin Shahindokht Molaverdi zählt zur Frauenbewegung im Iran.

"Feministische Schlampe" als Vizepräsidentin

Die Juristin Molaverdi will mehr Arbeitsplätze für Frauen schaffen; sie will die wachsende Zahl alleinerziehender Mütter sozial besser absichern und fordert mehr politische Partizipation der Frauen im Iran. Sie unterstützt nun eine Initiative der Parlamentarierinnen, die eine Verheiratung von Mädchen unter 13 Jahren verbieten soll.

Diese Initiative geht dem "Verein der akademischen Frauen der Islamischen Revolution“ gegen den Strich. Der Verein untersteht direkt dem Büro des Religiösen Führers und wirbt unter Mädchen an Schulen und Universitäten für frühes Heiraten und Kinderkriegen. Die Leiterin der Vereins, Zahra Sadjadi, steht mit mächtigen Großayatollahs in Verbindung. Sie bestimmen in konservativen Kreisen, welche Entscheidungen im Parlament unterstützt werden müssen oder eben nicht.

Vatikan Audienz iranische Präsidentin Molaverdi bei Papst Franziskus
Vizepräsidentin Shahindokht Molaverdi ist den konservativen Politikerinnen ein Dorn im AugeBild: Reuters/Osservatore Romano

Unter Konservativen ist Vizepräsidentin Molaverdi deshalb eine der meist gehassten Frauen. Sie wurde in konservativen Zeitung sogar als "feministische Schlampe" beschimpft. Ein besonders großes Ärgernis für die konservativen Politikerinnen: Molaverdis Zusammenarbeit mit der Frauenrechtskommission der Vereinten Nationen. "Sie lassen nicht einmal die Vizepräsidentin in Ruhe. Wir wissen, dass Frau Molaverdi unsere Interessen vertritt.  Aber sie ist ein rotes Tuch für die Justiz", beschwert sich Maryam, die Aktivistin aus Teheran. "Schon der Versuch, mit ihr in Kontakt zu treten, kann schlimme Folgen für uns und für sie haben. Aber wir schaffen es auch ohne sie. Wir denken nicht ans Aufgeben."