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Iran-Sanktionen: Eskalation oder Bluff?

23. April 2019

Die US-Regierung verschärft ihre Sanktionen gegen den Iran. Ab Mai enden die bisherigen Ausnahmen. Droht eine Eskalation - oder ist es nur eine Verhandlung à la Trump?

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Persischer Golf Ölplattform
Bild: Reuters/R. Homavandi

Vor einem halben Jahr haben die USA einseitig neue Sanktionen gegen den Iran verhängt. Für acht der wichtigsten Ölkunden des Iran gab es jedoch Ausnahmegenehmigungen. Diese laufen am 2. Mai aus. Geht es nach dem Willen der USA, dürfen dann auch China, Indien, Südkorea, Türkei, Italien, Japan, Griechenland und Taiwan kein Öl mehr aus dem Iran beziehen.

Nach der Ankündigung der USA, die Ausnahmen nicht zu erneuern, ist der Ölpreis auf den höchsten Stand seit November gestiegen. Ein Fass der Nordseesorte Brent kostete am Dienstag 74,69 Dollar. "Ein weiterer Anstieg ist nicht auszuschließen", sagt Eugen Weinberg, Rohstoffanalyst der Commerzbank. "Wenn die Regeln sehr streng umgesetzt werden, riskieren wir einen Ölpreis von weit über 80 Dollar in sehr kurzer Zeit."

Was will Trump?

Was allerdings genau passieren wird, ist derzeit noch unklar. Zumal US-Präsidenten Donald Trump selbst schon oft über den hohen Ölpreis geklagt hat. "Auf dem Ölmarkt gibt es ein Angebotsdefizit", so Weinberg zur DW. "Wegen freiwilliger Produktionskürzungen der Opec (Organisation Erdöl exportierender Länder) und unfreiwilliger Produktionsausfälle in Venezuela fehlen dem Markt derzeit 500.000 Barrel pro Tag."

Wenn die Ausnahmgenehmigungen für die acht Ölkunden komplett wegfallen, könnte diese Lücke auf bis zu zwei Millionen Barrel pro Tag ansteigen, so Weinberg. "Für wahrscheinlicher halten die Märkte aber ein Szenario, in dem Länder wie China und vielleicht Indien entweder eine neue Ausnahmegenehmigung erhalten oder sich nicht an den Sanktionen beteiligen."

China ist mit Abstand der wichtigste Abnehmer iranischen Öls, im vergangenen Jahr importierte Peking jeden Tag rund 585.000 Barrel pro Tag. Auf den Plätzen folgen Indien, Südkorea und die Türkei.

Scharfe Worte aus China

Das chinesische Außenministerium verurteilte die Verschärfung der US-Sanktionen. Geschäftsbeziehungen zwischen Iran und anderen Ländern seien "vernünftig und rechtens", während den USA die rechtliche Grundlage für Sanktionen fehle, sagte ein Sprecher in Peking. "Wir fordern die USA auf, verantwortungsvoll zu handeln und eine konstruktive Rolle zu spielen." Die chinesische Regierung habe in Washington bereits Beschwerde eingelegt.

Eins ist sicher: Die laufenden Gespräche über eine Beilegung des Handelskonflikts zwischen den USA und China werden durch das Ende der Ausnahmeregel nicht einfacher.

Indien, zweitgrößter Ölkunde Irans, gab dagegen bekannt, sein Öl anderswo kaufen zu wollen. Mit seinen Partnern, darunter auch den USA, werde Indien nach Wegen suchen, seine energiepolitischen Interessen zu wahren, sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Delhi. Vor einigen Jahren hatte Indien Sanktionen gegen den Iran noch umgangen, indem es Öl durch Tauschgeschäfte finanzierte.

Die Europäer haben eigens eine Zweckgesellschaft namens Instex geschaffen, um Geschäfte mit dem Iran trotz der US-Sanktionen zu finanzieren. Wie gut das funktioniert, muss sich allerdings erst noch zeigen. Eine Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini nannte die angekündigte Verschärfung der Sanktionen am Dienstag "bedauernswert".

"Die Zeichen stehen auf Eskalation"

Das Ende der Ausnahmegenehmigungen zeige, dass sich die Hardliner in der US-Administration durchgesetzt haben, sagt Sascha Lohmann von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. Die "Strategie des maximalen Drucks" lasse weitere Sanktionen erwarten. "Gleichzeitig werden die Drohungen gegen den Iran wohl weiter zunehmen. Im Mittelmeer stehen zudem zwei Flugzeugträger-Kampfgruppen bereit, um diese Drohkulisse um eine militärische Komponente zu ergänzen", so Lohmann zur DW. "Die Zeichen stehen auf Eskalation."

Irans Ölminister Bijan Zanganeh sagte am Dienstag, es werde den USA nicht gelingen, die iranischen Öl-Exporte auf Null zu beschränken. In der Tat müsse sich nach dem 2. Mai zeigen, ob "kreative Lösungen" gefunden werden, der iranischen Regierung jene 1-1,5 Millionen Barrel täglich abzukaufen, die diese brauche, um wirtschaftlich über die Runden zu kommen, sagt Lohmann von SWP. "Indien hat es mit seinen Tauschgeschäften vorgemacht. Und das, was die EU mit Instex im humanitären und landwirtschaftlichen Bereich machen will, könnte man auch auf den Ölbereich ausweiten."

Anreiz dazu gibt es, denn je größer der Druck auf den Iran wird, desto größer wird auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich das Land nicht mehr an seine Verpflichtungen aus dem Atomabkommen gebunden fühlt. Auch deshalb warf eine EU-Sprecherin den USA vor, das Abkommen zur Verhinderung einer iranischen Atombombe noch weiter zu gefährden.

Weitere Verlängerung?

Doch auch für die USA ist die Situation nicht ohne Risiko. Es sei nicht sicher, dass Saudi-Arabien seine Produktion sofort hochfährt, um die Öl-Lücke zu schließen, sagt Analyst Weinberg, denn eigentlich wolle Saudi-Arabien einen Ölpreis von mehr als 80 Dollar pro Barrell. In den USA drohen dann ausgerechnet zum Beginn der Urlaubssaison im Sommer höhere Spritpreise.

Außerdem habe die Vergangenheit gezeigt, dass bei Trump nicht immer so heiß gegessen werde wie gekocht. "Im vergangenen Jahr haben die USA lange mit besonders strengen Sanktionen gedroht - kurz vor Inkrafttreten gab es dann doch großzügige Ausnahmen", so Weinberg. "Vielleicht passiert das ja auch diesmal."

Andreas Becker
Andreas Becker Wirtschaftsredakteur mit Blick auf Welthandel, Geldpolitik, Globalisierung und Verteilungsfragen.