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PolitikAsien

Iran: Nach Tod von Ebrahim Raisi kein Ende der Repression

22. Mai 2024

Präsident Ebrahim Raisi spielte eine zentrale Rolle bei der Unterdrückung der Bevölkerung im Iran. Die Einschüchterungen gehen auch nach seinem Tod weiter.

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Frauen ohne Kopftuch vor einem Banner mit Raketen in Teheran
Bild: Vahid Salemi/AP Photo/picture alliance

"Er starb im Dienst seines Landes wie ein Märtyrer", ehrte der religiöse und politische Führer des Landes, Ayatollah Ali Chamenei, den verstorbenen Präsidenten Ebrahim Raisi. Dieser war ein Jahr vor dem Ende seiner ersten Amtszeit mit seinem Außenminister Hussein Amirabdollahian und sechs weiteren Insassen beim Absturz eines Helikopters ums Leben gekommen.

Die staatliche Medien veröffentlichten Bilder und Videos von seiner Trauerfeier, die zeigen sollen, wie beliebt Raisi war. Nach Angaben des Staatsfernsehens sollen Millionen Menschen zur Trauerfeier für Ebrahim Raisi in der iranischen Hauptstadt Teheran geströmt sein.

Ein überdimensionaler Sarg, von der iranischen Flagge bedeckt, wird auf den Auflieger eines Sattelschleppers gehoben. Eine unübersehbare Menschenmenge steht um das Fahrzeug herum.
Trauerfeier für Präsident Raisi, seinen Außenminister Amirabdollahian und sechs weitere Insassen des abgestürzten Hubschraubers in der Hauptstadt TeheranBild: Majid Asgaripour/WANA/REUTERS

"In einem Land, in dem es keine echten Wahlurnen für freie Wahlen gibt, seid ihr gezwungen, Legitimität mit Menschenmengen an Särgen zu suchen," kommentiert der im Pariser Exil lebende iranische Journalist Mohammad Javad Akbarin auf der Plattform X. Er weist darauf hin, dass das Recht auf Versammlung auf den Straßen nicht für alle Bürger des Landes garantiert sei.

"Jede Art von Protestaktion, die die Sicherheit des Landes gefährdet und die Emotionen der trauernden Bevölkerung verletzt, wird bestraft", warnte die Justiz in einer Stellungnahme, die direkt nach der Bestätigung des Todes des Präsidenten veröffentlicht wurde. 
 

Was das bedeutet, zeigt der Fall der Journalistin Manizheh Moazen: "Aufgrund meiner Reaktion auf den Tod von Ebrahim Raisi hat die Justiz eine Akte gegen mich eröffnet," schreibt sie auf X.


Wegen ihrer Arbeit als Journalistin saß Moazen bereits im November 2023 im Gefängnis. Nach dem Tod von Ebrahim Raisi repostete sie einen Tweet, der auf Raisis Rolle bei der Massenhinrichtung politischer Gefangener in den 1980er Jahren hinwies.

Raisis Tod und die Folgen für den Iran

"Raisi hat seine Taten nie bereut", sagt die iranische Schriftstellerin und Aktivistin Shadi Amin im Gespräch mit der DW. Shadi Amin lebt in Deutschland und setzt sich für die Rechte von LGBTQIA+ und Minderheiten im Iran ein. "Seit mehr als 40 Jahren spielte Raisi immer eine wichtige Rolle bei der Umsetzung der Politik der Islamischen Republik, vor allem bei der Unterdrückung der Zivilbevölkerung."

Im Dienst eines ideologischen Unterdrückungssystems

Vor seiner Amtszeit als Präsident verbrachte der 63-jährige Raisi sein ganzes berufliches Leben in der Justiz. Direkt nach der Revolution von 1979 stieg er als junger Geistlicher im Rechtssystem der neu gegründeten Islamischen Republik auf und machte bereits als 20-Jähriger in den 1980er Jahren eine steile Karriere. Damals gehörte er dem sogenannten "Todeskomitee" an, das für die Hinrichtung tausender politischer Gefangener verantwortlich war.

Als Richter setzte er seine Karriere fort und wurde 2019 vom religiösen Führer zum Leiter der Justizbehörde ernannt. In einem Interview nach seinem Sieg bei den Präsidentschaftswahlen 2021 verteidigte Raisi sein Vorgehen als Mitglied der Justiz: "Wenn ein Richter oder ein Staatsanwalt die Sicherheit des Volkes verteidigt hat, sollte er dafür gelobt werden", rechtfertigte er den Massenmord in den 1980er Jahren gegenüber Reportern.

Sacharow-Preis für Iranerin Jina Mahsa Amini

Bei der blutigen Unterdrückung der landesweit immer wieder aufflammenden Proteste, zuletzt nach dem Tod von Jina Mahsa Amini im September 2022, spielte Raisi als Irans Präsident eine entscheidende Rolle. "Er setzte sich für die Umsetzung frauenfeindlicher Gesetze wie das obligatorische Hijab-Gebot für Frauen und deren Unterdrückung ein", betont Shadi Amin. "Raisi war eine wichtige Figur für das politische System im Iran und für die Ziele dieses Systems."

Gleichzeitig fügt sie hinzu, dass in der Islamischen Republik Iran der religiöse Führer das letzte Wort hat und praktisch alles diktiert und bestimmt. "In diesem System wurden in den letzten Jahren genügend Leute wie Raisi erzogen, die bereit sind, mit Härte und Brutalität gegen die Zivilbevölkerung vorzugehen. Ich bedauere nur die Beileidsbekundungen der Politiker westlicher Länder, der Europäischen Union und internationaler Organisationen für einen Massenmörder wie ihn. Es ist eine große Enttäuschung für die iranischen Frauen und die Zivilbevölkerung."